Zwischen Sorge und Hoffnung

Das sagen Schweizer Entwickler zur Xamarin-Übernahme

Uhr | Aktualisiert

Microsoft hat mit Xamarin ein Tool für die Cross-Plattform-Entwicklung gekauft. Was sagen Schweizer Entwickler zu dieser Übernahme? Liip, Namics, Noser und Zühlke nehmen Stellung.

Von links nach rechts: Nat Friedman, CEO und Mitgründer von Xamarin; Scott Guthrie, Executive Vice President von Microsofts Cloud and Enterprise Group; Miguel de Icaza, CTO and Mitgründer von Xamarin (Quelle: Microsoft, blogs.microsoft.com/blog/2016/02/24/microsoft-to-acquire-xamarin-and-empower-more-developers-to-build-apps-on-any-device)
Von links nach rechts: Nat Friedman, CEO und Mitgründer von Xamarin; Scott Guthrie, Executive Vice President von Microsofts Cloud and Enterprise Group; Miguel de Icaza, CTO and Mitgründer von Xamarin (Quelle: Microsoft, blogs.microsoft.com/blog/2016/02/24/microsoft-to-acquire-xamarin-and-empower-more-developers-to-build-apps-on-any-device)

Microsoft hat mit Xamarin ein Tool für die Cross-Plattform-Entwicklung von Apps übernommen, das auch viele Schweizer Entwickler einsetzen. Was sagen die Schweizer Entwickler zum Microsoft-Xamarin-Deal? Die Redaktion fragte nach und erhielt Antworten von Noser Engineering, Zühlke Engineering, Namics und Liip. Die Webagentur nutzt Xamarin und spart mit der Software laut eigenen Angaben je nach Projekt bis zur Hälfte der Zeit.

Microsofts neue Offenheit kommt an

Nicht überraschend kam die Übernahme für Mark Allibone, der bei Noser Engineering als Senior Premium Xamarin Consultant arbeitet. Microsoft sei in den letzten Jahren aufgeschlossener geworden, unter anderem bezüglich Open Source, offenen Standards und der Zusammenarbeit mit wichtigen Marktteilnehmern. "Die Übernahme von Xamarin unterstreicht diesen Trend", urteilt Allibone.

Microsoft hat mit der Universal Windows Platform bereits eine Laufzeitumgebung, die die gleiche Codebasis auf mehreren Endgeräten lauffähig macht. Zum Beispiel auf einem Desktop-PC, auf der Xbox und auf einem Windows-Smartphone. Mit Xamarin könne Microsoft diese Vision nun auf Plattformen wie iOS und Android ausweiten, sagt Allibone. In Kombination mit C# und Visual Studio stärke Microsoft so seine Strategie als wichtiger Cloud-Player. "Denn fast jede Mobile-Applikation benötigt heutzutage ein Backend in der Cloud", erklärt Allibone von Noser Engineering weiter.

Satya Nadella versuchte bereits bei seinem Besuch in Zürich, diese neue Offenheit zu betonen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Steve Ballmer scheint es für ihn kein Problem zu sein, auch über Konkurrenzbetriebssysteme wie Android und iOS oder Unternehmen wie Google und Apple zu reden.

"Die Übernahme war längst überfällig"

Sandro Ruch, der bei Namics als Head of Technology and Application arbeitet, begrüsst den Xamarin-Deal. "Aus unserer Sicht war die Übernahme sogar schon längst überfällig." Für Microsoft sei die Massnahme ein weiterer wichtiger Schritt, um auf dem mobilen Markt auch abseits von Windows Phone Fuss zu fassen. Das Unternehmen sei über viele Jahre hinweg nicht daran interessiert gewesen, mit seinem .Net-Framework mehr als Windows zu unterstützen. "Nun sieht sich der Branchenriese aber gezwungen, auch andere Betriebssystemmärkte zu bedienen", sagt Ruch.

Ruch weist ausserdem auf die Partnerschaft mit Cyanogen Inc. hin, die Microsoft im April 2015 schloss. "Mit der erst vor wenigen Tagen vorgestellten Android-Schnittstelle MOD von Cyanogen können zum Beispiel Entwickler ihre Software direkt in das Betriebssystem integrieren." Davon profitiere Microsoft, wie auch von der Xamarin-Übernahme. Der Konzern bleibe so konkurrenzfähig.

Hoffen auf Microsofts Finanzkraft

"Generell betrachte ich die Übernahme durch Microsoft optimistisch", sagt Hansmartin Geiser, Entwickler bei der Webagentur Liip. Microsoft arbeite schon lange eng mit Xamarin zusammen, und der Xamarin-Kauf sei für das Unternehmen sinnvoll. Microsoft fahre schliesslich die Strategie, die Entwicklung für diverse Plattformen mit einer einheitlichen Lösung abzudecken.

Die Übernahme bringe Microsoft über 15'000 Kunden, mehr als 1,3 Millionen Entwickler und jährlich mehrere Millionen Franken Umsatz, schreibt Allibone in einer E-Mail an die Redaktion. Wer bereits auf Xamarin setze, sei durch den Microsoft-Xamarin-Deal in seiner Entscheidung gestärkt worden.

Geiser hofft, dass die Finanzstärke Microsofts eine Ausweitung Xamarins auf weitere Plattformen bringt. "Die Möglichkeit, die Kernkomponenten einer App nicht nur auf iPhone-, Android- oder Windows-Geräten, sondern auch auf Hololens und anderen künftigen Geräten laufen zu lassen, ist spannend."

