Silvia Hagen

"Die Umstellung auf IPv6 erfordert ­ein Umdenken"

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von Janine Aegerter

Silvia Hagen ist Präsidentin des Swiss IPv6 Council und Inhaberin des IT-Beratungsunternehmens Sunny Connection. Im Interview erklärt sie, worauf Unternehmen bei der Umstellung auf IPv6 achten müssen und wieso es sich dabei um ein IT-Projekt der besonderen Art handelt.

Silvia Hagen, Präsidentin des Swiss IPv6 Council und Inhaberin des IT-Beratungsunternehmens Sunny Connection (Quelle: Netzmedien)
Silvia Hagen, Präsidentin des Swiss IPv6 Council und Inhaberin des IT-Beratungsunternehmens Sunny Connection (Quelle: Netzmedien)

Worauf müssen Firmen achten, wenn sie IPv6 umsetzen wollen?

Silvia Hagen: Unternehmen sind sich oft zu wenig bewusst, dass es sich bei der IPv6-Umstellung um ein IT-Projekt handelt, das eine viel grössere Reichweite hat als irgendein anderes IT-Projekt. Führt man eine neue Technologie wie Identity Management oder VoIP ein, hat man einen klar definierten Bereich, der von dieser Einführung betroffen ist. Führt man aber IPv6 ein, ist die hinterste und letzte Komponente im Netz betroffen, die irgendwie mit IP an einer Kommunikation teilnehmen will. Das bedeutet, dass Menschen in einer Organisation miteinander sprechen müssen, die normalerweise gar nichts miteinander zu tun haben und auch nicht miteinander kommunizieren.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

In IPv4 konfiguriert man einen Default Gateway über DHCP. In IPv6 gibt es das nicht mehr als DHCP-Option. Dort wird das Default Gateway über ein Router Advertisement konfiguriert. Das heisst, dass die Router-Leute plötzlich mit den Adressleuten sprechen müssen. In einer Organisation trinken aber diese beiden Mitarbeitergruppen häufig nicht einmal Kaffee miteinander (lacht). Deswegen ist es immens wichtig, dass in der Startphase eines IPv6-­Deployment-Projekts Vertreter aller Abteilungen mit am Tisch sitzen und alle Schnittstellen identifiziert und sorgfältig koordiniert werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund muss dieses Projekt vom obersten Management getragen und initiiert werden. Ich war schon bei Kunden, bei denen alle Abteilungen vertreten waren, nur die Architekten nicht. Als ich nach ihnen fragte, sagten die Netzwerker: «Mit denen sprechen wir nicht.» Dann hat man ein Problem, aber kein technisches.

Nehmen wir an, alle Verantwortlichen sitzen nun an einem Tisch. Wie gehen Sie dann als Beraterin vor?

In einer ersten Phase muss man vor allem konzeptionell arbeiten. Da geht es darum, das Design des zukünftigen Netzwerks sowie das Adresskonzept, das Security-Konzept und so weiter auszuarbeiten. Da ist es wichtig, dass alle ihren Input geben. Dabei bietet sich für das Unternehmen auch eine Chance, um sich von Altlasten, die historisch gewachsen sind, zu befreien. Das erfordert aber ein Umdenken. Es geht dabei darum, dass man vermeidet, einfach bestehende IPv4-Konzepte und bestehende Probleme ungelöst in IPv6 abzubilden. Das ist nicht nachhaltig und führt speziell bei Adress- und Security-Konzepten möglicherweise zu aufwändigen und damit kostenträchtigen Folgen.

Woran liegt es, dass Unternehmen diese Chance nicht nutzen?

Sie sehen es nicht. Wenn du einem Fisch, der immer im Goldfischglas herumschwimmt, erklärst, dass es auch noch einen See gibt, in dem er herumschwimmen könnte, dann kann er sich das unmöglich vorstellen. Ein Umdenken braucht Zeit und Erfahrung. Darum ist es enorm wichtig, den Mitarbeitern zu einem frühen Zeitpunkt Test-Labs zur Verfügung zu stellen und ihnen auch die nötige Ausbildung zu bieten.

Wie viel kostet die Umstellung auf IPv6?

Gartner Group sagt, eine IPv6-Einführung koste in etwa 5 oder 6 Prozent eines jährlichen IT-Budgets, verteilt auf die Anzahl Jahre des Deployments. Und diese Zahlen kann ich aus meiner eigenen Erfahrung mit einzelnen Kunden bestätigen, aber nicht statistisch belegen. Der Betrieb eines Parallelbetriebs von IPv4 und IPv6, also Dual-Stack, kostet gemäss Gartner rund 1 Prozent mehr als der Betrieb ohne IPv6.

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