Wild Card

Nicht die Kultur, sondern die Umsetzung verspeist die Strategie zum Frühstück

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Was braucht’s für den Unternehmenserfolg im Zeitalter der Digitalisierung? Eine sinnvolle Strategie oder die passende ­Unternehmenskultur? Beide sind wichtig. Aber noch wichtiger ist die professionelle Umsetzung der Strategie in allen ­Details. Denn da kann vieles schiefgehen.

Christof Zogg ist Director Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)
Christof Zogg ist Director Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)

Eine der Top-10-Management-Floskeln, die ich nicht mehr hören kann, ist Peter Druckers «Culture eats strategy for breakfast», angewandt auf die Digitalisierung. Falls der Papst der modernen Unternehmensführung das wirklich gesagt hat (im Web herrscht Uneinigkeit): Ist dem wirklich so?

It’s a wanderful world

Nehmen wir als Beispiel eine Wandergruppe. Diese plant eine Tour nach Gimmelwald. Die Route trugen sie auf ihrer Wanderkarte ein (ich weiss, auch dafür gäbe es heute eine App). Das ist die Strategie der Wandergruppe. Die Mitglieder verstehen sich untereinander prächtig. Im Ernstfall – sagen wir, jemand hätte unterwegs seine Feldflasche verloren – hilft man sich gegenseitig aus, etwa mit einem Schluck ungesüsstem Hüttentee. Dieser Teamspirit ist die Kultur der Gruppe. Hätte der Kartenführer aber fälschlicherweise Grindelwald statt Gimmelwald auf der Karte eingetragen – also quasi die falsche Strategie gewählt –, was nützte dann der ganze Teamgeist? Die Moral der Gruppe wäre immer noch intakt. Die Gruppe würde jedoch ihr Ziel nie erreichen.

Doch auch mit dem richtigen Ziel kann einiges schiefgehen. Angenommen, ein Mitglied liest die Checkliste nicht genau und packt statt der Bergschuhe die Turnschuhe ein: Dann wird’s schwierig für die Montage der Steigeisen. Wir sehen also: Den richtigen Plan zu haben, ist immer wichtig, doch es ist nicht die Kultur, die den Erfolg einer Strategie sichert, sondern deren professionelle Umsetzung.

Strategie ist gut, Umsetzung ist besser

Denn nicht selten scheitert die richtige Digital- oder Produktstrategie an mangelhafter Umsetzung. Als ehemaliger Microsoftie weiss ich, wovon ich rede. Mindestens drei Mal verhaute das Unternehmen eine goldrichtige Produktstrategie ziemlich spektakulär in der Umsetzung. Etwa beim Tablet (primär aufs Eingabemedium Stift statt auf Touch gesetzt), beim Smartphone (ein Desktop-Betriebssystem in einen Smartphone-Screen gezwängt) und beim Car Entertainment (keine Allianzen geschmiedet und das Smartphone nicht ins Konzept integriert).

Doch dafür gibt’s auch aktuellere Beispiele aus hiesigen Gefilden. Sagen wir, eine Zürcher Qualitätszeitung mit internationaler Ausstrahlung will die Webuser nicht länger mit Gratis-Inhalten beliefern. Nach zehn kostenlosen Schnupperartikeln pro Monat soll Schluss sein und der Leser seine Kreditkarte zücken. Eine solche Paywall wäre eine vernünftige und nachvollziehbare Strategie. Doch was ist, wenn man das, wie NZZ.ch, mit einem einfachen Cookie-Mechanismus löst? Das wäre eine sehr mittelmäs­sige Umsetzung. Denn die liesse sich mit der Nutzung des ln-Private-Modus im Internet Explorer beziehungsweise des Incognito-Fensters in Google Chrome von jedem Gelegenheits-Leser locker aushebeln.

Meine Empfehlung lautet deshalb kurz und knapp: Personen mit digitaler Unternehmensverantwortung sollten möglichst wenig über Digitalisierungs-Bonmots nachdenken und möglichst viel Energie in die Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategie investieren. Dazu braucht es technische Readiness und engen Kontakt mit den Usern. Die tägliche Lektüre der Appstore-Kommentare und Kundendienst-Feedbacks ist dafür schon mal ein guter Anfang. Ich kann sie, wie der geübte Bergwanderer die Windjacke, wärmstens empfehlen.

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