Wird Xamarin Studio überleben?

Für eine ausführliche Bewertung sei es aber noch zu früh, meint Ueli Kleeb, Leiter Competence Center und Mitglied der Geschäftsleitung von Zühlke Schweiz. Die Übernahme bringe auch Unsicherheiten mit sich. "Auf der einen Seite steht mit Microsoft neu ein sehr potentes Grossunternehmen hinter Xamarin, was neue Chancen eröffnet", sagt Kleeb. "Auf der anderen Seite kommt es bei solchen Übernahmen häufig vor, dass die bisher treibenden Leute die Firma nach kurzer Zeit verlassen und die bisherige Philosophie nicht im gleichen Sinn weitergetragen wird."

Auch Allibone beschäftigt die Frage, wie Xamarin nun in die Microsoft-Welt integriert wird. Er geht davon aus, dass die Entwicklungsumgebung Xamarin Studio noch eine Weile bestehen und weiter gewartet werde. Zumindest so lange, bis die Technologie und Xamarin Forms voll in Visual Studio integriert sind. Und die Xamarin-Test-Cloud werde wohl in Microsoft Azure aufgehen, sagt der Entwickler weiter. Unklar sei hingegen die Zukunft von Xamarin University. Allibone rechnet damit, dass das Portal in die MSDN-Dokumentation und in das Microsoft Certification Program einfliesen werde.

Gefahr für die Mac-Plattform

"Eine grosse Gefahr ist, dass Microsoft nun Xamarin seinen Stempel aufdrückt und das Unternehmen nicht mehr die Freiheit hat, seine Produkte voranzutreiben", sagt Ruch. Er befürchtet das Ende von Xamarin Studio für Macs. Ruch sieht zudem die Gefahr, dass Microsoft die Unterstützung einiger Plattformen kippe. Xamarin funktioniere auch für TvOS, WatchOS und Playstation, was Microsoft vielleicht streichen werde. Es sei aber auch möglich, dass sich Microsoft mit "zu vielen allgemeinen Libraries" übernehme und etwa Google Maps durch Bing Maps ersetze.

Auch Geiser macht sich Sorgen um die Unterstützung von iOS und OSX. Laut ihm befürchten viele Entwickler aus der Apple-Welt, dass Microsoft die iOS- und OSX-Plattformen nur stiefmütterlich behandeln wird. Geiser hält es ebenfalls für möglich, dass Xamarin Studio für den Mac aufgelöst und nur noch Visual Studio für die Entwicklung unterstützen werde. Die Software sei für Mac aber gar nicht verfügbar. "Meines Erachtens besteht Microsofts Hauptinteresse jedoch im plattformübergreifenden Produkt Xamarin", sagt Geiser. "Würde eine Plattform vernachlässigt, sabotiert sich Microsoft selbst."

"Entscheidend wird sein, ob die Gründer Miguel de Icaza und Nat Friedman dabei bleiben und die treibenden Kräfte hinter Xamarin bleiben", urteilt Kleeb. Auch er sieht die grösste Gefahr darin, dass Microsoft den Fokus auf Windows 10 legen und die iOS- und Android-Integration vernachlässigen werde.

Unterstützung von XAML und WPF

Auf die Frage, welche Vorteile der Deal bringe, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Kleeb hofft, dass Xamarin voll kompatibel zu .Net werde. Aktuell basiert es auf Mono, einem offenen Nachbau von .Net. Wünschenswert seien zudem eine Integration in Visual Studio und eine bessere Unterstützung von XAML (Extensible Application Markup Language) und WPF (Windows Presentation Foundation).

Ruch geht davon aus, dass Microsoft durch die Vereinheitlichung von Xamarin und XAML mittelfristig einen Standard festlegen kann, der die Entwicklung mit Xamarin Forms vereinfacht. Tools wie Expression Blend könnten auch das Prototyping für mobile Geräte erleichtern. "Ein weiterer Vorteil ist die Entwicklung und Wartung des .Net Frameworks, das für und in Xamarin zum Tragen kommt", sagt Ruch. So sei es möglich, dass Xamarin nicht mehr nur mit der alten Version 4.5, sondern auch mit der aktuellen 4.6 laufe. Entwickler müssten so beim Einsatz neuer Bibliotheken nicht auf Updates warten.

Und die Lizenzen?

Noser Engineering, Zühlke Engineering, Namics und Liip hoffen alle darauf, dass Microsoft nun die Lizenzpreise senkt. Einige halten es sogar für möglich, dass Xamarin schon bald kostenlos in Visual Studio enthalten sein wird. Xamarin wird aktuell per Plattform pro Entwickler lizensiert.

Bis jetzt war es nötig, neben den Visual-Studio-Tools auch eine Xamarin-Lizenz zu erwerben. Die hohen Aufwendungen für Xamarin-Schulungen dürfe man ebenfalls nicht vergessen, sagt Allibone. Es werde sich aber erst zeigen müssen, wie die Lizensierung denn schliesslich aussehe.

Die Redaktion gab Microsoft Schweiz die Gelegenheit, sich zu den Bedenken der Entwickler zu äussern. Das Unternehmen teilte uns mit, dass es zum jetzigen Zeitpunkt zu den "Annahmen und Spekulationen" nicht Stellung nehmen wolle. Microsoft freue sich aber auf die Zusammenarbeit mit Xamarin. Weitere Informationen zur geplanten Produktintegration und die zukünftige Roadmap will Microsoft im Rahmen der Build-Konferenz Ende März kommunizieren.

Webcode
6898