Anti-Counterfeiting Trade Agreement

"Wir wissen nicht, welche Konsequenzen ACTA nach sich ziehen würde"

Uhr | Aktualisiert

Am Wochenende gingen Menschen in ganz Europa gegen das umstrittene Anti-Pirateriegesetz ACTA auf die Strasse. Die Netzwoche sprach mit der Piratenpartei Schweiz, die ebenfalls zu einer Kundgebung aufgerufen hatte.

Michael Gregr, Präsident der Kantonalen Sektion Piratenpartei Zürich. (Quelle: Copyright: Eda Gregr)
Michael Gregr, Präsident der Kantonalen Sektion Piratenpartei Zürich. (Quelle: Copyright: Eda Gregr)

Am Wochenende gab es in ganz Europa Kundgebungen gegen das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, das negative Auswirkungen auf die Informationsfreiheit des Internets haben könnte.

Bisher haben 22 EU-Regierungen sowie die EU-Kommission den Vertrag zu ACTA unterschrieben. Erforderlich ist noch eine Ratifikation durch die nationalen Parlamente und das EU-Parlament. Die Schweiz hat den Vertrag noch nicht unterzeichnet.

Auch die Piratenpartei Schweiz rief am vergangenen Samstag zu einer Kundgebung auf dem Zürcher Helvetiaplatz auf. Die Netzwoche sprach mit Michael Gregr, Präsident der Kantonalen Sektion Piratenpartei Zürich und Denis Simonet, Präsident der Piratenpartei Schweiz. Gregr war für die Kundgebung am vergangenen Samstag verantwortlich.

Herr Gregr, Herr Simonet, wie beurteilen Sie die Kundgebung am vergangenen Samstag?

Michael Gregr: Von uns aus gesehen war die Kundgebung ein grosser Erfolg. Trotz der grossen Kälte waren 350 Leute anwesend.

Denis Simonet: Angesichts der Tatsache, dass die Kundgebung sehr kurzfristig angesetzt war und wir nach Erhalt der Bewilligung nur eine Woche Zeit hatten, Leute mit Hilfe des Internets zu mobilisieren, können wir zufrieden sein.

350 Teilnehmer? Das sind recht viele…

Simonet: Als ACTA im Sommer 2010 publik wurde, haben wir in Luzern ebenfalls eine Kundgebung organisiert. Damals waren nur 40 Teilnehmer anwesend. Inzwischen wissen mehr Leute über ACTA Bescheid.

Konnten Sie auch Politiker mobilisieren, um an der Kundgebung mitzumachen?

Gregr: Balthasar Glättli (Nationalrat der Grünen Kanton Zürich) und Thomas Hartwig (Vorstandsmitglied der Digitalen Allmend) waren anwesend. Glättli wies in seiner Rede insbesondere darauf hin, wie wichtig eine transparente Information zu ACTA ist.

Wird denn nicht transparent informiert?

Gregr: Nein, ganz im Gegenteil. Als das Dokument über ACTA, das ja das Urheberrecht schützen soll, publik wurde, war darin unter anderem die Rede von möglichen Netzsperren und einer starken Überwachung des Datenverkehrs. Zudem sollten nur die Rechte der Rechteinhaber geschützt werden, nicht aber die der Nutzer.

Wie meinen Sie das genau?

Gregr: Vergleichen wir es mit einer Straftat: wenn ich ein Verbrechen begehe, habe ich dennoch gewisse Rechte, die mir nicht genommen werden dürfen. Zudem gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen ist. Bei ACTA hingegen würden die Rechte der Nutzer des Internets mit Füssen getreten. Wenn man es extrem ausdrücken möchte, müsste man sagen, dass die Urheberrechtsverletzung die Unschuldsvermutung aufheben würde.

Das klingt ziemlich abenteuerlich.

Gregr: Inzwischen wurden die offiziellen Formulierungen zu ACTA sehr stark abgeschwächt, sprich, das offizielle Dokument enthält viele "kann"-Formulierungen. Was wiederum bedeutet, dass wir nun nicht genau wissen, welche Konsequenzen ACTA wirklich haben würde, falls das Gesetz angenommen werden sollte.

Glauben Sie, dass die Schweiz ACTA unterzeichnen wird?

Leider denke ich, dass es letztlich zu einer Unterzeichnung kommen wird, weil die Schweiz sich internationalem Druck und besonders dem Druck aus den USA beugt, wie die Ereignisse der letzten Zeit zeigen. Aber nichts desto trotz wird es zu einer tiefgreifenden Reform des Urheberrechts kommen, die ACTA obsolet machen wird.

Hinweis der Redaktion: die beiden Interviewpartner wurden telefonisch kontaktiert und unabhängig voneinander befragt.

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