Rechenzentren

Mieten oder selbst bauen?

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Die Digitalisierung stellt auch die IT-Abteilung der Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die Anforderungen an Rechenzentren steigen, und damit stellt sich auch die Frage: Selbst bauen oder mieten?

(Quelle: Netzmedien)
(Quelle: Netzmedien)

Er weist aber auch darauf hin, dass jeder Technologiezyklus die Grenzen zwischen Make-or-Buy-Entscheiden neu definiert. Für Moebius lässt sich der Selbstbau im Vergleich zu Colocation kaum mehr finanziell rechtfertigen. "Wir dürfen deshalb mit Zuversicht von einem nachhaltigen Bedarf nach externen Top-Class-Datacentern ausgehen", sagt Moebius.

Die Geschäftsleitung steht in der Verantwortung

Gemäss einer Schätzung des Branchenverbands Asut beträgt die Gesamtfläche der Schweizer RZs derzeit rund 235 000 Quadratmeter. Tendenz steigend. Die Schweizer RZ-Fläche soll jährlich um 15 bis 20 Prozent wachsen, wie der Verband unter Berufung auf Daten von MSM Research schreibt. Nach Einschätzung von Moebius werden  aber noch immer zu viele Rechenzentren selbst gebaut und alte Datacenter erneuert. Unnötigerweise: "Es gibt eine genügende Anzahl hochqualitativer RZ-Drittanbieter in der Schweiz, und ein RZ-Selbstbau dürfte sich nur noch selten rechtfertigen lassen." Besser wäre es, an dieser Stelle die Make-or-Buy-Frage grundsätzlich zu analysieren, rät Moe­bius. Dem stimmt auch Professor Hannes Lubich von der Fachhochschule Nordwestschweiz bei. Lubich ist Dozent für ICT-System-Management und Co-Autor des Leitfadens "Effizientes ICT-Management für KMU". Für ihn sind selbstgebaute RZs dann sinnvoll, wenn etwa firmenspezifische Vorgaben und Wünsche im Vordergrund stehen.

Bei der Make-or-Buy-Frage rät er zu einer gründlichen Evaluation im Vorfeld. Denn es passiere immer wieder, dass Unternehmen sich erst entscheiden, wenn das Geld knapp werde und Restrukturierungen anstünden. Die Verantwortung für ein Datacenter-Projekt sollte ausserdem nicht beim CIO liegen, sondern bei der Geschäftsleitung. "Der CIO muss dann Dinge abklären, die nach dem Obligationenrecht im Verantwortungsbereich der Geschäftsleitung liegen", sagt Lubich. Die IT-Abteilung sollte aus organisatorischer Sicht nicht der Besitzer des Prozesses sein. Hier brauche es vorherige Business-Entscheide des Topmanagements. Lubich empfiehlt Unternehmen, nach zirka zwei Jahren anhand eines Kriterienkatalogs zu prüfen und nachzurechnen, ob sich das Auslagern auch wirklich gelohnt hat. Und vielleicht noch wichtiger: Ob durch das Projekt auch Geld für Innovationen frei wurde.

Aus der Server-WG wird ein Ökosystem

Beim Outsourcing des Rechenzentrums kann man schlecht einfach "ja" oder "nein" sagen. Es sei gewissermassen eine Grauzone und eine Entwicklung, die Zeit erfordere, wie Branchenexperte Frits van der Graaff erklärt. Oft beginne das Auslagern des Rechenzentrums mit Teilprojekten, etwa dem Auslagern des Back-ups. Für van der Graaff ist aber klar: Der externe RZ-Betrieb ergibt Sinn. "IT-Verantwortliche sollen sich auf IT konzentrieren. Es gibt genug gute Serviceanbieter auf dem Markt." Auch die Grösse der Unternehmens-IT spiele eine Rolle. So könne es für kleine Firmen interessant sein, direkt zu einem Colocation-Anbieter zu gehen. Für grosse Organisationen könne es sich hingegen lohnen, die IT in Eigenregie, quasi zuhause zu verwalten. Dagegen spricht laut van der Graaff, dass der Unterhalt kostenintensiv ist und auch personell sehr aufwändig sein kann. Colocation-­Angebote sind heute zudem Marktplatz für interessante Services. Je mehr Fläche gebucht wird, desto stärker sinken die Preise. "Aus unternehmerischer Sicht ist es interessanter, auszulagern", sagt van der Graaff.

