ICT-Branche kritisiert den Ständerat scharf

Reaktion der Schweizer Telkos auf den BÜPF-Entscheid

Uhr | Aktualisiert
von Marcel Urech und Janine Aegerter

Die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) wird wohl wie vom Bundesrat gewünscht umgesetzt - gegen den Widerstand der ICT-Branche. Die Redaktion wollte von Schweizer Telkos wissen, was sie davon halten.

Big Brother is watching you. (Quelle: Creative Commons Attribution-ShareAlike 2.0 Generic: www.flickr.com/photos/doctorow/ )
Big Brother is watching you. (Quelle: Creative Commons Attribution-ShareAlike 2.0 Generic: www.flickr.com/photos/doctorow/ )

Seit Montag ist klar: Der Ständerat wird die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) annehmen. Im Nationalrat muss der Gesetzesvorschlag zwar noch diskutiert werden - so wie es momentan aber aussieht, wird er wohl trotz grossen Widerstands aus der ICT-Branche so umgesetzt werden, wie es dem Bundesrat vorschwebt. Was halten Schweizer Telkos von dieser Entwicklung? Die Redaktion hat nachgefragt.

Swisscom will keine Subventionierung von Straftätern

Swisscom kritisiert nicht in erster Linie die geplante Ausweitung der Randdatenspeicherung von sechs auf zwölf Monate. Ein längere Aufbewahrungsfrist erhöhe zwar die Kosten, sagt Swisscom auf Anfrage der Redaktion, der Effekt sei aber überschaubar. Was der Telko hingegen kritisiert, ist die nicht vollständige Rückerstattung der Kosten für Überwachungen, die aufgrund des BÜPF durchgeführt werden müssen.

Die jährlichen Gesamtkosten für Überwachungen schätzt Swisscom auf rund 10 Millionen Franken pro Jahr. "Die Entschädigungen, die Swisscom erhält, decken die Betriebs- und Personalkosten bei weitem nicht", sagt Mediensprecher Olaf Schulze. Für die nötigen Investitionen erhalte Swisscom zudem keine Entschädigung. Der Telko fordert denn auch weiterhin eine volle Entschädigung für die Kosten der Überwachung und die Kosten der neu einzuführenden Überwachungsmassnahmen.

In einem Strafverfahren seien die Kosten ein Teil der gesamten Verfahrenskosten und würden einer überwachten und in der Folge strafrechtlich verurteilten Person auferlegt, erklärt Swisscom weiter. Würden diese Aufwände nur teilweise entschädigt, müssten die Anbieter und damit letztlich deren Kunden quasi die Straftäter subventionieren.

Orange sieht Verhältnismässigkeit verletzt

Orange merkt an, dass der Ständerat zwar entschieden habe, die Fernmeldedienstanbieter für die Überwachungstätigkeit im Auftrag des Staates zu entschädigen. Der BÜPF-Entwurf sei aber dennoch mangelhaft. Das Prinzip der Verhältnismässigkeit werde nicht gewahrt, da die Fernmeldedienstanbieter für beliebige, neue Überwachungsformen hohe und kaum planbare Investitionen in Systeme tätigen müssten - und für diese Investitionen sei keine Entschädigung vorgesehen.

Im Gegensatz zu Swisscom erwartet Orange bei einer Anhebung der Aufbewahrungsfrist von sechs auf zwölf Monaten "erhebliche Kostenfolgen" und einen grossen Mehraufwand. Neu sollen nämlich auch IP-Verbindungsdaten aufbewahrt werden, was im Vergleich zur Aufbewahrung von Telefonieverbindungsdaten viel aufwändiger und für die Rechnungsstellung an die Kunden überhaupt nicht nötig sei.

"Überwachung und Strafverfolgung sind klar staatliche Aufgaben. Somit sind die Kosten dafür auch vom Staat zu tragen", fordert Therese Wenger, Mediensprecherin von Orange. Die Überwachungssysteme, die Orange nun kaufen müsse, würden nur für diesen Zweck angeschafft und seien für die Erbringung der Dienstleistungen des Telkos nicht nötig.

Sunrise fehlt es an Investitionssicherheit

Sunrise bedauert, dass der Ständerat der Ausdehnung der Aufbewahrungsfrist der Vorratsdaten zugestimmt habe. "Ebenfalls bedauern wir, dass die Telekomanbieter gemäss Ständerat weiterhin nicht für die Investitionen in die Überwachungsinfrastruktur entschädigt werden", sagt Mediensprecher Roger Schaller. "Es fehlt das Verursacherprinzip."

Laut Sunrise ist es zudem schwierig, die Kosten für die Überwachung separat zu erheben. Die Überwachung verursache bei fast allen Anpassungen und Erweiterungen von Netzkomponenten und Prozessen laufend zusätzliche Kosten, die ohne Überwachung nicht entstehen würden. Auch die nicht abschliessende Regelung der Überwachungsmassnahmen findet Sunrise problematisch. "Es können immer wieder neue Überwachungsanforderungen dazu kommen, die neue Investitionen auslösen, auch bei den bestehenden Systemen", so Schaller. "Es fehlt somit Investitionssicherheit."

Gemeinsames Positionspapier

Die Fernmeldedienstanbieter traten im Vorfeld der Debatte im Ständerat geschlossen gegen die BÜPF-Revision an. Unter anderem veröffentlichten sie ein gemeinsames Positionspapier, das von Swisscom, Sunrise, Orange und Cablecom unterzeichnet wurde. Auch Branchenverbände wie Swico und Asut, der überparteiliche Zusammenschluss Digitale Gesellschaft und die Piratenpartei setzten sich energisch gegen die BÜPF-Vorlage ein.