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Die App-Economy hat in der Schweiz ihren Höhepunkt noch nicht erreicht

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Apps sind allgegenwärtig. Es ist naheliegend, dass Unternehmen damit auch Geld verdienen wollen. Dabei sollten sie aber ein paar Dinge beachten. Unternehmen haben auch die Chance, ihre eigenen Prozesse mittels Apps zu verbessern.

Korrigendum: In der Printversion dieses Artikel hat es einen Fehler nach dem Zwischentitel "iOS-Store wichtiger als Play Store". Dort steht, dass für Andreas Garzotto der Play Store von Android wichtiger sei als der Apple-App-Store. Diesen Satz müsste man umdrehen. Der Apple-App-Store ist in diesem Kontext wichtiger als der Play Store von Android.

Die App-Economy begann mit der Eröffnung des ersten Apple-App-Stores vor fünf Jahren. Seither hat sich vieles grundlegend verändert. Haben wir früher unsere Bus- und Zugverbindungen vielleicht ausgedruckt oder per SMS abgefragt, zücken wir heute das Smartphone und rufen die aktuellen Fahrzeiten ab.

Oder wir informieren uns via App über unseren Kontostand, das Wetter und die Öffnungszeiten der nächsten Postfiliale. Viele können sich heutzutage ein Leben ohne die kleinen, smarten Helfer gar nicht mehr vorstellen. Doch wie lässt sich mit Apps Geld verdienen? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Es gibt Apps, die Entwickler im Auftrag erstellen oder die Unternehmen selbst entwickeln. Dann gibt es werbefinanzierte Apps wie beispielsweise Angry Birds, die eine gewisse Downloadrate und Reichweite voraussetzen. Und schliesslich gibt es kostenpflichtige Apps oder solche, bei denen sich Geld mit Verkäufen innerhalb der App verdienen lässt.

E-Impfbüchlein und Schweizer Landkarten

Eine offenbar beliebte kostenpflichtige App ist beispielsweise "myViavac", ein elektronisches Impfbüchlein der Genfer Abonobo AG. Sie steht derzeit im iOS-Store auf Rang 6. Die App "Swiss Map Mobile", die die Schweizer Landeskarten von Swisstopo in verschiedenen Massstäben aufs Handy bringt, ist ebenfalls kostenpflichtig. Zudem kann man innerhalb der App weitere Kartenausschnitte erwerben. Sie steht derzeit auf Platz 29 im Google Play Store als erste kostenpflichtige App nach einer schier endlosen Reihe von kostenlosen Spiele-Apps. Entwickelt hat sie die Andreas Garzotto GmbH in Winterthur.

Für Garzotto ist die gute Platzierung im Play Store keine grosse Überraschung. "Unter iOS war sie über ein Jahr lang fast immer in den Top 10", sagt er. Nebst der App selbst sei dafür aber auch der Inhalt verantwortlich. Denn das Kartenmaterial von Swisstopo geniesse in der Schweiz grosses Ansehen. Eine gute Platzierung, so Garzotto, sei für eine App wichtig, denn bei hunderttausenden Apps sei man sonst kaum sichtbar. Dies und eine gute Mundpropaganda sind für ihn die wichtigsten Helfer für die Verbreitung einer App. "Voraussetzung ist natürlich auch, dass überhaupt ein Bedürfnis nach der App besteht und sie gut gemacht ist."

Für Garzotto ist demnach ein hochwertiger Inhalt und gute Benutzbarkeit sehr wichtig. "Ursprünglich wollte ich für mich selbst eine Karten-App zur Verfügung haben", sagt er. Sein Fazit: Eine App, die man selbst verwenden möchte, wird meist besser und nutzbarer entwickelt als eine, die für "andere" entwickelt wird.

iOS-Store wichtiger als Play Store

Für die Andreas Garzotto GmbH, die primär von Einnahmen aus der App-Entwicklung lebt, ist laut Garzotto der Apple-App-Store wichtiger als der Play Store von Android. Swiss Map Mobile sei eine der wenigen Android-Apps, die kein Verlustgeschäft sei, so Garzotto. Mit den meisten Android-Apps werde nichts verdient, zudem würden viele Android-Apps von iOS querfinanziert – das sei auch bei Garzotto so.

