Neuer Hauptfokus Consumer

Avira gibt Schweizer Standort auf

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Avira kehrt der Schweiz den Rücken. Beinahe zumindest. Statt Büros vor Ort, wo Fachhändler mit Handschlag begrüsst werden, bietet Avira künftig telefonischen Support von Deutschland aus an. Hauptkritik ist dabei nicht der Strategiewechsel Aviras. Schlimmer wiegt die Verschwiegenheit des Herstellers.

Auf Schweizer Avira-Partner kommen einige Veränderungen zu. Der deutsche Security-Spezialist zieht sich physisch aus der Schweiz zurück. Der Softwarehersteller hat seine Büroräumlichkeiten in Watt/Regensdorf aufgekündigt. Das Verkaufsteam arbeitet bereits bei anderen Unternehmen in der Branche. Cornelia Lehle und Maik Thomann leiten beispielsweise den neuen G-Data-Distributor TCA Thomann.

Die Schweizer Avira-Fachhändler werden künftig von Deutschland aus betreut, via Telefon-Hotline. Darüber hinaus helfen die beiden Ansprechpartner Anja Zimmermann und Andy Felbinger, deren Büros sich am Avira-Stammsitz in Tettnang befinden. Diese strategische Entscheidung gehe einher mit Aviras gewachsenem Fokus auf den Verkauf an Endkunden, erklärte Thorsten Bruchhäuser, VP Sales and Business Development bei Avira, schriftlich auf Anfrage.

Veränderungen im Unternehmenskundengeschäft

Mit dem Aus der Schweizer Büros geht das Ende für das Geschäft mit Unternehmenskunden in seiner heutigen Form einher, da die Business-Produkte laut mehrerer Quellen nicht mehr weiterentwickelt werden sollen. So wird Avira Ende des nächsten Jahres seine Management-Konsole End-of-Life setzen, was Avira auch auf seiner Webseite offen zur Schau stellt. Die Stärke der Konsole liegt in der zentralen Verwaltung von Clients im Firmennetzwerk. Ein essentielles Werkzeug für Integratoren, für das kein Ersatz vorgesehen ist. Damit steht und fällt letztlich das Partnergeschäft, sind sich Fachleute einig. Hinzu kommen die Folgen für grössere Unternehmen. Diese müssen sich gegebenenfalls über alternative Produkte Gedanken machen, sollten sich Aviras Lösungen nicht mehr ohne grösseren administrativen Aufwand verwalten lassen.

Bruchhäuser widerspricht der Behauptung, Avira würde seine Business-Produkte nicht mehr weiterentwickeln. Stattdessen werde der Fokus enger. "Neben dem Consumer-Markt konzentriert sich Avira im B2B-Umfeld künftig auf kleine Unternehmen, beziehungsweise auf Mikro- und Kleinstunternehmen", schreibt Bruchhäuser. Avira stelle bei dieser Zielgruppe einen Bedarf für die zentrale Verwaltung und den Schutz verschiedener Geräte fest. Bruchhäuser betont in diesem Zusammenhang: "Diesen Anforderungen tragen wir schon heute mit unserem Portfolio Rechnung und planen auch in Zukunft für Consumer- wie Business-Kunden eine Lösung zum zentralen Geräte-Management anzubieten." Konkret geht es dabei um Multi-Device-Management für Endanwender, die neben ihrem PC auch ihr Tablet und Smartphone absichern wollen.

Channel-Unterstützung ja, aber neue Schwerpunkte

Da stellt sich die Frage, welche Bedeutung Avira dem Channel noch beimisst. Insbesondere, da die Antiviren-Produkte für Endkunden und Kleinstunternehmer direkt auf Aviras Webseite bezogen werden können. So direkt wollte Bruchhäuser die Frage nicht beantworten. Stattdessen hob er die Vorteile für Fachhändler im Umfeld von B2C und für Microreseller hervor, mit denen Avira sein Business in der Schweiz künftig ausbauen möchte.

Hierzu zählt die Option, Bestellungen per Kreditkarte begleichen zu können, was den Bestellablauf vereinfachen und automatisieren könne. Zudem bietet Avira seinen Fachhändlern seit Mai eine Umsatzbeteiligung bei Lizenzverlängerungen an. Alle Avira-Partner, die eine Consumer-Lizenz verkaufen, werden bei einer Verlängerung im Onlineshop vom Hersteller mit einer prozentualen Vergütung entlohnt. "Das ist für uns ein starkes Signal an den Fachhandel, Avira-Consumer-Partner zu werden", betonte Bruchhäuser.

Fachhändler wurden nicht informiert

Avira wirbt in seiner aktuellen Broschüre für das Partnerprogramm mit Vertrauen und Kontinuität. Es heisst darin: "Glauben Sie uns: Es gibt keinen Hebel, den wir nicht in Bewegung setzen, um Ihnen – egal in welcher Situation – mit Rat und Tat beizustehen." Doch warum klärte der Hersteller seine Partner dann nicht über die Veränderungen auf? Aviras Mitarbeiter wurden dazu angehalten, das End-of-Life der Business-Konsole und den damit einhergehenden Rückzug aus dem Unternehmenskundengeschäft gegenüber den Partnern nicht aktiv zu kommunizieren. Nur auf explizite Nachfrage der Fachhändler durften etwa die Partner-Betreuer Auskunft geben, wie mehrere mit der Lage vertraute Personen unabhängig voneinander bestätigten.

Von rund 750 registrierten Partnern soll bisher rund ein halbes Dutzend von den Plänen Aviras Kenntnis erhalten haben. Die anderen, wie etwa Platinum-Partner Comsoft Direct, wurden im Dunkeln belassen. Aufgrund der Redaktionsanfrage im Rahmen der Recherche erkundigte sich der Avira-Partner bei Avira selbst. Dort erteilte man ihm die Auskunft, dass es sich bei den Meldungen um eine Kampagne des Mitbewerbs handeln würde, sagte Comsofts Managing Director Rolf Stadler.

Präsenz vor Ort wichtig

Transparente Kommunikation unter Partnern sieht anders aus. Die Verschleierungstaktik schafft zudem nur wenig Vertrauen. Hinzu kommt, ohne einen eigenen Standort in der Schweiz könnte es eng werden für Avira. Der Channel lebt von der Nähe der Hersteller und deren Fachhändler. Nicht umsonst bemühen sich Technikanbieter um die physische Präsenz vor Ort, auch in kleinen Märkten wie jenem der Schweiz.

Alleine schon, weil sich das IT-Geschäft vom Wiederverkauf hin zum Projektgeschäft wandelt, werden Besprechungen immer wichtiger. Die physische Präsenz aller Beteiligten wird also wichtiger. Für Kunden zählt es zum guten Ton, wenn im Vorfeld eines Projekts der Hersteller gemeinsam mit dem Partner auftritt. Eine Stimme aus dem Telefonhörer kann diese Leistung kaum ersetzen.

Fachhändler, die Unternehmenskunden betreuen, dürften sich deshalb wohl anderen Herstellern zuwenden, wie G Data, Norman, oder Eset, das derzeit sein Schweiz-Geschäft aufbaut und Avira-Partner mit offenen Armen begrüssen dürfte. In die gleiche Richtung denkt auch Comsofts Stadler: Es sei wichtig für einen Hersteller an dem Markt, an dem man agiert, durch eine Mannschaft vor Ort präsent zu sein. "Ansonsten dürfte dessen Geschäft rasch kleiner werden. Der Markt vergisst schnell."