Sherpany von Agilentia

Mit Tablet anstatt Bundesordner zur Verwaltungsratssitzung

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Als Anleger störte es Agilentia-Mitgründer Tobias Häckermann, dass die Kommunikation mit Unternehmen offline ablief. 2010 trat er mit Roman Bühler und Nathanael Wettstein an, diesen Mangel zu beheben. Inzwischen hat das Start-up auch eine Platform-as-a-Service-Lösung für Verwaltungsräte entwickelt.

Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer Serie über Schweizer IT-Start-ups. Die Netzwoche wird darin mit Unterstützung des Instituts für Jungunternehmen (IFJ) sowohl über Newcomer als auch etablierte Schweizer Start-up-Grössen berichten.

Geht es nach Tobias Häckermann, CEO und Mitgründer des Zürcher Start-ups Agilentia, sollen Aktionäre und Verwaltungsräte künftig ihre Geschäfte vollständig online erledigen können. Das Start-up bietet Platform-as-a-Service-Lösungen für die Kommunikation zwischen Aktionären und Unternehmen ("Sherpany for Shareholders") sowie eine für die Kommunikation unter den Verwaltungsratsmitgliedern ("Sherpany for Board") an. Bei der ersten Lösung handelt es sich um die seit der Unternehmensgründung 2010 als "onlineGV" bekannte Plattform. Die zweite Lösung ging Ende 2011 in Entwicklung und stand im Frühling 2012 den ersten grossen Unternehmen zur Verfügung.

Ob die potenziell ältere Klientel dazu bereit ist, für die Finanzgeschäfte eine Onlinelösung zu nutzen? Häckermann ist zuversichtlich: "Das Nutzen von Onlinediensten ist je länger je mehr eine Typenfrage und weniger eine Altersfrage." Aktuelle Zahlen von Bernet PR und Serranegta zeigen, dass Facebook in der Schweiz im dritten Quartal 2012 rund 5 Prozent Nutzer dazugewonnen hat. Der Trend bezüglich der Altersgruppen bleibt konstant: Die jüngeren Nutzer, allen voran die unter 15-Jährigen, kehren Facebook den Rücken. Dagegen nimmt die Zahl der über 30-jährigen aktiven Nutzer am stärksten zu. Selbst die Gruppe der über 50-Jährigen wuchs um 6 Prozent.

Vom Anleger zum Unternehmer

Die Idee für das Unternehmen hatten der ehemalige Jus-Student Häckermann und sein Studienkollege Roman Bühler während des Studiums an der Universität Zürich. "Ich war bereits als Student mit einigen wenigen Titeln Privatanleger", sagt Häckermann. Sowohl die Einladungen für die Generalversammlungen wie überhaupt die gesamte Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Aktionären liefen dabei komplett offline ab. Das störte ihn: "Ich habe mich immer wieder gefragt, weshalb es keine Möglichkeit gibt, diese Interaktionen online zu erledigen." Häckermann und Bühler klärten daraufhin die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Plattform ab. Zusätzlich holten sie den Entwickler Nathanael Wettstein von der ETH Zürich ins Boot, den sie bereits von einem früheren Online-Plattform-Projekt kannten.

Im Verlauf des Jahres 2010 kontaktierten die Unternehmer potenzielle Business-Angels respektive Beiräte. Dabei konnten sie als Erstes Rolf Watter gewinnen, der selbst in mehreren Verwaltungsräten Mitglied war und deshalb den Nutzen der Plattform aus erster Hand beurteilen konnte. Kurze Zeit später kamen der ehemalige Google-Schweiz-Chef Andreas Schönenberger und der emeritierte Finanzprofessor Rudolf Volkart dazu. Im Herbst 2010 wurde Agilentia dann gegründet. Die Beiräte waren es schliesslich, die die Türen zu den ersten Kunden aufstiessen. "Heute kontaktieren uns grosse Unternehmen von sich aus, um Informationen über Sherpany zu erhalten." Aktuell arbeiten fünf Mitarbeiter im Kernteam von Agilentia. Dazu kommt eine Handvoll externer Entwickler und Designer.

Moderne Corporate Governance

Obwohl die Plattform mit E-Banking-Standards arbeitet, stösst Häckermann bei potenziellen Kunden immer wieder auf Vorbehalte. Dabei verweist er auf die Vorteile der Onlineabwicklung einer modernen Aktionärskommunikation. "Für die Gesellschaften ist es nicht nur eine Effizienzsteigerung. Ein Unternehmen kann seine Reputation steigern, indem es zeigt, dass es eine moderne Corporate Governance hat und auf eine moderne Aktionärskommunikation setzt." Dasselbe gelte innerhalb des Verwaltungsrats. "Es kann ja nicht sein, dass die Verwaltungsratsmitglieder für jede Sitzung den ganzen Tag einen Bundesordner mitschleppen müssen."

Für diese Lösung arbeiten sie auch mit Ansätzen von Google. Auf "Sherpany for Board" gibt es kein Ordnersystem mehr, sondern ein Label-System mit einer ausgeklügelten Suchfunktion. Zusätzlich gibt es laut Häckermann Sortierfunktionen und eine Timeline (inspiriert von Facebook). Es gehe darum, die Prozesse und die Arbeitsweise von Entscheidungsgremien auf der Plattform abzubilden. "Verwaltungsräte denken in Meetings, nicht in Kategorien oder Unterordnern." Häckermann ist derzeit damit beschäftigt, den bisherigen Proof-of-Concept in eine Wachstumsstrategie zu überführen. Bis Ende 2014 soll das Start-up den Break-even schaffen.