Netzneutralität

Gibt es bald ein Zweiklasseninternet?

Uhr | Aktualisiert

Ein EU-Vorschlag lässt die Abschaffung der Netzneutralität erahnen. Darin wird eine bevorzugte Übermittlung von Daten im Internet erlaubt. Experten befürchten das Ende des freien Internets.

Die Europäische Kommission strebt eine Strategie für offene Daten an. (Quelle: Europa.eu)
Die Europäische Kommission strebt eine Strategie für offene Daten an. (Quelle: Europa.eu)

Die EU will die Gleichbehandlung von Daten im Internet aufgeben. Daten unterschiedlicher Qualitätsklassen sollen zulässig sein. Laut EU-Kommissarin Neelie Kroes soll für die Datenübertragung mehr Spielräume geschaffen werden. Wer mehr bezahlt, bekommt mehr? 

Laut einem Entwurf zur Regulierung des europäischen Telekommunikationsmarktes will die EU bevorzugte Übermittlungen bestimmter Inhalte durch die Internetprovider ausdrücklich erlauben. Obwohl es vor Kurzem noch so aussah, als würde die Netzneutralität in der EU gesetzlich verankert werden. Dies ist beispielsweise seit 2011 in den Niederlanden der Fall. Die Netzneutralität sieht vor, dass im Internet keine Daten bevorzugt oder aus kommerziellem Interesse schneller als andere übertragen werden dürfen. Was natürlich umgekehrt bedeuten würde, dass keine Inhalte benachteiligt übermittelt werden dürfen.

EU-Entscheid zum Zweiklasseninternet?

Im EU-Entwurf zeichnet sich nun allerdings das Gegenteil ab. So sollen unter anderem Internetanbieter das Recht haben, "untereinander Vereinbarungen zu treffen was die Übertragung von Daten unterschiedlicher Qualitätsklassen anbelangt". 

Wie das Handelsblatt berichtet, sehen Beobachter mit diesen Plänen bereits das Ende der Netzneutralität. Die Vereinbarung würde zulassen, verstärkt verschiedene Transportklassen zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. EU-Parlamentarier, Jan-Philip Albrecht bemängelt diese Entscheidung. "Kommissarin Kroes komme den Telekomunternehmen auf Kosten der Netzneutralität sehr weit entgegen" wird er vom Handelsblatt zitiert. In einem Tweet betont die Abgeordnete jedoch, dass sie die Netzneutralität nicht gefährden möchte und dass sie missverstanden worden sei.

Netzneutralität in der Schweiz

In der Schweiz fordern unter anderem die Piratenpartei oder die Digitale Gesellschaft, dass die Netzneutralität gesetzlich verankert werden soll. Auch Grüne-Nationalrat Balthasar Glättli hat Ende letzten Jahres eine entsprechende Motion eingereicht. Denis Simonet, Mediensprecher der Piratenpartei, sieht die Netzneutralität durch die EU-Regelung verletzt. "Es wäre das Ende des freien Internets" schreibt er auf Anfrage der Redaktion. Ausserdem sei er sich nach diesem Vorschlag aus der EU nicht mehr so sicher, ob sich das Parlament für "ein freies Internet" oder für "das grosse Geschäft für die Telekom-Unternehmen" entscheiden wird.

Letztlich entscheidet darüber der Bund. Bei der kommenden Revision des Fernmeldegesetzes wird der Bundesrat geeignete Massnahmen prüfen. Wie die Netzneutralität in der Schweiz konkret umgesetzt werde, konnte das Bakom auf Anfrage der Redaktion noch nicht mitteilen. Es gäbe zu viele Varianten, wie sich der Markt entwickeln könne. Das Bakom plane jedoch eine Arbeitsgruppe zum Thema Netzneutralität. Diese wird bis zum Herbst ins Leben gerufen. Telekomfirmen und Internetnutzer - grosse und kleine Inhaltsanbieter, Anwendungsanbieter sowie Konsumenten - seien eingeladen teilzunehmen. "Aus der Analyse der Situation in Europa und in der Schweiz soll diese Arbeitsgruppe Handlungsansätze erarbeiten", heisst es in der Stellungnahme weiter.