Schweizer Polizei-Informatikkongress

"Der Staat braucht zeitgemässe Werkzeuge"

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Der Schweizer Polizei-Informatikkongress hat die Rolle der ICT im Sicherheitsumfeld beleuchtet. Der Umgang mit Big Data war ein zentrales Thema. Ausserdem informierten Redner über Cybercrime und politische Ansätze zur Harmonisierung der Polizei-ICT.

Vergangene Woche hat der Schweizer Polizei-Informatikkongress (SPIK) im Stade de Suisse in Bern stattgefunden. Über 600 IT-Verantwortliche und -Anwender von Schweizer Polizeikorps kamen zu dem Event, um sich über die neusten Entwicklungen zu informieren.

Bürger verlernen Anpassungsfähigkeit

Die Veranstaltung eröffnete Toni Frisch, der in Verwaltungsräten vieler nationaler und internationaler Organisationen vertreten ist. Im vergangenen Jahr leitete er die Sicherheitsverbundsübung 2014 (SVU14), mit der Bund und Kantone ihre Fähigkeiten zur Bewältigung von Krisen testeten. In der Übung wurden eine Stromknappheit und ein zweitägiger Stromausfall mit einer gleichzeitigen Epidemiewelle simuliert.

Die offiziellen Ergebnisse der Übung werden erst im Mai veröffentlicht. Frisch gab aber schon einen ersten Einblick in die wichtigsten Erkenntnisse: Die Abhängigkeit der Schweizer Bevölkerung von Elektrizität wird immer stärker. Insbesondere sei offensichtlich geworden, dass die Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung stark abgenommen habe. Deshalb stellten Stromausfall oder Stromknappheit eine erhebliche Herausforderungen dar.

Bei der Bewältigung solcher Krisen fällt der ICT eine entscheidende Rolle zu. Das Übungsszenario zeigte aber, dass diese Infrastrukturen viel anfälliger sind, als ursprünglich gedacht. Beispielsweise hätten einige zentrale Rechenzentren zwar Notstrom und sicheren Support. Bei dem Krisenszenario würden aber die externen Dienstleister ausfallen und die Notstromversorgung würde ohne Wasser nicht mehr funktionieren, sagte Frisch.

Der Verbesserungsbedarf sei noch gross, stellte Frisch fest. Es sei aber wichtig, diese Lücken jetzt erkannt zu haben und entsprechende Gegenmassnahmen einleiten zu können. Die Sicherstellung der ICT stelle immer noch eine grosse Herausforderung dar, die entschlossen angegangen werden müsse.

Big Data überall

Oft wurde auf dem Event der Vergleich mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen genannt, wenn es um die Verarbeitung von Daten ging. Dies unterstreicht, dass das Thema Big Data noch ein Problem bei der Polizeiarbeit darstellt.

Um mit den Datenbergen umzugehen präsentierten mehrere Unternehmen ihre Lösungen. Unter anderem zeigte IBM, wie das Analysesystem Watson zur Auswertung von textgebundenen Daten gentzt werden kann. Durch die Algorithmen lassen sich Muster und Spuren finden, die bei der Tätermittlung helfen sollen.

Auch der französische IT-Dienstleister Atos präsentierte eine Lösung mit der sich "gesetzeskonform Nadeln finden lassen" sollen. Durch eine "mächtige Analyseplattform" sollen künftig schweizweit Datenquellen von den Kantonen zusammengeführt werden. Zudem sollen sich die richterlichen- und staatsanwaltschaftlichen Bewilligungsverfahren direkt integrieren lassen, um Zeit und Kosten zu sparen, zeichnete Atos Consultant Alessandro Fizzotti seine Vision auf.

Plädoyer für die BÜPF-Revision

Paul Zinniker, Chef des Strategischen Nachrichtendienstes (SND), warb in seinem Vortrag für die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Laut seiner Aussagen mangele es den staatlichen Behörden an zeitgemässen Werkzeugen, um die Interessen des Staates zu verteidigen.

Der Eindruck, dass die Schweiz bisher von Spionage fremder Staaten verschont geblieben ist, sei falsch, sagte Zinniker. Aufgrund der beschränkten Ressourcen sei es momentan nur nicht feststellbar, wie stark die Schweiz betroffen ist. Vor allem die Region Genf sei ein Brennpunkt fremdstaatlicher Spionage, sagte Zinniker weiter.

Das überraschende an den Snwoden-Aufdeckungen war laut Zinniker nicht die Datensammelwut der NSA. Vielmehr sei die erzwungene Zusammenarbeit von privaten Firmen mit staatlichen Behörden erschreckend. Dabei sprach er zunächst von den USA, in einem Nebensatz zog er aber auch eine Parallele zu China, ohne jedoch einen Beweis zu nennen. Bei der Beschaffung stelle sich daher die Frage, welchen Firmen eigentlich noch vertraut werden könne.