Was gilt es zu beachten, wenn man den Schritt wagt und sein Datacenter in ein Colocation-Angebot auslagert? Das Uptime Institute etablierte sich in den letzten Jahren als internationaler Ansprechpartner in der Branche für die Entwicklung von Standards im Rechenzentrengeschäft. Van der Graaff rät, sich an den Standards und Zertifizierungen des Uptime Institute zu orientieren. Rechenzentren- und Colo­cation-Anbieter sollten mindestens das Tier-Level III vorweisen können. "Dann ist man ziemlich gut abgesichert", sagt van der Graaff. Gemäss der Tier-Level-­III-Definition soll ein Rechenzentrum mit vollständiger redundanten Stromversorgung und Kühlung mit genügend Überkapazität ausgestattet sein. Somit ist während Wartungsarbeiten oder im Ereignisfall ein unterbrechungsfreier Betrieb gewährleistet. Nachfragen beim Anbieter scheint aber angebracht. Neben Tier-Levels gibt es noch andere Industrienormen, und mancher Anbieter bestimmt selbst sein Ausbau-Level. Mancher grosse Anbieter arbeitet nach eigenen Standards. Die Kriterien des Instituts erlauben aber eine gute Orientierung.

Ein anderer wichtiger Faktor ist die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Carriern auswählen zu können. Das gibt Raum für Preisverhandlungen mit den Carriern vor Ort, wie van der Graaff sagt, da die Preise bei einem grossen Angebot im Rechenzentrum abhängig sind von der Nachfrage. Die grosse Auswahl bringt auch noch weitere Vorteile, weiss Marco ­Do­ttarelli, Vorstand der IG Colocation und Geschäftsführer von Equinix Schweiz (siehe Interview Seite 18). Der Betrieb des Rechenzentrums in einem Colocation-Zentrum hilft, Latenzzeiten und somit Transportkosten zu reduzieren.

Rechenzentren für die Zukunft rüsten

Colocation-Angebote sind heute auch mehr als nur Wohlfühloasen für Server und Storage-Schränke. In den letzten Jahren lockten die Liegenschaftsverwalter der IT immer mehr Anbieter von Cloud-Diensten an. Dadurch entwickeln sich Colocation-Gebäude zu Cloud-Marktplätzen oder Öko­systemen, wie Moebius diese nennt. Das kann bei hybriden Cloud-Projekten interessant werden. Ein Trend, der sich in der Schweiz derzeit besonders stark entwickelt, wie eine ­Studie zeigt, die Interxion Schweiz an einem Event Ende April präsentierte. Mit einem Anteil von 48 Prozent wurden im vergangenen Jahr hybride Cloud-Architekturen in der Schweiz öfter genutzt als im übrigen Europa (45 Prozent). Nächstes Jahr soll der Anteil hybrider Cloud-Modelle in der Schweiz bei 77 Prozent liegen. Die Adaption hybrider Cloud-­Modelle kann verschiedene Gründe haben. 43 Prozent nannten in der Studie strategische Entscheide des Business. 27 Prozent verfügten nicht über die ausreichenden Mittel, um ihr Datacenter zu renovieren oder gar auszubauen. Interessant ist auch die Tatsache, dass gut ein Drittel der Unternehmen mit ihren Rechenzentren an architektonische Grenzen stossen. Die Infrastruktur sei schlicht nicht auf High-­Density-Server mit hohem Stromverbrauch und Hitzeentwicklung ausgelegt.

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