Wild Card von Urs Bucher

Wer hat’s erfunden?

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Wir Schweizer, wer denn sonst? Also, irgendwie. Nicht Ricola, sondern dieses Internetz. In Meyrin, beim Cern. Irgendwie; weil’s ja ein Engländer war, dieser (mittlerweile Sir) Tim Berners-Lee. Aber in die Ecke, wer das Internet zum Leben erweckt hat, will ich heute gar nicht.

Urs Bucher ist CMO bei Cognizant Netcentric, Mitgründer von TEDxZurich, Dozent und Zünfter.
Urs Bucher ist CMO bei Cognizant Netcentric, Mitgründer von TEDxZurich, Dozent und Zünfter.

Wir reisen ein paar Jahre weiter in der Zeit zurück und schauen uns an, woher denn die Konzepte für die Kommunikationsprotokolle und vieles mehr fürs Internet kamen. Da steckte (einmal mehr) die amerikanische Armee dahinter, in Form der DARPA (Defense Advanced Research Project Agency). Zum Glück weniger zerstörerisch als das Manhattan-Projekt, aber durchaus auch die Zukunft verändernd.

Jetzt werfen wir mal die Zeitreisemaschine wieder an und reisen ins Jetzt: Neben der semi-öffentlichen DARPA gibt’s die geheime IARPA (Intelligence Advanced Research Projects Activity). Dort betreibt man «high risk, high payoff research». Vor unserem geistigen Auge taucht jetzt «Q» auf, der bei James Bond allerlei lustige, meist hochexplosive Dinge erfand. Anscheinend macht’s die IARPA durchaus gut; eines der von ihr finanzierten Projekte bescherte dem Physiker David Wineland 2012 einen Nobelpreis für seine Forschung im Bereich des Quantencomputings.

Letzthin tauchte in meinem Newsfeed eine Meldung auf, die mein Interesse weckte und mich dazu brachte, diese Kolumne zu schreiben. Da hiess es, die IARPA gebe 22 Millionen US-Dollar für ein «Smart Electrically Powered and Networked Textile Systems Program», kurz «SMART ePANTS» aus. Ziel des Programms: Kleidungsstücke zu entwickeln, die Audio-, Video- und Geolocationsdaten aufnehmen und übermitteln können. Selbstverständlich nur für hehre Zwecke; um Ersthelfer aller Art in gefährlichen Stresssituationen zu unterstützen. Das Programm soll 42 Monate dauern. Was dabei rauskommt – on verra; «high risk, high payout research» halt. So weit die IARPA-Pressemitteilung.

In bewährter Manier lässt man forschen, die Verträge für das «SMART ePANTS»-Programm gingen an private Firmen; man lässt die jetzt mal 42 Monate forschen.

Und jetzt denken sich alle, die das lesen: «Scho guet, Bucher, das ist noch weit, weit weg, daraus wird doch eh nichts.» Aber dann? Bäääm! Was entdeckt der aufmerksame Netzticker-Leser am 9. September 2023? «Microsoft will intelligente Rucksäcke für Ski-Fans lancieren.» So dermassen Science-Fiction scheinen diese smarten Hosen der IARPA dann doch nicht zu sein. Der Rucksack, natürlich auch mit künstlicher Intelligenz ausgestattet (ohne geht heute nix mehr), soll mit Sensoren bestückt werden und über Kamera, Mikrofon, Netzwerkschnittstelle, Prozessor und Speicherkapazität verfügen. Auch soll er Fragen des Trägers beantworten und Empfehlungen geben können. Ich hätte eine leicht ketzerische Frage: Hat der Träger auch eine Netzwerkschnittstelle im Nacken, vielleicht was mit RS-232?

In 42 Monaten, also im Mai 2027, wird das «SMART ePANTS»-Programm vielleicht beendet sein. Wir werden sehen oder auch nicht, weil es ja geheim ist.

One more thing: 42 Monate ... da war doch was: Douglas Adams behauptete doch, das sei die Antwort auf alle Fragen. Lesen Sie mal wieder den «Hitchhiker’s Guide to the Galaxy», und bitte bringen Sie ein Badetuch mit!


Disclaimer
Ich stiess im (ausserordentlich lesenswerten) Newsletter «The Download» der «MIT Technology Review» auf den Artikel «The Intercept», der von den «SMART ePANTS» handelte. Das und die Netz­ticker-Meldung inspirierten mich, etwas zum Thema zu mäandern.

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