Ralf Morawietz, Panalpina

"Die Trennung zwischen IT und Business existiert für mich nicht"

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Ralf Morawietz verantwortet die IT bei Panalpina, einem der weltweit grössten Transport- und Logistikunternehmen. ­Morawietz setzt insbesondere auf die Verschränkung von IT und Business. Das kommt an.

Ralf Morawietz verantwortet die IT bei Panalpina.
Ralf Morawietz verantwortet die IT bei Panalpina.

Sie haben im Herbst des vergangenen Jahres ihre Arbeit bei Panalpina aufgenommen. Wie haben Sie die IT des Unternehmens vorgefunden?

Ralf Morawietz: Ich habe die Unternehmens-IT sehr stabil vorgefunden. Eskalationen, die den Betrieb hätten lahmlegen können, gab es keine. Probleme wurden umgehend von unserer Run-Organisation, die den Betrieb intern gewährleistet, aus der Welt geschafft.

Gab es auch Schwierigkeiten?

Die Abstimmung von IT und Business war zu wenig stark ausgeprägt. Die IT war nicht eng genug am Business dran.

Wie meinen Sie das?

In manchen Bereichen fehlten dedizierte Kontakte im Business. Zu den Kernprodukten Luft- und Seefracht gab es keine speziellen Ansprechpartner in der IT. Letztlich ist es so, dass sich die IT in Unternehmen wie dem unseren grundsätzlich anders als bisher aufstellen muss. Wir sind heute nicht einfach eine Betriebseinheit, die eine Infrastruktur betreut. Stattdessen sind wir ein elementarer Bestandteil des Geschäftserfolgs. Wir müssen wissen, wo die Probleme liegen, wie wir den Betrieb unterstützen und wo wir innovative IT-Lösungen anbieten können, um das Business vo­ranzubringen.

Wie sieht es heute bei Panalpina aus?

Die Lücke zwischen IT und Business ist teilweise noch vorhanden, aber wir sind daran, diese weiter zu schliessen. Hierfür organisierten wir die IT-Führungsschichten neu. Wir stellten im Mai unsere Struktur um. Seither arbeiten wir enger mit den internen Kunden aus dem Business zusammen, entwickeln die Lösungen, die sie benötigen, und stellen diese bereit.

Wie ist das Feedback?

Die Rückmeldungen aus der IT, aber insbesondere aus dem Business, waren bisher ausschliesslich positiv. Alle haben gemerkt, dass mit der Umstellung ein neuer Schwung Einzug hält, dass Projekte eine neue Qualität erhalten. Das ist mir extrem wichtig, da ich bei Panalpina nicht nur als IT-Chef angestellt, sondern auch Mitglied der Geschäftsleitung bin, dem die IT anvertraut wurde.

Weshalb hat das vorher nicht funktioniert?

Das ist ein Strategiewandel, der mit mir in das Unternehmen einzog: weg vom Outsourcing und hin zu einer ausgewogenen Strategie, die letztlich das Outsourcing von Commodities sowie das Insourcing von Kernkompetenzen beinhaltet. Wir holen damit abgegebenes Know-how wieder zurück ins Unternehmen, um unseren internen Kunden Daten in Echtzeit bereitzustellen.

Wie gehen Sie dabei vor?

Die Trennung zwischen IT und Business, die in vielen Unternehmen noch vorhanden ist, existiert für mich nicht. Ich sehe mich ganz klar als Teil der Businessorganisation, da ich ja als Geschäftsleitungsmitglied die Verantwortung für das gesamte Unternehmen mittrage. Ich muss betriebswirtschaftliche Entscheide treffen, und wenn ich mich nur auf die IT konzentriere, kann ich das nicht. Es widerspricht zudem meinem persönlichen Wesen. Deshalb ist es mir so wichtig, dass ich diese aus meiner Sicht artifizielle Spaltung zwischen IT und Business aufhebe und beides wieder eng zusammenführe.

Panalpina ist daran, ein grosses SAP-Projekt umzusetzen. Welche Ziele verfolgt das Unternehmen damit?