Auch die Berner Agentur "Apps with love" nennt Arbeiten im Auftragsverhältnis als eigene Haupteinnahmequelle. Grundsätzlich sei diese bei der Schweizer Entwicklerszene wohl am verbreitesten, ist sich das Team von "Apps with love" einig. Die hiesige Szene sei zwar "recht jung, aber qualitativ hochstehend " und wachse rasant. "Oftmals kooperieren Entwickler mit Nearshore-Partnern, um wettbewerbsfähige Entwicklungskosten offerieren zu können", schreibt das Unternehmen auf Anfrage.

Apps unternehmensintern entwickeln

Neben den Apps, die Firmen für Kunden oder Konsumenten produzieren, gibt es auch solche, die Apps intern für sich selbst nutzen. So zum Beispiel das IT-Unternehmen Abraxas, das "Mobile Computing" intern zur Strategie erklärt hat. Abraxas gehört zu je 50 Prozent den Kantonen Zürich und St. Gallen und bietet IT-Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung an. Die besagten Apps entwickelt Abraxas selbst. Der Grund hierfür sei, dass traditionelle Fachlösungsanbieter nicht auf Verwaltungen zugeschnittene Lösungen zur Unterstützung von Mobilität anbieten können, so Eric Scherrer, Leiter Product Engineering Application Solutions.

Zu den geplanten Anwendungen gehört etwa eine App, die Verwaltungsmitarbeiter bei typischen Verwaltungsprozessen, wie Inspektionen und Prüftätigkeiten ausserhalb des Büros, unterstützen soll. Sie bietet Checklisten kombiniert mit der Möglichkeit, vor Ort Bilder abzuspeichern und Sachverhalte zu protokollieren. Das Ziel dabei ist, die Arbeitseffizienz zu steigern. Damit hat das Unternehmen eine Richtung eingeschlagen, die Christof Zogg, Director Developer & Platform Group bei Microsoft, Firmen empfiehlt: "Viele Unternehmen haben die Bedeutung von Apps noch nicht erkannt."

Dabei liessen sich Applikationen für mobile Geräte als Ablösungen von Intranetapplikationen einsetzen oder als Ergänzung von ERPSystemen. Will ein Unternehmen Letzteres tun, ist dies laut Zogg nur dann sinnvoll, wenn die App für einen speziellen Zweck entwickelt wird, beispielsweise als abgespeckte Version für das Management, um Informationen nachschlagen oder einfache Szenarien abbilden zu können. Denn Power-User würden weiterhin auf die Desktop-Applikation zugreifen wollen.

Unternehmen haben Nachholbedarf

Diese Aussagen bestätigt auch Fritz Reust, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Swiss Mobile Association, Smama. Der Verband, der seit knapp zwei Jahren existiert, will nach eigenen Angaben das Mobile-Business in der Schweiz vorantreiben. Unternehmen haben Reust zufolge "noch nicht so richtig begriffen ", was sie in Bezug auf Apps tun sollen und wie sie dies für ihre eigenen Geschäfte nutzen können.

Als Gründe sieht er fehlendes Know-how, finanzielle Fragen und auch den personellen Aufwand, den die neue Kommunikationsform mit sich bringt. Zudem gebe es gewisse Sicherheitsaspekte zu beachten. "Viele Unternehmen fürchten gerade auch bei den aktuellen Überwachungsskandalen einen potenziellen Datenverlust", so Reust. Dabei hätten sie laut Reust die grosse Chance, geschäftsinterne Infos immer aktuell zu halten und an einem zentralen Ort abzulegen, vor allem für Mitarbeiter im Aussendienst.

