Studie von GDI und Swisscom

Vier Szenarien für die vernetzte Zukunft

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

GDI hat sich in einer Studie mit der Zukunft der vernetzten Gesellschaft auseinandergesetzt. Die Forscher entwickelten drei Zukunftsszenarien, die mehrheitlich pessimistisch sind.

In Zusammenarbeit mit Swisscom hat sich die Schweizer Denkfabrik GDI (Gottlieb Duttweiler Institut) "Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft" näher angeschaut. Die gleichnamige Studie umfasst etwas mehr als 70 Seiten und zeigt mögliche Szenarien bis ins Jahr 2030 auf.

Die Studie wurde am vergangen Freitag im GDI-Gebäude vorgestellt. Unter den über 200 geladenen Gästen waren zahlreiche Entscheidungsträger von grossen Schweizer ICT-Unternehmen, Vertreter eidgenössischer Departemente und nicht zu vergessen Medienvertreter jeder Couleur.

Durch die Veranstaltung führt SRF-Moderatorin Katja Stauber. Die Keynotes hielten Swisscom-CEO Urs Schaeppi und GDI-CEO David Bosshart. Auf einer abschliessenden Podiumsdiskussion legten das ICT-Urgestein Marc Furrer, die Studienverantwortliche Karin Frick, Peter Delfosse und Robert Gebel von der Swisscom ihre Standpunkte dar und stellten sich den Fragen des Publikums.

Referenten sehen vor allem Chancen

Bei den Vortragenden überwog ein positiver Blick in die Zukunft. Swisscom-Chef Schaeppi forderte in seiner Präsentation die künftigen Entwicklungen proaktiv anzugehen und die Chancen zu packen. In der Vergangenheit habe der Bund viel richtig gemacht und der eingeschlagene liberale Weg solle fortgeführt werden. Schaeppi sprach sich ausdrücklich gegen tiefere Eingriffe in den Markt aus.

Auch Bosshart sagte, dass dem bevorstehenden Wandel positiv entgegengetreten werden sollte. Seiner Meinung nach wird derjenige als Sieger hervorgehen, der die richtigen Entscheidungen trifft und nicht der derjenige, der als erster vorprescht. Dabei identifizierte er die "gesellschaftliche Akzeptanz" bei den neuen technischen Möglichkeiten als entscheidende Konfliktlinie der Zukunft. Hierzu zählt er Vertrauen in die Sicherheit der Daten und die informationelle Selbstbestimmung.

Momentan sei der Haupttreiber der Entwicklungen das Streben nach Convenience, sagte Bosshart. Gleichzeitig würden die Nutzer aber einen hohen Preis dafür zahlen. Dies erfolgt durch die kostenlose Bereitstellung von Daten, mit welchen Grosskonzerne Gewinn machen. Unternehmen wie Apple und Amazon hätten sich hierbei bereits einen Vorteil erarbeitet.

Die Spielregeln sollten daher immer wieder angepasst werden, um einen freien Fluss der Informationen gewähren zu können. Dabei sollten diese laut Bosshart aber dynamisch sein. Eine wichtige Basis sei dabei das Vertrauen in die Institutionen, welches in der Schweiz besonders ausgeprägt sei. Die zentrale Frage ist für Bosshart: "Wieviel Sicherheit ist nötig, wie viel Freiheit möglich?" Dezentralität und Transparenz der Datenströme seien dabei sehr wichtig.

Das momentane Problem ist, dass eine neue Schicht von Zwischenhändlern immer mehr Gewinne abschöpfen würde, sagte Bossard. Vor allem US-Grosskonzerne würden ihre relative Machtposition ausnutzen. Dabei generieren sie selber kaum neue Inhalte. Den grössten Teil des Profits würden sie durch die Bereitstellung der Infrastruktur erzielen. Die Schwäche der Produzenten sei momentan noch, dass diese untereinander nur schwach vernetzt seien, und sie daher nur wenig Druck aufbauen können. Die grossen Netzwerke seinen aber nur dann überlebensfähig, wenn kleine Player mitwirken dürfen, hob Bosshart hervor.

Vier Zukunftsszenarien

Das Kernstück der Studie bilden vier Szenarien für die digitale Zukunft bis ins Jahr 2030. Von diesen sind drei eher negativ besetzt, und eine positive Version sticht hervor.

Mit dem Modell "Digital 99 Prozent" beschreiben die Autoren eine ICT-Landschaft, in der einige wenige Unternehmen alle Fäden in der Hand halten. Der daraus generierte Wohlstand würde nur wenigen privilegierten Personen zu Gute kommen, die Mehrheit verarme hingegen. Eine "starke Segmentierung" der Gesellschaft zwischen "Arm und Reich, Programmierern und den Programmierten", sei die Folge. Im Gegenzug ist der Zugang zu Diensten jedoch sehr günstig, entsprechend dem Grundsatz "Brot und Spiele für das Volk". Zu veranschaulichen versuchten die Autoren dies dem Orwell'sche Roman "Animal Farm", wobei das Szenario wohl eher dem Werk "1984" entsprechen würde.

Dem Gegenüber stellen die Autoren die Vision "Low Horizon". Dabei würde eine technologiefeindliche Grundeinstellung die Entwicklung im IT-Bereich hemmen. Die Vernetzung werde nur partiell durchgeführt, was zur Herausbildung von isolierten Entitäten führe. Das Resultat sei ein "langsamer wirtschaftlicher Abstieg" und die Abkopplung vom globalen Markt. Auch eine Abwanderung der fähigsten Köpfe ins Ausland sei eine mögliche Folge, schreiben die Autoren. Bosshart zog dabei die Entwicklungen und Debatten in Deutschland als negatives Beispiel für diesen Entwicklungsweg heran.

Laut Bosshart verfolgen China und andere autoritäre Staaten den Ansatz einer "Holistic Service Community". In dieser treten privatwirtschaftliche Firmen als führsorgliche Dienstleister auf. Die Vernetzung unter den verschiedenen Grosskonzernen ist dabei sehr weit vorangeschritten, was den Nutzern ein hohes Mass an Convenience bieten würde. Je nach Zugehörigkeit zu einem "Corparate State" führe dieser Ansatz aber auch zu einer Segmentierung der Gesellschaft entlang dieser Grenzen. Die Renationalisierung sei ein Trend auf diesem Weg. Dem Staat ermögliche dieses System ein hohes Mass an Überwachung. Nutzer könnten sich aber innerhalb des rechtlichen Rahmens relativ frei bewegen, und der Zugang zu Diensten sei leicht, schreiben die Autoren.

Als Königsweg preisen die Forscher das Modell "Dynamic Freedom" an. Dieses würde die meisten Vorteile der anderen Systeme vereinen, bei einer gleichzeitigen Bewahrung der Freiheit und Selbstbestimmung. Dabei kommt ein hoher Grad an Vernetzung mit hohem Wohlstand zusammen. Laut Autorenmeinung ist ein hohes Mass an Selbstbestimmung über die Daten der Schlüssel für diesen Weg. Dies führt zu einer Dezentralisierung der Daten und die Nutzer können über die Verwendung eigenbestimmt entscheiden. Durch das direktdemokratische System in der Schweiz würde sich dieser Weg hier anbieten, ähnlich wie auch in einigen nordeuropäischen Staaten, ist Bosshart überzeugt. Er sieht die Schweiz momentan auf diesem Weg.