Wir trafen vor einigen Jahren die Entscheidung, auf Produkte von SAP zu setzen, um unsere Kernproduktionssysteme für die Luft- und Seefracht auf SAP TM zu standardisieren. Wir haben das Projekt 2008 begonnen und in zwei grossen Schüben ausgerollt. Mit SAP TM Version 8.5 gaben wir die Funktionen für die Seefracht frei. Mit Version 9.1 kamen die Funktionen für die Luftfracht hinzu. Wir passten das SAP-System hierfür unseren Bedürfnissen an.

Inwiefern?

SAP TM wurde in der Vergangenheit hauptsächlich von den Versendern auf der Planungsebene eingesetzt. Das Modul, das wir heute nutzen, wurde hauptsächlich mit Panalpina entwickelt. Derzeit sind wir der grösste Nutzer dieses SAP-TM-Produkts weltweit. So gesehen ist Panalpina auch Pionier in diesem Bereich.

Was waren die grössten Hürden auf dem Weg zum Rollout?

Zum einen, dass es kein fertiges Produkt war, das sich seit 20 Jahren am Markt behaupten musste und entsprechend gereift und robust war. Zum anderen ist für uns als Panalpina die Rigidität, die SAP mit sich bringt, ebenfalls eine He­rausforderung. SAP hat einen sehr prozessorientierten Ansatz und achtet enorm auf die Qualität der Daten. Das machte es wiederum erforderlich, dass unser iterativer Change-Management-Prozess voranschreitet. Auf der einen Seite musste die Software stabiler werden, auf der anderen Seite mussten wir unsere Mitarbeiter schulen, damit sie mit dem System so effizient wie möglich arbeiten können.

Wie macht sich das im Alltag bemerkbar?

Das spürt man insofern, als dass der Umstieg auf SAP TM 9.1 für die Mitarbeiter aus der Seefracht, die auf der Version 8.5 unterwegs waren, leichter war als für jene, die jetzt erstmals mit 9.1 in Berührung kamen.

Wie verlief der Start?

Wir sind kürzlich in unseren Pilotländern Schweiz und Singapur live gegangen. Das Feedback der Anwender in den Pilotländern ist durchweg positiv. Unsere Kunden haben zudem vom Wechsel kaum etwas bemerkt, was wünschenswert war. Nun bereiten wir den Start in den nächsten Ländern vor.

Und der Change-Prozess?

Der Change-Prozess läuft gut, weil wir die Anwender frühzeitig in den Fokus gerückt haben. Wichtig ist bei solchen Projekten, dass man breit abgestützte Erfahrungen sammelt, einen Moment innehält und das, was man gelernt hat, in das System und die Prozesse einfliessen lässt und dann erst weitermacht. Diese kontinuierliche Verbesserung, die Fähigkeit der Organisatoin, sich selbst immer wieder infrage zu stellen, ist wichtig.

Welche Bedeutung hat IT für einen Logistikdienstleister?

Die Frage klingt zwar einfach, ist aber schwierig zu beantworten.

Weshalb?

Gerade in unserer Industrie ist es möglich, auf einfache Art und ohne aufwändige IT-Unterstützung zu operieren. Zwei Personen auf unterschiedlichen Kontinenten können mit ihren PCs und per E-Mail bereits anfangen, Container als Seefracht zu versenden. Sobald man in unsere Dimensionen vorstösst, ist es im Logistik-Geschäft hingegen unmöglich, ohne umfangreiche IT-Unterstützung aktiv zu sein.

Was meinen Sie damit genau?

Wir sind ein Datenhub. Wir saugen Informationen auf, geben diese weiter und stellen über unsere IT sicher, dass der Informationsfluss so effizient wie möglich ist. Auf diese Weise wollen wir sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern die für sie relevanten Informationen zur richtigen Zeit erhalten. Dafür ist IT elementar. Das liegt an unseren Kunden, aber auch an der Geschwindigkeit, die wir brauchen, um Informationen an unsere Partner zu liefern, von ihnen aufzunehmen und an die Kunden weiterzuleiten.

