Im Gespräch

"Sieben Monate Einführung lassen wenig Raum für Diskussionen"

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Das Industrieunternehmen Güdel Group hat binnen sieben Monaten auf die Enterprise Suite von SAP migriert. Wie die Migration ablief und was HANA bringt, erzählt Group CIO Martin Knuchel.

Martin Knuchel, Group CIO bei der Güdel Group. (Quelle: Güdel Group)
Martin Knuchel, Group CIO bei der Güdel Group. (Quelle: Güdel Group)
Herr Knuchel, die Güdel Group ist das erste ­Unternehmen in der Schweiz, das die Enterprise-Suite von SAP auf Hana einsetzt. Was bringt Ihnen die In-Memory-Technik?

In erster Linie war dies eine Investition in die Zukunft. Wir stellen aus heutiger Sicht jedoch auch fest, dass Reports, also BO based on ­HANA, massiv schneller erstellt werden können. Mit dem Fokus auf das internationale Ausrollen von SAP ERP war das die richtige Entscheidung.

Wo setzen Sie sie konkret ein?

Die gesamte Ausprägung des SAP ERP läuft unter der Business-Suite on HANA. Ausgenommen davon ist die HR-Abteilung.

Welche Vorteile im Vergleich zu vorher ­ergeben sich daraus?

Güdel setzte bis zum Go-Live eine ERP-Lösung von Microsoft ein. Daher haben wir keinen direkten Vergleich. Somit interessieren uns Vergleichswerte, die auch meist theoretisch sind, wenig.

Wie verlief die Migration? Wo gab es ­Probleme, was lief gut?

Wenn Sie die Datenmigration ansprechen, war dies in der Tat ein kritischer Pfad bei der Einführung von SAP. Eine umfassende Planung der Stammdatenmigration vom Material sowie von Debitoren, Kreditoren, Stücklisten und so weiter ist ausschlaggebend für das Gelingen eines solchen Projekts. Da wir vom Entscheid bis zum Go-Live gerade sieben Monate Zeit hatten, war auch die Übernahme der Bewegungsdaten zeitlich exakt zu planen. Das hat sämtliche Teams und Disziplinen extrem in Anspruch genommen.

Wie haben die Mitarbeiter darauf reagiert?

Veränderungen sind nicht des Menschen Liebstes. Schulung und Motivation sind auch hier zentrale Elemente für den Erfolg. Wir befassten uns schon früh im Projekt mit den Schulungsplänen und hatten mit dem Workforce Performance Builder, kurz WPB, von SAP ein exzellentes Tool zur Hand, um den Nutzern Schulungsunterlagen und Onlinehilfen zur Verfügung zu stellen.

Würden Sie sich heute wieder für diese Lösung entscheiden?

Wenn SAP in sieben Monaten eingeführt werden soll, gibt es nur den Weg, sich eines Branchen-Templates zu bedienen und die firmeneigenen Prozesse diesem anzupassen. Mit unserer Branchenlösung haben wir in der Tat das richtige Werkzeug zur Verfügung gehabt und auch bereits die Templates für die weiteren Roll­outs erarbeiten können.

Würden Sie anderen Unternehmen diesen Entscheid weiterempfehlen?

Wenn Branchenlösungen zur Verfügung stehen, ergibt es aus heutiger Sicht keinen Sinn, eine SAP-Einführung auf der grünen Wiese zu beginnen. Auch der Entscheid zur HANA Business Suite kann ich nur empfehlen.

Waren und sind Sie sich mit dem CFO ­eigentlich immer einig?

Nein, nicht immer (lacht). Aber muss das denn so sein? Eine intelligente Aufteilung der Aufgaben und Arbeiten erwies sich als sehr effizient. Eine siebenmonatige Einführungszeit lässt nicht viel Spielraum für Diskussionen zu. So teilten wir die Aufgaben klar zu. Die operative Leitung der SAP-Einführung übernahm der CIO, der CFO überwachte im Lenkungsausschuss mit dem CEO zusammen den Fortschritt und gab die Meilensteine frei.

Wer setzte sich bei Konflikten durch?

Wie gesagt, die Projektleitung hat in periodischen Sitzungen dem Lenkungsausschuss berichtet, hat Empfehlungen abgegeben, und dieser hat entschieden.

Welche Punkte führten zu Diskussionen?

