Entscheid des Europäischen Gerichtshofs

Google muss Suchergebnisse auf Anfrage löschen

Uhr | Aktualisiert

Haben wir ein Recht darauf, im Internet "vergessen" zu werden? Ja, meint der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil, das auf der EU-Datenschutzrichtline basiert.

Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen haben: Der Europäische Gerichtshof (EuGH), das oberste Justiz-Organ der Europäischen Union, hat die Pflichten von Suchmaschinenbetreibern in einem Urteil massiv ausgeweitet. Es ging um die Frage, ob Personen aufgrund der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 das Recht haben, im Internet "vergessen" zu werden. In seiner Urteilsbegründung hält das Gericht fest:

"Zu der Frage, ob die betroffene Person nach der Richtlinie verlangen kann, dass Links zu Internetseiten aus einer solchen Ergebnisliste gelöscht werden, weil sie wünscht, dass die darin über sie enthaltenen Informationen nach einer gewissen Zeit 'vergessen' werden, stellt der Gerichtshof fest, dass die in der Ergebnisliste enthaltenen Informationen und Links gelöscht werden müssen, wenn auf Antrag der betroffenen Person festgestellt wird, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einbeziehung der Links in die Ergebnisliste nicht mit der Richtlinie vereinbar ist."

Schutz der Privatsphäre als Begründung

De Facto bedeutet dies, dass zum Beispiel der Suchmaschinenbetreiber Google zum Löschen von Links in den Ergebnissen seiner Suchanfrage gezwungen werden kann. Als Begründung nennt das Gericht primär den Aspekt des Schutzes der Privatsphäre einer Person. Die Ergebnisliste von Google ermögliche es nämlich, "einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen zu erhalten, die potenziell zahlreiche Aspekte von deren Privatleben betreffen und ohne die betreffende Suchmaschine nicht (...) miteinander verknüpft werden können."

Nach Ansicht des EuGH ist also ein Suchmaschinenbetreiber für die Verarbeitung von Informationen und Daten verantwortlich. Betroffene Personen, deren Privatsphäre dadurch verletzt wird, sollen sich daher nach der Logik des Urteils mit der Bitte um Löschung der Suchergebnisse an Google oder andere Suchmaschinenbetreiber wenden können. Des Weiteren ergibt sich daraus das Recht, ein Gericht anzurufen, sollten die Suchergebnisse trotzdem nicht gelöscht werden.

Spanier wollte Immobilienpfändung unsichtbar werden lassen

Zum Verfahren am EuGH war es gekommen, weil ein Spanier von der nationalen Datenschutzagentur "Agencia Española de Protección de Datos" (AEPD) Recht bekommen hatte. Er wollte, dass Google Informationen zu einer ihn betreffenden Immobilienpfändung aus seinen Suchergebnissen lösche. Da Google sich damit nicht einverstanden erklärte, wurde der Fall schliesslich an den EuGH weitergeleitet, der nun das besprochene Urteil fällte.

Verschiedene Medien wie zum Beispiel der Spiegel zeigen sich von der Entscheidung überrascht. Noch im Juni 2013 habe der finnische EU-Generalanwalt Niilo Jääskinen in einem Gutachten die Meinung geäussert, dass eine "subjektive Präferenz noch kein schutzwürdiger Grund sei und eine Person somit nicht berechtige, die Verbreitung personenbezogener Daten zu beschränken." Er meinte damals, Personen hätten ausschliesslich ein Recht auf das Löschen falscher oder unvollständiger Angaben.

Unklare Folgen des Richterspruchs

Eine Frage, die das Urteil nicht klärt, ist, wann ein Suchergebnis sensibel genug ist um gelöscht zu werden. Der EuGH schreibt hierzu in seinem Urteil, dass dieser Zeitpunkt gegeben ist, wenn "die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen."

Mehrere Kommentatoren, wie zum Beispiel die deutsche Website Golem, kritisieren diesen Satz als "schwammig". Sie zitiert den deutschen Rechtsanwalt Christian Solmecke, der eine Flut von Prominenten-Klagen kommen sieht, die versuchen werden, ihnen unangenehme Links entfernen zu lassen. Die Arbeit von Journalisten könnte so drastisch eingeschränkt werden, da für diese das Internet heute zum wichtigsten Recherchetool geworden ist. Ein Problem entstehe vor allem dann, wenn Personen Suchmaschinenergebnisse nach eigenem Belieben manipulieren könnten. Noch sei es aber alles andere als klar, dass es soweit kommt.

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