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Was den Tech-Markt von morgen prägen könnte

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von Maximilian Schenner und ml

Technologien entwickeln sich sehr schnell weiter. Daher ist es äusserst schwierig, Vorhersagen für die Zukunft zu treffen. Einzelne ­Technologien könnten die nächsten Jahre prägen, während andere vom Tech-Horizont verschwinden.

(Source: vectorfusionart - stock.adobe.com)
(Source: vectorfusionart - stock.adobe.com)

Hier ein Durchbruch, dort ein Rohrkrepierer – der globale Technologie-Markt ist schwer abzuschätzen. Was vor Kurzem noch die Technologie der Zukunft war, kann inzwischen schon gänzlich von der Bildfläche verschwunden sein. Marktforschungsunternehmen wagen trotzdem regelmässig den Blick in die Kristallkugel. Gartner tut dies etwa im Rahmen seines jährlichen Hype Cycles, seiner Interpretation dessen, welche Technologien auf dem Weg nach oben oder nach unten sind.

ChatGPT befeuert Entwicklung von Sprachmodellen

Die letzte Ausgabe des Hype Cycle stammt vom August 2022. Eine Technologie hat seitdem einen besonders grossen Satz vorwärtsgemacht: Large Language Models (LLM), bekannt durch zahlreiche Chatbot-Lösungen, allen voran natürlich ChatGPT. Im Hype Cycle 2022 verortete Gartner solche Foundation Models noch kurz vor dem Höhepunkt der übersteigerten Erwartungen und sagten ihnen eine Marktreife in fünf bis zehn Jahren voraus. Der Durchbruch stand tatsächlich kurz bevor, die Schätzung der Markttauglichkeit lag jedoch etwas daneben. Schon jetzt finden viele Sprachmodelle Anwendung in zahlreichen Bereichen des Geschäftsalltags. So kann ChatGPT unter anderem beim Programmieren behilflich sein. Auch für den Kundenkontakt kommt der Chatbot  zum Einsatz. Und grosse Konzerne wie Micro­soft, Salesforce oder Tiktok nutzen ChatGPT, um automatisch E-Mails zu verfassen. Die Technologie scheint jedenfalls das "Tal der Enttäuschung" im Hype Cycle übersprungen zu haben und direkt in der Marktreife gelandet zu sein – auch, wenn für den Einsatz von Sprachmodellen wohl noch viel Luft nach oben ist.

Der Gartner Hype Cycle aus dem Jahr 2022

Der Gartner Hype Cycle aus dem Jahr 2022 (Source: Screenshot / Gartner)

Digital Humans – Menschen aus dem Computer

Ein Beispiel dafür ist ein anderer Punkt auf dem Hype Cycle: sogenannte «Digital Humans», also virtuelle Simulationen realer Menschen. Dabei handelt es sich um die Weiterentwicklung eines Sprachmodells wie ChatGPT – also quasi um einen Chatbot mit Gesicht und Emotionen. Laut "XR Today" ist eine solche Simulation unter anderem auf folgendes angewiesen: Konversationelle KI, um Input zu verarbeiten und Feedback zu geben; Natural Language Processing, um Sprachbefehle zu verstehen; Natural Language Generation, um per Stimme Antworten zu geben und Fortschrittliches 3-D-Modelling, um menschliche Emotionen präzise darzustellen.

Ersteres erlebt spätestens seit ChatGPT eine rasante Entwicklung. Language Processing und Language Genera­tion sind per se bereits seit einigen Jahren marktfähig –man denke an Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Im Bereich der 3-D-Modellierung für Digital Humans forscht unter anderem das Computer Graphics Laboratory der ETH Zürich intensiv. Mithilfe von Kameras und Algorithmen erfassen Forschende die Gesichter von Menschen, um sie dann auf dem Computer zu rekreieren – und erzeugen dabei bereits erstaunlich realistische Abbilder. Verschiedene Grimassen scheinen für die Simulationen keine grosse Herausforderung zu sein. Haare, Augen und Kleidung seien hingegen schwieriger darzustellen. Die Modelle sollen vor allem im medizinischen Bereich Anwendung finden, etwa für die Behandlungen von Fehlstellungen im Gesicht eines Patienten.

Die Gesichtsmodelle der ETH-Forschenden

Die Gesichtsmodelle der ETH-Forschenden (Source: Screenshot / ETH)

NFTs: Ist der Hype vorbei?

Stichwort digitale Abbilder der Realität: Non-fungible Tokens (NFTs) befanden sich laut Gartner in der zweiten Jahreshälfte 2022 schon knapp über dem Hype-Höhepunkt und damit kurz vor dem Abstieg in das «Tal der Enttäuschung». Aus den Medien haben sich die kryptografischen Sammelkarten, oftmals Abbilder von Gemälden, Zeichnungen oder Grafiken, auch tatsächlich fast vollständig verabschiedet.

Finanziell scheint der Hype jedoch noch am Leben zu sein: Im ersten Quartal 2023 wurden laut "Cryptonomist" rund 11,5 Millionen NFTs verkauft, zu einem Gesamtwert von etwa 4,54 Milliarden US-Dollar. Im vierten Quartal 2022 seien es noch 9 Millionen NFTs respektive rund 2 Milliarden US-Dollar gewesen. Auch die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer habe zugenommen: von 11 auf 14 Millionen. "Statista" legt es konservativer aus und rechnet für 2023 mit einem Gesamtumsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar auf dem globalen NFT-Markt. Bis 2027 soll dieser Wert 3 Milliarden US-Dollar übersteigen, der Markt soll jährlich um rund 18 Prozent wachsen – auch ohne medialen Hype.

Cloud Data Ecosystems

Cloud-Datenökosysteme, die im Gartner-Zyklus ganz oben stehen, sind ein typisches Beispiel für die Hoffnungen von Unternehmen, die Leistungen von IT-Abteilungen zu optimieren, respektive ihren Output erhöhen zu können. Solche Ökosysteme sollen laut Gartner eine kohärente Datenverwaltungsumgebung ermöglichen, die das gesamte Spektrum an Daten-Workloads unterstützt, von explorativen datenwissenschaftlichen Aufgaben bis hin zu Data Warehousing für die Produktion. Das Schlagwort Cloud-Datenökosysteme hat den Marktforschern zufolge den Höhepunkt der übersteigerten Erwartungen knapp überschritten; die nächste Phase führt gemäss der Logik des Hype Cycles ins Tal der Enttäuschungen. Aber: In zwei bis fünf Jahren sollen sich solche Konzepte durchsetzen.

Dass Prognosen falsch sein und Technologien vom Horizont verschwinden können, zeigt ein Blick auf den Hype Cycle aus dem Jahr 2021: Damals sahen die Martkforscher noch souverände Cloud-Modelle sowie homomorphe Verschlüsselung im Kommen – ein Jahr später war beides nicht mehr in der Liste vertreten. Ein Gegenbeispiel: 5G, 2018 als aufsteigende Technologie eingestuft, ist fünf Jahre später fixer Bestandteil jedes neuen Smartphones.

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