Sie betonen die Verschränkung des Business mit der IT. Inwieweit ist das der Digitalisierung geschuldet?

Das ist völlig unabhängig vom Digitalisierungstrend.

Warum?

Ich bin seit 2002 in der Logistikindustrie. Seither verfolgt mich das Thema der Aufbereitung und Bereitstellung von Daten in Echtzeit. Das Thema hat sich seither nicht verändert. Das ist das Ernüchternde an der Sache: Wir reden seither immer wieder über alten Wein in neuen Schläuchen. Das Thema der Digitalisierung beschäftigt IT-Spezialisten seit 10 bis 15 Jahren. Was sich geändert hat, ist die Technologie. Bandbreiten wurden besser, Systeme kleiner, die Verfügbarkeiten sind besser. Aber all das macht die Datenströme nicht besser.

Woran liegt das?

Weil der Informationsfluss, der hereinkommt, strukturiert, analysiert und verstanden werden muss. Ich bezweifle, dass viele Firmen den Reifegrad mitbringen, um mit diesen Informationen richtig umzugehen. Vor zwei Jahren war der grosse Trend Big Data. Ohne Big Data könnten Unternehmen quasi dichtmachen, lautete der Tenor. Heute haben viele Firmen riesige Big-Data-Systeme, aber kaum jemanden, der weiss, was man mit ihnen anfangen soll. Ich glaube, da tun wir uns selbst keinen Gefallen, wenn wir einem Trend hinterherlaufen und dabei vergessen, das zu tun, was wir eigentlich machen sollten. Nämlich eine solide Plattform bauen, Verständnis schaffen, die richtigen Leute zusammenbringen und letztlich aus den vorhandenen Daten Informationen gewinnen.

Was ist wichtiger? Der Waren- oder der Informationsfluss?

Wir besitzen weder Schiffe noch Flugzeuge. In der Branche gelten wir daher als Asset-light. Wir sind im Wesentlichen ein Informations- und Service-Broker. Wir kaufen Leistungen ein und erstellen aus diesen ein Portfolio für unseren jeweiligen Kunden. Etwa Waren abholen, konsolidieren, transportieren und wieder ausliefern. Auch die Verzollung und weitere logistische Mehrtwertdienste bis hin zur Endmontage von Halbfabrikaten gehören dazu. Für den Kunden ist es entscheidend, dass er zum richtigen Zeitpunkt die richtige Information über seine Produkte in der Lieferkette hat. Das Stichwort heisst Visibilität. Sie erlaubt es, in Ausnahmesituationen sofort zu handeln.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wenn eine Ölfirma auf ein Bohrgestänge warten muss, kann diese Verzögerung rasch sehr teuer werden. Die Firma möchte deshalb sofort Bescheid wissen, wenn es zu Verspätungen bei der Anlieferung auf einer Bohrinsel kommen könnte. Mit dem frühzeitigen Eingreifen können Verzögerungen und die damit verbundenen hohen Kosten dann womöglich abgewendet werden. Insofern kann der Informationsfluss schon heute wichtiger und wertvoller sein als der eigentliche Warenfluss.

Wie bewerkstelligen Sie das?

Es geht darum, aus dem Strom an Informationen jene he­rauszupicken, die wichtig sind, um zeitnah handeln zu können. Je mehr Informationen ein Kunde erhält, desto wichtiger wird es für ihn, Ausnahmen von der Regel zu erkennen, damit die richtigen Systeme und Ansprechpartner sofort aktiviert werden können.

Womit wir erneut beim Thema Big Data wären.

Wir evaluieren, wo uns Big Data helfen kann. Wir müssen zunächst die Frage beantworten, welches konkrete Businessproblem wir lösen wollen. Um zu zeigen, dass die Analysewerkzeuge, die es gibt, auch einen betriebswirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen bringen.

Was bereitet Ihnen Freude an Ihrem Beruf?

Ich bin total technologiebegeistert, aber was meinen Tag zu einem guten Tag macht, ist der Austausch mit Menschen, die Arbeit mit Menschen, die Weiterentwicklung von Menschen und der Erfolg als Team. Das macht mir Freude.

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