Natürlich haben Prozessabweichungen zum Template zu Diskussionen geführt. Auch personelle Engpässe mussten gelöst werden, jedoch unbürokratisch und mit kurzen Entscheidungswegen, ansonsten ist ein solches Projekt in sieben Monaten nicht zu stemmen.

Wie sieht bei Ihnen grundsätzlich die Rollen­aufteilung in IT-Projekten aus?

Der CIO ist Mitglied im Group Management Board, nimmt die Belange aus den einzelnen IT-Bereichen auf und trägt die ICT-Projekt-Informationen in die Konzernleitung. Die ICT ist nach Regionen aufgeteilt. Europa, Amerika und Asien werden jeweils durch einen ICT-Leiter geführt, die wiederum kommunizieren mit den einzelnen Gesellschaften und berichten dem CIO.

Haben Sie andere, aktuelle IT-Projekte, die Sie derzeit beschäftigen?

Ja natürlich. Das Projektportfolio ist lang und intensiv. Eine grössere Sache ist im Moment ein Enterprise-Content-Management-Projekt für die Güdel AG. In einer Erhebung stellten wir fest, dass mehr als 80 Prozent der Dokumente ungemanagt auf Fileserver liegen. Dies ist wenig produktiv und teilweise sogar mit grossen Risiken verbunden. Ausgenommen sind die in SAP verwalteten Daten. Bei diesem Projekt sind wir gerade mit dem Grobkonzept fertig geworden. In einem nächsten Schritt wollen wir uns für einen Anbieter eines Dokumentenmanagementsystems entscheiden und hoffen, das Projekt bis Ende des Jahres abgeschlossen zu haben.

Bitte beschreiben Sie zum Schluss kurz, was die Güdel Group macht, und wie Ihnen die IT bei Ihrer täglichen Arbeit hilft.

Güdel ist insgesamt recht komplex aufgestellt. Mit 21 Ländergesellschaften und einem breit gestreuten Betätigungsfeld, das von mechanischen Komponenten bis zu komplexen Fertigungsstrassen in der Automobil- und Reifenindustrie reicht. Da immer mehr Kundenprojekte über die Ländergesellschaften hinaus konstruiert und entwickelt werden, ist eine konsolidierte ERP-Lösung und eine vernetzte ICT-Landschaft unentbehrlich.

Was zeichnet die Güdel Group als Unternehmen aus?

Swiss made, grosse Fertigungstiefe und schnelle Projektreaktionszeiten sind sicher hervorzuheben. In einigen Produktbereichen dürfen wir behaupten, auch Marktführer zu sein. So sind wir beispielsweise der grösste unabhängige Anbieter von Grosspressenautomation, also eine Reihe von Pressen, auf denen Autokarosserieteile gepresst werden.

Wie lautet Ihre Firmen­philosophie?

Trotz der erreichten Grösse versuchen wir dynamisch und schnell zu handeln. Da kommt uns sicher auch das eingeführte SAP entgegen, mit dem wir Intercompany-Streckengeschäfte schlank und einfach ausführen können.

Zur Person Martin Knuchel, Jahrgang 1958, arbeitete ab 1978 in der Elektrokonstruktion in der Industrieautomation. 1985 schloss er sein Elektrotechnikstudium an der Fachhochschule in Bern ab und besuchte anschliessend die Softwareschule Schweiz. Ab 1998 baute Knuchel eine Elektroabteilung (Elektroplanung und Softwareengineering) bei Güdel auf und übernahm 2005 die Leitung des Anlagebaus bei Güdel. Ab 2013 leitete er dort das Projekt zur Einführung von SAP, und seit 1. Januar 2014 amtet er als CIO der Güdel-­Gruppe.

Zum Unternehmen
Die Güdel Group ist ein Anbieter im Maschinen- und Anlagenbau. Güdel-Systeme finden in zahlreichen Branchen Anwendung, insbesondere in der Automobilindustrie, Intra­logistik, Medizinaltechnik, Luft- und Raumfahrttechnik sowie im Transportwesen ­(Eisenbahnen). Mit der Kernkompetenz für Antriebs-Lineartechnik entwickeln Güdel-­Ingenieure Produkte und Gesamtlösungen, die optimal auf den Einzelfall und das Arbeitsumfeld der Kunden zugeschnitten sind. Güdel analysiert industrielle Abläufe und ­Prozesse, um diese entsprechend zu auto­matisieren. Das Güdel-Team besteht aus ­aktuell 1050 Mitarbeitern und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 350 Millionen Franken.