E-Health Forum

Der Mehrwert des E-Patientendossiers ist noch unklar

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Am zweiten Tag des E-Health Forums ging es um die Umsetzung des EPDGs. Die Referenten beschäftigten sich mit Fragen zum Mehrwert des elektronischen Patientendossiers und zur Finanzierung. Es gab auch kritische Stimmen.

Am Freitag ist das Swiss E-Health Forum zu Ende gegangen. Am letzten Tag drehte sich alles um die Umsetzung des Gesetzes zum elektronischen Patientendossier (EPDG). Auch wenn die Referenten zumeist wenig konkret wurden, so zeigten sie doch die wesentlichen Trends und Herausforderungen auf.

Selbst bauen oder einkaufen?

Den ersten Vortrag des Tages hielt Serge Bignens, Dozent am Institute for Medical Informatics an der Berner Fachhochschule. In seinem Beitrag stellte er die Frage "Make oder Buy", oder welchen Weg die Leistungserbringer zum elektronischen Patientendossier (EPD) gehen sollen.

Der Vorteil des Selbermachens sei, dass man sich damit vom Nachbarn abheben könne. Eine eigene Lösung könne zudem besser auf die bestehenden Systeme zugeschnitten werden, und auch die Autonomie sei grösser. Der grosse Nachteil dieses Ansatzes seien die höheren Kosten.

Als Fazit plädierte Bignens für einen Mittelweg zwischen selbst machen und einkaufen. Dieser Ansatz erlaube eine gewisse Flexibilität bei gleichzeitiger Kostenkontrolle. Dabei biete sich das Einkaufen bei den Technologien an. Wohingegen das Selbermachen bei den Prozessen und der politischen Harmonisierung am erfolgversprechendsten sei.

Mehrwert schaffen

Im Anschluss berichtet Jürg Lindenmann, CEO des Beratungsunternehmens Health-it, über seine Erfahrungen. "Sie müssen rein in eine Stammgemeinschaft", forderte er die Anwesenden auf. Bei der Umsetzung ging Lindenmann auf zwei wesentliche Probleme ein. Zunächst kritisierte er, dass die im Gesetz genannten "relevanten Dokumente", die im Dossier hinterlegt werden sollen, noch nicht definiert worden seien.

Noch problematischer sei jedoch, dass der Mehrwert für den Patienten in der heutigen Form nicht überzeugend vermittelt werde. Der Patient müsse stärker ins Zentrum gestellt werden. Ihm den Nutzern zu vermitteln, sei bisher nicht zufriedenstellend gelöst, sagte er.

Bei der Investition in eine Lösung sollten die Leistungserbringer zudem auf das Verhältnis von Aufwand und Nutzen achten. "Wo habe ich Mehrwert, und wie viel will ich investieren, um diesen Mehrwert zu erreichen, ist die zentrale Frage", sagte er. Daher riet er, sich zuerst zu überlegen, wo Mehrwert geschaffen werden könne. Erst wenn dies klar sei, sollte man sich nach dem Finanzierungsmodell und den Partnern zur Umsetzung umsehen.

Nicht alle sind überzeugt

Nicht überzeugt von den Diskussionen zeigte sich Sara Stalder, Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz. "Ich habe mich immer wieder gefragt: Wo ist der Patient?", sagte sie in einem Gespräch mit Sang-Il Kim, stellvertretender Leiter von E-Health Suisse. Die am Forum gestellten Fragen würden sich noch zu wenig um den Patienten drehen, kritisierte sie.

Ihrer Meinung nach muss das EPD einfach zu nutzen sein. Schliesslich sollten es alle Altersgruppen ohne viel Erklärung nutzen können. Dies sehe sie im Moment noch nicht. Zudem müsse für das EPD noch erheblich die Werbetrommel gerührt werden. Ausser den Patienten müssten besonders die Hausärzte mit ins Boot geholt werden, denn diese seien von den Vorteilen noch nicht überzeugt.

Zudem müsste dem Patienten deutlich der Mehrwert aufgezeigt werden. Und dies nicht erst, wenn er krank sei. Etwa indem der Patient Daten selbst einbinden kann. Laut Kim ist dies mit dem jetzigen Entwurf bereits gewährleistet.

Der Datenschutz ist für Stalder hingegen kein Ausschlusskriterium. Sie zeigte sich davon überzeugt, dass die Lösungen sicher genug seien. Denn auch schon heute sei die Sicherheit nur ein Scheinargument: Man müsse sich bereits heute Datenschutzfragen stellen, denn um diesen Aspekt stehe es momentan nicht zum Besten. Der Versand von Daten per Fax etwa entspreche nicht den Ansprüchen an die Sicherheit.

Podiumsdiskussion zum Schluss

Vor dem Mittagessen und den speziellen Sessions gab es noch ein Podiumsgespräch mit einigen der grosse Schweizer E-Health-Anbieter. Auf der Bühne standen Stefano Santinelli, CEO Swisscom Health, Alexander Mestre, Geschäftsführer Uptime Services, Renato Gunc, Leiter Geschäftsbereich E-Health Post, und Thomas Marko, CEO Bint, Rede und Antwort. Zudem war noch Theo Wilhelm von Icoserve aus Österreich zugegen.

Santinelli wie auch Gunc betonten, dass der Druck – auch wirtschaftlich gesehen – auf die Leistungserbringer noch zu gering sei. Insbesondere die Hausärzte würden sich daher zu wenig bewegen. Anders sehe es hingegen bei den Apothekern, Zahnärzten und in der Medizintechnik aus, sagte Santinelli. Diese würden schon sehr stark auf digitale Lösungen setzen.

Mit den Worten: "Warten Sie nicht auf die goldene Zukunft!", forderte Mestre die Anwesenden zum Handeln auf. Schon heute müssten die Weichen für die Zukunft gestellt werden, auch wenn diese noch sehr ungewiss sei, sagte Santinelli. Daher sei es wichtig, einen Partner zu finden, er auch über einen längeren Zeitraum bestehen könne, sagte Santinelli weiter. Zudem müssten die Systeme für die Zukunft vorbereitet sein, betonte Wilhelm. Beständigkeit und Nachhaltigkeit seien der Schlüssel zum Erfolg.

Meinung des Autors:

Wie den Vorträgen zu entnehmen war, ist die Ausgestaltung des EPDG schon auf einem guten Weg. Auch auf der technischen Seite werden die grössten Knackpunkte bald gelöst sein. Der entscheidende Punkt wird jedoch die Einbindung der Patienten sein. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn der Patient einen Mehrwert für sich sieht und er auch die volle Kontrolle über die Daten hat. Etwa darüber, welcher Arzt für welchen Zeitraum Zugriff auf seine Daten haben darf. Dabei dürfen die Daten nicht einfach "abwandern", sondern sollten stets beim Patienten verblieben.

Die informationelle Selbstbestimmung könnte erheblich zur Akzeptanz des EPDs beitragen. Die Schwierigkeit besteht darin, den Patienten in diesen Prozess einzubinden. Er ist zumeist kein Arzt und weiss nicht, welche Daten der behandelnde Arzt benötigt. Dies zu ermitteln und dem Arzt einen Überblick über (keinen Einblick in) die vorhandenen Daten zu ermöglichen, wird entscheidend sein.

Am diesjährigen E-Health Forum wurden diese Fragen noch nicht diskutiert. Spätestens an der nächsten Veranstaltung sollten sich die führenden Hersteller und Akteure darauf vorbereiten. Denn ansonsten wird es dem Patienten nur schwer zu vermitteln sein, warum er seine Daten in einer elektronischen Plattform lagern soll.

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