Interview mit Hannes Gassert, Wemakeit

"Crowdfunding ist bald überall"

Uhr | Aktualisiert
von Andreas Heer

Crowdfunding ist eine junge Methode, Projekte von einer grossen Anzahl Unterstützer mittels kleinerer Beträge gemeinsam zu finanzieren. Hannes Gassert, Geschäftsleitungsmitglied von Wemakeit, erläutert diese Finanzierungsmethode.

Hannes Gassert, Partner und Geschäftsleitungsmitglied von Wemakeit sowie selbst Unternehmer und Start-up-Gründer (Quelle: Hannes Gassert)
Hannes Gassert, Partner und Geschäftsleitungsmitglied von Wemakeit sowie selbst Unternehmer und Start-up-Gründer (Quelle: Hannes Gassert)

Herr Gassert, wo steht Crowdfunding in der Schweiz heute?

Crowdfunding war hier lange Zeit kein Thema. Diese Finanzierungsform kommt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Kulturkreis. Vor drei Jahren entstanden in der Schweiz mit Wemakeit und 100-Days gleichzeitig zwei recht ähnlich gelagerte Plattformen. Bei Wemakeit achten wir jedoch stark auf Qualität. Wir investieren viel Aufwand in die Projekte, das zeichnet sich in der guten Erfolgsrate von fast 70 Prozent aus. Bei uns liegt die durchschnittliche Laufzeit bei etwas über 30 Tagen. Das heisst, dass im Vergleich weniger Projekte gleichzeitig aktiv sind. Das ist gut und richtig so, denn eine Studie der EPFL unter dem Titel "Launch Hard or Go Home" hat schön aufgezeigt, dass sich schon nach wenigen Tagen ablesen lässt, welche Projekte erfolgreich sein werden – und welche nicht.

Wie weit wird Crowdfunding im geschäft­lichen Umfeld eingesetzt?

In der Schweiz werden jetzt langsam, aber sicher auch etablierte Finanzunternehmen auf das Phänomen aufmerksam. Als erste sprang die Startup-Szene mit Crowdinvesting auf, nun werden die Gedanken weitergesponnen. Crowdfunding wird kommerziell dann besonders interessant, wenn sich ein Hebel einsetzen lässt. Ein Beispiel könnte etwa ein Kredit sein. Die Bank, die dahintersteht, kann aufgrund des Engagements der Projektunterstützer ermitteln, wo eine Kreditvergabe besonders interessant sein könnte. Und diese Entwicklung wird weitergehen. In Zukunft wird es sicher Experimente von Banken geben, und da wird sich zeigen, wie weit Banken auf lokale Plattformen und Communities eingehen werden und wie sie sich in einem solchen Umfeld glaubwürdig bewegen können. Auch das Lizenzgeschäft zwischen Swisscom und Wemakeit lässt sich in diesem Zusammenhang verstehen.

Welche Art von Projekten dürften sich als Nächstes auf diese Art finanzieren lassen?

Die Kultur ist oft ein Seismograf für neue Entwicklungen. Ich gehe davon aus, dass sich Crowdfunding rasch in andere Bereiche ausbreitet. Wir sehen das etwa bei Apps oder Games, also kreativen Technologieprojekten. Die Entwicklung geht weiter in klassische Bereiche. So hat etwa ein Bauer im Engadin die Übernahme eines Hofs auf Wemakeit finanziert. Oder in Deutschland haben viele kleine Investoren gemeinsam ein Hotel am Meer wieder zum Laufen gebracht. Ich bin zudem überzeugt, dass wir diese Finanzierungsform im technischen Umfeld noch häufiger sehen werden. Crowdfunding ist ein hervorragendes Forum für Open-Source-Entwickler: Sie können so zusammen mit ihrer Community ihre Software weiterbringen, auch in eng begrenzten Nischen. Es gibt auch in der Schweiz erste Softwareprojekte, beispielsweise im Bereich Verschlüsselung und elektronische Signaturen. Hier spielt die Glaubwürdigkeit eine entscheidende Rolle, da ist Crowdfunding ein ideales Mittel, weil diejenigen, die die Software benutzen, diese auch finanzieren. Es gibt also keinen Interessenkonflikt zwischen Nutzer und Geldgeber.

Wie können nun Investoren sicherstellen, dass ihr Geld dem Zweck entsprechend verwendet wird?

Bei Wemakeit gibt es verschiedene Stufen. Wir schauen uns die Projekte und die Personen dahinter genau an und prüfen, ob das Anliegen stringent ist, oder ob es sich um reine Abzocke handelt. Eine zweite Stufe ist das Vertrauen, dass die Community in ein Projekt steckt. Die ersten Investoren stammen oft aus dem Freundeskreis, und es gibt ein gewisses Vertrauen in Freunde von Freunden. Bis jetzt gab es extrem wenige Missbrauchsfälle, die Projekte sind gut überwacht. Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass es grosse Betrugsfälle mit hunderten von betroffenen Personen geben wird – die «Crowd» ist hier durchaus weise.

Inwiefern gibt es externe Kontrollstellen?

Das Modell Wemakeit ist von der Finma geprüft. Es gibt klare Regeln, an die wir uns halten. Zudem gibt es zahlreiche bestehende Regeln, die zum Zuge kommen werden, wenn Crowdfunding weiter wächst. Aber es gibt sicher auch Bereiche, die künftig noch diskutiert werden wollen, eine spezifische gesetzliche Regulierung von Crowdfunding gibt es für die Schweiz jedoch nicht. Das ist auch nicht nötig.

Welche Pläne hat Wemakeit für die Zukunft?

Einen grossen Einfluss auf Crowdfunding haben die Entwicklungen im Zahlungsverkehr. Die Transaktionskosten müssen und werden sinken. Dabei hoffe ich auch auf gute Lösungen aus der Schweiz und aus Europa. Das interessiert mich besonders, weil wir damit gemeinsam gegen die grosse amerikanische Konkurrenz punkten könnten. Das gilt übrigens auch für Österreich. Wir sind daran, in Wien ein Büro zu eröffnen, und das wird kaum die Endstation sein. Crowdfunding hat das Potenzial zu echten, tiefgreifenden Umwälzungen, das wird ganz bestimmt richtig aufregend!