Kolumne

Spielen Sie Pokémon Go!

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von Peter Hogenkamp, CEO der Scope Content AG

Alle suchen nach Managern des digitalen Wandels. Noch dringender als den «Head of Digital» braucht es aber eine ­Geschäftsleitung mit Neugier und Spieltrieb.

Peter Hogenkamp, CEO der Scope Content AG
Peter Hogenkamp, CEO der Scope Content AG

Apple-Gründer Steve Jobs hat viele Spuren hinterlassen. Seine Rede «Stay hungry, stay foolish» vom Juni 2005 an der Stanford-Universität wurde Teil seines Ver­mächt­nisses. In «Connecting the Dots» sprach er über vermeintliche Zeitverschwendung, die sich erst im Nachhinein wie ein Bild zusammenfüge – wie sein Kalligrafie-Kurs an der Uni, der ihm zehn Jahre später half, den ersten Macintosh zu entwickeln. Auch wenn die meisten von uns nicht mehrere Branchen revolutionieren: An dieser Sichtweise ist viel dran.

Ich habe mich immer für Computer interessiert und ab dem Commodore 64 in den Achtzigern ständig neue «Gadgets» gekauft, etwa meinen ersten Personal Digital Assistant (Palm Pilot, 1995, zirka 600 Franken) oder ersten MP3-Player (Diamond Rio, 1998, 64 MB Speicherplatz = ein Dutzend Lieder, zirka 450 Franken). Der «Early Mover Penalty», die Bestrafung dafür, dass man zu den Ersten gehört, ist immer präsent. Wie viel günstiger käme es, wenn man einfach ein paar Jahre warten könnte, bis die Massen nachrücken – oder sich das Thema erledigt hat.

Zugegeben: Mein Fortschrittsglaube hat etwas Naives. Aber ist das Gegenteil besser? Der Manager, der dem neuen Digitalchef zum Einstieg sagt: «Ich bräuchte das ja nicht, aber die jungen Leute sind leider anders, für die müssen jetzt halt Sie etwas tun.» Doch niemand wird den armen Tropf ernst nehmen, wenn jeder weiss, dass sein Chef die Digitalisierung eigentlich nur als notwendiges Übel sieht. (Das gilt natürlich auch für Frauen, doch leider sind diese Rollen immer noch meist von Männern besetzt). Und auch Sie: Tun Sie etwas! Rutschen Sie auf der Innovationskurve ein Stück nach links, auf das holprige Terrain der Early Adop­ters! Fünf Ideen:

  1. Kaufen Sie sich ein Virtual-Reality-Headset. Die Budget-Variante: Google Cardboard (15 Dollar). Kürzlich hat sogar der «Blick» 30 000 gratis an Bahnhöfen verteilt; mit etwas mehr Budget: HTC Vive (1000 Euro plus allenfalls ein neuer, leistungsstarker PC).

  2. Arbeiten Sie eine Woche lang nur mit mobilen Geräten – wozu ich nicht den Windows-Laptop zählen würde, aber: Ihr Smartphone, ein Tablet (haben Sie beides schon) oder ein Chromebook (ab 300 Franken). Nebenbei testen Sie, wie gut Ihre eigenen Angebote damit funktionieren.

  3. Setzen Sie sich ein paar Tage in einen Co-Working-Space und schauen Sie zu, wie die Hipster dort arbeiten. Kosten: ab zirka 15 Franken pro Tag. Achtung: Sie laufen Gefahr, geduzt zu werden.

  4. Kaufen Sie sich eine Drohne (gute sind ab rund 1000 Franken zu haben) und/oder eine 360-Grad-Kamera (ab 300 Franken), filmen Sie Ihre Welt von oben oder in die Runde, laden Sie das Ergebnis auf Youtube. Fortgeschrittene schauen es mit dem VR-Set von Punkt 1 an.

  5. Spielen Sie Pokémon Go! Es kostet nichts, es ist einfach, Sie kommen an die frische Luft und können endlich mitreden (oder wissend schweigen). «Augmented Reality», also über die reale Welt eine virtuelle Schicht zu legen, ist schon seit Jahren ein Thema – hier kommt endlich die erste Anwendung, die Spass macht.

Alle Punkte haben eines gemeinsam: Ich habe keine Ahnung, ob und wann sie relevant für Ihr Geschäft werden könnten. Nehmen Sie sich trotzdem Ihren «Steve-Jobs-Tag» und genies­sen Sie es, zur Abwechslung etwas vermeintlich Nutzloses zu tun. Wenn Sie mutig sind, nehmen Sie die ganze Geschäftsleitung mit. Ich möchte wetten, dass Sie irgendetwas erleben, das Ihnen einen geschäftlichen Impuls geben wird. Und der ist womöglich wichtiger als jeder neue Digitalchef.

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NW151604