Wild Card von Daniel Liebhart

Der langsame Abschied der grossen ­alten Dame

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Die Software AG – was für ein stolzer Name für eine Firma in unserer Branche. Nächstes Jahr wäre die Vorreiterin der ­europäischen Softwareindustrie stolze 55 Jahre alt geworden. Doch es sollte nicht sein.

(Source: tang90246 - stock.adobe.com)
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Am 30.5.1969 wurde die Software AG als Spin-off des Beratungsunternehmens AIV (Institut für Angewandte Informationsverarbeitung) gegründet. Sie war das erste IT-Unternehmen, das nur Software herstellte und damit die damals übliche Kombination von Hardware, Software und Dienstleistungen aufbrach. Die Firma gilt aus diesem Grund als Vorreiterin der Softwarebranche. 

Die ersten Jahre waren geprägt von der Entwicklung des Datenbanksystems Adabas (Adaptable Database System). «Die erste Installation von Adabas 1971 bei der Westdeutschen Landesbank in Düsseldorf fand auf einem ‹IBM-Grosscomputer› mit 512 kB Hauptspeicher statt», sagte der Entwicklungsleiter und spätere Hauptaktionär Peter Schnell in einem Interview. Dieses Produkt in Kombination mit der 4GL-Entwicklungsumgebung Natural war der Schlüssel für den internationalen Erfolg in den ersten Jahren des Unternehmens. Aus technischer Sicht war Adabas ein wichtiger Zwischenschritt von den hierarchischen Datenbanken der 60er-Jahre zu den relationalen Datenbanken der 80er-Jahre. Aus Vertriebssicht war das unübliche Vorgehen des Unternehmens, direkt in die USA und nach Japan zu expandieren, statt schrittweise mit den Nachbarländern zu beginnen, ein zentraler Erfolgsfaktor. Damit hat die Software AG die «Born Global»-Strategie geprägt. 

Wachstum durch Zukäufe

Die Spezialisierung auf die reine Produktentwicklung war gemäss Timo Leimbach, Autor des Buches «Die Geschichte der Softwarebranche in Deutschland», der wichtigste Grund dafür, dass sich die Software AG 20 Jahre nach ihrer Gründung als grösstes Softwareunternehmen Deutschlands feiern lassen konnte. Allerdings hat das Aufkommen der relationalen Datenbanken und der Abfragesprache SQL sowie die zunehmende Dezentralisierung von Rechnerressourcen die Erfolgsgeschichte des Unternehmens still und leise beendet. Zu spät erfolgte der Umstieg auf moderne Technologien. Das Unternehmen entwickelte sich bis zum Börsengang 1999 technologisch seitwärts und wuchs anschlies­send vorwiegend durch Zukäufe. So wurden etwa nach den branchenweiten Krisenjahren die beiden Unternehmen Web­methods und IDS Scheer zugekauft. Diese und andere Zukäufe sind für ein Umsatzwachstum von mehr als 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2010 verantwortlich. Ein höheres Wachstum konnte seither nicht mehr erzielt werden. 

Eine komplizierte Geschichte

Seit 2010 ist es still geworden um das Unternehmen. Der Umsatz (0,95 Milliarden Euro im Jahr 2022) bewegt sich so wenig wie sich das Unternehmen bewegt. Das Einbringen sämtlicher Aktien des Unternehmens in eine eigenständige und gemeinnützige anthroposophische Förderstiftung war der Beweglichkeit des Unternehmens offenbar auch nicht förderlich. Längst haben Konkurrenten wie Oracle oder SAP die Software AG abgehängt. Heute erzielen diese Unternehmen 30- bis 40-mal mehr Umsatz. Und nun noch dies: Der Technologieinvestor Silver Lake übernahm die Mehrheit und lässt die grosse alte Dame der europäischen Softwareindustrie von der Börse und wahrscheinlich auch von der Bildfläche verschwinden. Wir sind traurig und winken zum Abschied.

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