Aus den Labors - IBM Research

Das menschliche Gehirn dank Supercomputern besser verstehen

Uhr | Aktualisiert

IBM hat gestern Mittwoch Journalisten in die eigenen Labors in Rüschlikon geladen. Unter anderem sprach Henry Markram, Hirnforscher und Leiter des EU-Flaggschiffprojekts "Human Brain Project".

"Wir befinden uns in einer neuen Ära des Cognitive Computing", sagte Matthias Kaiserswerth, Direktor von IBM Research, gestern Mittwoch anlässlich eines Medienanlasses im IBM-Lab in Rüschlikon. Computer sollen demnach in Zukunft "intelligenter" und energieffizienter werden.

Ein beliebtes Beispiel, um "Cognitive Computing" zu erklären, ist im Fall von IBM die "intelligente" Watson-Software, die einst in der Quizsendung Jeopardy gegen zwei menschliche Konkurrenten angetreten war und gewonnen hatte. Dies war deswegen möglich, weil die Forscher die Software darauf trainiert hatten, die nötigen Informationen, also die Lösungen zu den Fragen, aus dem Internet abzurufen. Die Watson-Software der Zukunft wird künftig, etwas salopp ausgedrückt, beispielsweise als Finanzberater oder als wandelndes Lexikon für Ärzte fungieren können.

Effizientere Hardware

Das vielleicht einzige Problem dabei: Watson ist nicht sonderlich energieeffizient. Zumindest nicht im Vergleich zu einem menschlichen Gehirn. Denn unser Gehirn, so Kaiserswerth, arbeitet mit einer Leistung von 20 Watt. Watson hingegen benötigt 850 Watt, um zu funktionieren.

Und genau dort wollen die Forscher ansetzen. Das Gehirn soll quasi als Vorzeigebeispiel für effizientes Computing fungieren. Um dies zu erreichen, wollen die Forscher Erkenntnisse aus dem Human Brain Project (HBP) nutzen, um sie auf künftige Rechner anzuwenden. Das HPB wird im Rahmen der Flaggschiff-Initiative der EU gefördert. Geboren ist das Projekt an der ETH Lausanne, mittlerweile sind Universitäten und Forschungsteams aus ganz Europa daran beteiligt.

Nebst der Entwicklung effizienterer Hardware wollen die Forscher auch verstehen, wie das menschliche Gehirn funktioniert und damit Krankheiten oder Störungen wie Alzheimer oder Psychosen besser behandeln können.

Voraussagen statt messen

Das klingt alles gut und schön. Das Problem dabei: Das Gehirn zu erforschen ist nicht ganz einfach. Laut Henry Markram, Hirnforscher, Leiter des Human Brain Projects und Referent am gestrigen Anlass, ist es unmöglich, das Hirn vollständig abzubilden ("It's impossible to experimentally map the brain").

Es dauere ein ganzes Jahr, um ein einziges synaptisches Leitungssystem ("a synaptic pathway") des Gehirns abbilden zu können. Laut Markram gibt es aber deren 3'000. Hinzu kommen die Kosten: Ein Jahr, das die Forscher investieren, kostet eine Million US-Dollar. "Und dies für einen Teil des Gehirns, der etwa der Grösse einer Stecknadel entspricht", so Markram.

Aus diesem Grund hätten sich die Forscher für eine neue Vorgehensweise entschieden. Statt das gesamte Hirn bis in jedes Detail zu erforschen und abbilden zu wollen, versuchen sie, gewisse Annahmen beziehungsweise Voraussagen anhand von Basisregeln zu treffen, nach denen das menschliche Gehirn funktioniert.

Statt der 3'000 haben sie bisher nur 25 synaptische Leitungssysteme abgebildet und nutzen das daraus gewonnene Wissen, um Voraussagen und Modellannahmen zu treffen. Mittels Simulationen, die über Supercomputer laufen, können sie diese nach dem Trial-and-Error-Prinzip zu beweisen versuchen.

"Simulation Science"

Diese Voraussagen wiederum sollen den Forschern helfen, schnellere Ergebnisse für weitere Forschungen zu erhalten. "Simulation Science" nennt Markram diese Strategie. Damit sollen Forscher sofort Antworten auf ihre Fragen erhalten - eben basierend auf Voraussagen.

Um diese Strategie zu implementieren, seien wiederum neuere und modernere Supercomputer nötig, so Markram. Denn derzeit dauere es teilweise Monate, bis Resultate einer Simulation vorliegen würden. Dies nicht zuletzt, weil Messungen in verschiedenen Forschungsabteilungen durchgeführt würden.