Wild Card von André Golliez

Ein Schweizer Datenraum als Perspektive

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Der Bundesrat hat 2015 die Expertengruppe "Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit" eingesetzt. In ihrem ­Bericht geben die Experten allerdings Empfehlungen ohne Priorisierung ab. Wie sind diese zu werten?

Gegen seinen Willen hat der Bundesrat nach einem entsprechenden Parlamentsentscheid im August 2015 die Expertengruppe "Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit" eingesetzt. Deren Bericht wurde im August 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Bundesrat beauftragte anschliessend das UVEK damit, bis Mitte 2019 die insgesamt 51 Empfehlungen zu analysieren und entsprechende Folgearbeiten vorzuschlagen. Wie ist dieser Bericht zu beurteilen?

Grundsätzlich positiv. Das Dokument ist trotz seines Umfanges (knapp 200 Seiten) lesenswert und deckt die Thematik "Datenbearbeitung und Datensicherheit" umfassend ab. Die Empfehlungen sind durchdacht und grösstenteils sinnvoll. Es besteht allerdings die Gefahr, sich in der Vielfalt der einzelnen Analysefelder und Empfehlungen zu verlieren und vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Es ist daher erstaunlich, dass die Expertengruppe darauf verzichtet hat, die Empfehlungen zu priorisieren, und diese Aufgabe lieber dem Bundesrat überlässt. Zudem fällt auf, dass sich die Empfehlungen ausschliesslich an Bund und Kantone richten.

Der Bericht hält zu Recht fest, dass Handlungsbedarf besteht. Die Entwicklungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass in der digitalen Welt die Ansprüche des Individuums auf Schutz der Privatsphäre und faire Beteiligung an der Verwertung der persönlichen Daten oftmals nicht gewährleistet sind. Globale Plattformen nutzen personenbezogene Daten trotz anderslautender Beteuerungen für ihre äussert erfolgreichen Geschäftsmodelle und untergraben damit das Vertrauen in digitale Dienstleistungen (Stichwort: Facebook/Cambridge-Analytica-Skandal). Autoritäre Regierungen scheuen sich nicht, digitale Systeme in grossem Stil zu manipulieren und Daten zu verfälschen, um in anderen Ländern destruktiv politisch Einfluss zu nehmen. Ein globaler digitaler Raum, in dem die Rechte der Individuen und der Unternehmen effektiv geschützt werden und ethische Regeln für den Umgang mit Daten Geltung haben, ist zwar sicher wünschenswert, liegt aber offensichtlich in weiter Ferne. Einzig die Einführung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) im Mai 2018 ist ein Lichtblick, muss sich in der Praxis aber erst noch bewähren.

Die Schweiz steht – wie andere Länder auch – vor der strategischen Frage, wie die Einhaltung rechtlicher und ethischer Regeln im Umgang mit Daten gewährleistet werden kann und Verstösse gegen diese Regeln wirkungsvoll zu sanktionieren sind. Dabei sind die erwähnten negativen Entwicklungen auf globaler Ebene als Gegebenheiten zu akzeptieren und die nationalen Handlungsoptionen vor diesem Hintergrund zu prüfen. Zwischen digitalem Idealismus (weltweite Proklamation und Durchsetzung digitaler Menschenrechte) und digitalem Fatalismus (die digitale Welt wird überall von geldgierigen globalen Konzernen und dikatorischen Mächten beherrscht) ist ein pragmatischer und konstruktiver Weg möglich: ein geschützter und vertrauenswürdiger Datenraum, zu dem sich die Verwaltungen und Unternehmen der Schweiz zusammenschliessen. Mit dieser Perspektive sind die Empfehlungen der Expertengruppe zu beurteilen, zu priorisieren und umzusetzen.

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