Hightech im Bunker K7 Attinghausen

Wie die Flüssigkeit Novec die IT-Kühlung umkrempeln könnte

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In einer ehemaligen Festung des Schweizer Militärs testen Deltalis, 3M und Datacenter-Spezialist Tobias Dehmel eine neue IT-Kühlung. Die Server der Zukunft sollen in der Hightech-Flüssigkeit Novec baden. Die Redaktion fühlte der Chemikalie auf den Zahn – und machte sich die Finger nass.

Ein Board von Dell badet in Novec. (Source: Netzmedien)
Ein Board von Dell badet in Novec. (Source: Netzmedien)

Am Eingang müssen die Besucher ihre ID abgeben. Der Mann am Schalter macht eine Fotografie von jedem einzelnen Besucher. Dann erst erhalten sie eine Karte, mit der die Sicherheitsschleuse passiert werden kann. "Keine Fotos von den technischen Einrichtungen", ermahnt ein Mitarbeiter.

Das also ist der Bunker K7. Im Jahre 2007 kaufte Deltalis die ehemalige Fliegerfestung in der Urner Gemeinde Attinghausen. Das IT-Unternehmen machte aus der Festung ein Rechenzentrum. Nun, am 14. November, lädt Deltalis die Medien zur Eröffnung des so genannten Innovation Labs.

Durchsichtig und harmlos

Das Lab befindet sich am Eingang des Rechenzentrums. Hier blubbert friedlich eine Flüssigkeit vor sich hin. „Sie heisst Novec, ist durchsichtig und völlig harmlos“, versichert Manuel Senn vom Technologiekonzern 3M. Sie sei weder giftig, noch entflammbar. Ausserdem sei sie umweltfreundlich.

Frank Harzheim (CEO Deltalis), Tobias Dehmel (CEO Dehmel Systemplanung) und Manuel Senn (Business Development Manager 3M), vor den Innovation Labs. (Source: Netzmedien)

Alle tauchen ihren Finger in ein Glas Novec. Die Flüssigkeit verdunstet sofort spurlos. Deltalis nutzt die Chemikalie hier, um Rechner zu kühlen. Ausgearbeitet hat das Kühlsystem der Datacenter-Spezialist Tobias Dehmel.

Ein geschlossenes System

Und wie funktioniert das Ganze? "Wir hängen die Server-Module in das flüssige Novec", erklärt Dehmel. "Die Flüssigkeit verdampft, steigt auf und kondensiert am Wärmetauscher über dem Becken. Dann fliesst das technische Fluid in den Tank zurück." So bilde sich ein geschlossener Kreislauf. Die Abwärme könne man dann etwa zum Heizen verwenden. Der Zungenbrechername dieses Systems lautet "Zwei-Phasen-Tauch-Siedekühlungssystem".

Verglichen mit herkömmlichen Raumkühlungs-Systemen habe das neue Konzept erhebliche Vorteile. Dehmel rechnet vor: "Der Energieverbrauch lässt sich dadurch bis um 30 Prozent verringern." Denn die kostspielige Luftkühlung falle komplett weg. Und das Novec-System sei völlig geräuschlos.

"Dieser Bunker ist einzigartig", sagt Frank Harzheim, CEO von Deltalis. "Wir können keine weiteren Gebäude in den Berg bauen. Deshalb müssen wir den Platz optimal nutzen." Auch dabei soll Novec helfen. In der Flüssigkeit könne man die Hardware viel dichter zusammenpacken als sonst.

Die Zeit scheint reif für Novec

"Bis jetzt schwimmt leider noch nicht alles in Novec", räumt Manuel Senn von 3M ein. "Aber das wäre natürlich unser Traum." Das Novec-System habe eine nahezu identische Leistung wie etwa die Wasserkühlung von IBM. Der Unterschied: Novec brauche keine Pumpe. Zudem funktioniere die Flüssigkeit auch mit herkömmlichen Servermodulen.

Ein Beispiel für das Novec-Bad. (Source: Netzmedien)

Als Beispiel zeigt Dehmel ein Board von Dell, das in der Chemikalie badet. Stolperstein für die Technologie sei trotzdem die Hardware. "Hersteller bewegen sich noch zu zögerlich in Richtung Novec", sagt Dehmel.

Das könnte sich nun aber ändern. Ein grosser Hardware-Hersteller bekundete vor einigen Wochen Interesse am Novec-System, berichtet Dehmel. Er befände sich zurzeit in Verhandlungen. Erst wenn diese abgeschlossen seien, will Dehmel den Namen des Unternehmens verraten.

Für E-Sports und Industrie

3M entwickelte die Chemikalie um die Jahrtausendwende, unter anderem als Präzisionsreiniger und Feuerlöschmittel. Um 2010 nutzte das Unternehmen Allied Control die Flüssigkeit erstmals als Kühlmittel in einer grösseren Server-Umgebung. Die Anwendung dort: Crypto-Mining.

Das Kühlsystem sei vor allem für Leistungen im High-Density-Bereich gedacht. Dehmel nennt hier zwei Segmente, die zurzeit im Kommen sind. Das sei einerseits der Industriesektor. "Aber auch E-Sports wird in Zukunft ein wichtiger Markt sein", betont Dehmel. "Denn das grösste Problem dort ist die Perfomance."

Die Datenfestung von Deltalis

Interessierte können das neue Kühlungssytem in den Innovation Labs testen – für 75 Franken pro Tag. Im regulären Gebrauch ist Novec indes noch nicht. "In welcher Grössenordnung wir das System einsetzen werden, ist noch unklar", sagt Frank Harzheim. Man verfolge einen hybriden Ansatz. Die klassische Luftkühlung verschwinde demnach nicht so schnell.

Im "unzerstörbaren" Bunker K7. (Source: Netzmedien)

Neben all dem Hightech geht beinahe vergessen, dass das Innovation Lab in einer altgedienten Militärfestung steht. Das ist keinesfalls nebensächlich, denn Deltalis betont diesen Umstand. "Wer von Sicherheit spricht, denkt meistens sofort an Cybersecurity", sagt Harzheim. "Aber Security beginnt beim Physischen. Wo ein Datenzentrum steht, ist zentral."

Der Bunker K7 sei "unzerstörbar", verspricht Harzheim. Ausserdem befinde er sich in Uri, Teil der so genannten "Greater Zürich Area" – das sei für internationale Kunden ein gewichtiges Argument. 80 Prozent der Deltalis-Kunden sind zurzeit in der Schweiz ansässig. In Zukunft wolle das Unternehmen verstärkt im Weltmarkt Fuss fassen. Vor Kurzem habe man etwa einen russischen Kunden gewonnen.

Dass Deltalis die traditionelle Idee der Alpenfestung Schweiz beschwört, ist nur folgerichtig. Und vielleicht entsteht in der Festung von gestern ja tatsächlich die IT-Kühlung von morgen.

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