Man könne eine App aber durchaus auch als Kundenbindungsinstrument nutzen. "Zum Beispiel mit einer App, die einen ständig aktualisierten Produktkatalog mit Preisliste abbildet." Unternehmen, die in das Business mit Apps einsteigen wollen, sollten sich Reust zufolge von Spezialisten beraten lassen. Smama selbst führt zwar keine Beratungen durch, verweist aber Anfragen von Unternehmen an die eigenen Mitglieder weiter. Mit so einer Beratung könnten sich beispielsweise Anfängerfehler vermeiden lassen.

Denn Unternehmen machen gemäss Reust oft den Fehler, zu viel in Apps hineinpacken zu wollen. "Eine gute App ist selbsterklärend", ist er überzeugt. Sie sollte demnach nur einen klar definierten Zweck erfüllen und keine "eierlegende Wollmilchsau " sein. Besser wäre es, sich zu beschränken, den Nutzer und die Technologie nicht zu überfordern und damit ein klares, vorgegebenes Ziel mit der App auch wirklich erreichen zu können.

Es gibt auch ungeeignete Apps

Apps können aber nicht nur überladen, sondern sogar überflüssig sein. Zogg zufolge hat eine App gegenüber einer Webapplikation zwar einerseits drei wesentliche Vorteile:Sie ist offline verfügbar, läuft auf einem Touch- screen, und das UI kann reichhaltiger gestaltet werden. Andererseits sei die Touch-Bedienung aber nicht für jeden Anwendungsfall geeignet. Ob eine App auch wirklich sinnvoll ist, muss ein Unternehmen demnach erst testen.

So auch Microsoft: "Wir haben eine Pilotapplikation für einen Webservice entwickelt, die dem Nutzer das Organigramm aller Mitarbeiter aufzeigt." Es zeigte sich aber, dass eine App für diesen Zweck wenig Zusatznutzen bringt. Bei einer anderen Webapplikation hingegen, die der internen Schulung für Mitarbeiter dient, brachte eine App grosse Vorteile mit sich. Die App kann die Mitarbeiter mittels Push-Nachrichten auf ein Training hinweisen, zudem können die Mitarbeiter diese Trainings auch offline, also beispielsweise im Zug, absolvieren. Dies sei mit der Webapplikation nicht möglich gewesen, so Zogg.

Revolution im Vertrieb von Software

Zogg sieht noch einen weiteren Vorteil von Apps: Man müsse sich bewusst sein, dass Apps nicht nur Touch-Applikationen seien, sondern vor allem die Verbreitung von Software für Entwickler und Nutzer stark vereinfacht hätten. "Ein App-Store ermöglicht den globalen Vertrieb, zudem findet eine Qualitätsprüfung durch den Store-Anbieter statt." Zudem hätten die Nutzer die Möglichkeit, Kommentare und Bewertungen abzugeben, die das Softwareangebot transparenter macht.

Microsoft selbst verdient zurzeit vor allem mit dem globalen Betrieb der Windows- und Windows-Phones-Stores Geld, wobei das Softwareunternehmen von den Publishern beim App-Verkauf eine Kommission zwischen 20 und 30 Prozent des Kaufbetrags verlangt. Die meisten eigenen Apps auf den Windows- beziehungsweise iOS- und Android-Stores wie beispielsweise Lync, Skype oder Onenote bietet das Unternehmen dagegen kostenlos zum Download an. Sie sollen das mobile Nutzererlebnis stärken und die jeweiligen Desktop-Applikationen ergänzen.

Für nächstes Jahr will Microsoft vollwertige Touch-Versionen der Office Suite auf den Markt bringen. Wie sieht es also mit der App-Economy in der Schweiz aus? Auch Reust sieht für Apps weiterhin eine grosse Zukunft. Mit einer App könne man die Effizienz fördern, und auch die Akzeptanz der kleinen, schlanken Applikationen sei gross. Reust sieht zudem eine weitere Chance für Apps auf Tablets, die ein signifikant grösseres Display aufweisen. Er meint aber, dass man den Boom rund um Apps nicht überschätzen sollte. "Wenn man sieht, wie viele Apps zum Download bereitstehen, ist der Prozentsatz, der wirklich genutzt wird, verhältnismässig klein."