Geheimdienst an Gesetze gebunden

Bisher könne der Schweizer Geheimdienst in Fällen von Wirtschaftsspionage kaum aktiv werden, da die gesetzliche Grundlage fehle, sagte Zinniker. Daher forderte er ein Schweizer Nachrichtendienstgesetz, dass den aktuellen Bedrohungen gerecht wird und sich der Cyber-Bedrohungslage anpasst. "Der Nachrichtendienst arbeitet streng nach dem Gesetz", hob Zinniker hervor.

Die in der Revision des BÜFT implementierte Möglichkeit in Systeme einzudringen, verteidigte Zinniker als notwendiges Werkzeug zur "Wahrung der wesentlichen Landesinteressen".

Dabei wolle der Schweizer Geheimdienst nicht wie die NSA erst einen Heuhaufen von Daten schaffen, um dann die Nadeln darin zu suchen. Vielmehr erlaube die Revision einen "endoskopischen Einschnitt", von dem aus in die Tiefe gegangen werden könne. Das Programm soll auch sehr begrenzt sein und Zinniker rechnet nur mit 10 bis 12 Fällen im Jahr, bei denen die neuen Werkzeuge auch wirklich eingesetzt werden. Warum für diese kleine Zahl ein neues Gesetz nötig ist, erklärte Zinniker aber nicht näher.

Harmonisierung der ICT in kleinen Schritten

Föderalismus und Kantönligeist machen auch bei der Schweizer Polizei nicht Halt. Bei den ICT-Infrastrukturen der Polizei ist eine Harmonisierung noch weit entfernt. Um aber in einigen Feldern gleiche Standards und Plattformen durchzusetzen, haben Bund und Kantone vor drei Jahren die Plattform "Harmonisierung der Polizeiinformatik" (HPI) ins Leben gerufen.

Über den aktuellen Stand informierten Markus Röösli, Polizeitechnik und Informatik (PTI), und der Scheidende HPI-Vorsitzende Roman Pfister.

OAWR, SeP und AppSOE

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge präsentierten die Referenten das Projekt "Webservice Gateway Online-Abfrage Waffenregister" (OAWR). Dieses konnte in wenigen Monaten von der Planung bis zur Realisierung durchgeführt werden. Laut Pfister ist es momentan in allen Kantonen funktionsfähig. Dies ist das lachende Auge. Auf der anderen Seite kann die Plattform zurzeit aber nicht genutzt werden, da die rechtliche Basis noch nicht geschaffen wurde. Daraus habe man gelernt, die gestzgeberischen Hürden bei solchen Projekten nicht zu unterschätzen.

Als erfolgreiches Projekt stellte Pfister den virtuellen Polizeiposten "Suisse ePolice" (SeP) vor. Mehrere Kantone seien kürzlich hinzugestossen und über 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung hätten nun Zugang zu diesem Dienst, über den online Meldungen an die Polizei abgesetzt werden können.

Zudem erwähnte Pfister die App für Sondereinheiten (AppSOE). Diese ist in fast allen Kantonen und sogar in Fürstentum Liechtenstein implementiert.

Weitere Projekte in Planung

Mit den erreichten Erfolgen will sich das HPI aber nicht zufrieden geben und weitere Projekte sind bereits in Planung. Beispielsweise das sichere Polizei-Mail (SP Mail), das auch das Einbinden von Dritten in die Kommunikation ermöglichen soll. Die Ausschreibung wurde gerade auf Simap veröffentlicht, sagte Pfister. Weiter ist eine App zur Einbruchprävention (App EP) ebenfalls über Simap ausgeschrieben worden. Diese beruht auf einem Forschungsprojekt zwischen Stadtpolizei Zürich und der Uni Zürich.

Zudem sei das HPI gerade an der Auswertung für einen Instant Messenger Police (IMP) beschäftigt, den Pfister als Whatsapp für Polizisten umschrieb. Eine Arbeitsgemeinschaft arbeite zudem an der Ausarbeitung einer schweizweiten Strategie zum Umgang mit Notrufen.

Mit den bisher erreichten Zielen zeigten sich die Referenten zufrieden. Auf dem Weg zur weiteren Harmonisierung sei es aber noch ein weiter Weg. Als grösste Baustelle nannte Röösli die Harmonisierung der Polizei-Vorgangsbearbeitung, die von den Beteiligten viel Kompromissbereitschaft verlangen würde. Ziel sie es aber nicht, nur ein einziges Produkt zu verwenden, sagte Röösli weiter, denn ein Wettbewerb sei gewünscht. Vielmehr ziele das HPI auf die Harmonisierung der Prozesse und Schnittstellen ab.

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