Thema IT-Infrastruktur

Spagat zwischen Inhouse und Outsourcing

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Firmen wollen ihre IT auslagern, um effizienter arbeiten zu können. Damit verlieren sie aber auch einen Teil ihrer Autonomie. Ob das gut ist, muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden.

Eine Outsourcing-Beziehung definiert sich einerseits durch die Qualität der Dienstleistungen, die ein Outsourcing-Partner für seinen Kunden erbringt. Andererseits aber auch durch die Beziehung zwischen den beiden Unternehmen. Basiert diese nicht auf Vertrauen, kann es nur schlecht funktionieren. Das bestätigt Marcel Ryser, Leiter Informatik von EWL Energie Wasser Luzern. Der Energiedienstleister hat vor rund zwei Jahren praktisch seine ganze IT an den Outsourcing-Dienstleister iSource ausgelagert. Die beiden Unternehmen tauschen sich regelmässig im Rahmen von Quartalsmeetings aus und informieren einander über anstehende Projekte. "Wir wollen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, aber die Leistung und der Service müssen auch stimmen", so Ryser. Der Energiedienstleister habe bei der Auswahl des Partners auf das Menschliche geachtet und sei daher auch bei der Umsetzung nicht mit grossen Überraschungen konfrontiert worden.

Schritt für Schritt ausgelagert

Bei EWL werden zwei Netzwerkbereiche betrieben: zum einen der konventionelle Bürobereich, zum anderen der technische Bereich für die Steuerung und Überwachung der Strom-, Gas- und Wassernetze. Früher hatte das Unternehmen nur den konventionellen Teil ausgelagert, den technischen Teil hatte der zuständige Fachbereich selbst betrieben. Heute sind beide Netzwerkbereiche ausgelagert, und die EWL-Informatik erbringt dabei den First Level Support, Projektleitungen und Applikationsverantwortungen. Intern könne EWL somit schnell reagieren, zudem kenne man die Bedürfnisse der Fachabteilungen und wisse auch, wie die Fachapplikationen funktionierten, erklärt Ryser. "Der Outsourcer verfügt nicht über die dazu nötigen applikatorischen Fachkenntnisse." Auch bei der internen Auswahl von Fachapplikationen klärt EWL IT-relevante Fragen selbst ab. Das Backup und die ganzen Serverinfrastrukturen hingegen liegen, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, bei iSource. Die Konfi guration, das Monitoring und der Support der Netzwerkinfrastruktur sind an den Outsourcing-Dienstleister Netcloud ausgelagert.

Einer der Gründe, warum das Unternehmen IT-Dienstleistungen auslagern wollte, war der 24-Stunden-Betrieb, den manche Applikationen erfordern. Allerdings musste EWL dafür einige Hürden überwinden: "Der Datenschutz war ein grosses Th ema und eine Hemmschwelle zugleich. Wir haben uns gefragt, ob wir unsere Systeme wirklich an jemanden rausgeben wollen, der dann einen so tiefen Einblick hat", sagt Ryser. Der Energiedienstleister entschied sich folglich dazu, das Projekt in zwei Schritte zu unterteilen. Zuerst lagerte EWL den Büroteil aus und nutzte die daraus gewonnenen Erfahrungen, um später auch den technischen Teil auszulagern. "Bei der Wahl des Outsourcing-Dienstleisters war es uns wichtig, dass der Partner das technische Verständnis mitbringt und versteht, was wir brauchen", erinnert sich Ryser. Um dies sicherzustellen, erstellte EWL zuerst ein Pflichtenheft und führte daraufhin Workshops mit möglichen Outsourcing-Dienstleistern durch. Bei diesen Workshops sprach EWL intensiv mit den Anwärtern, um herauszufi nden, wie sie in bestimmten Situationen vorgehen würden und machte auch Referenzbesuche bei Kunden, um mehr über den jeweiligen Dienstleister und dessen Serviceleistungen zu erfahren.

Zwischenfall erfolgreich gelöst

Bisher gab es erst einen einzigen grösseren Zwischenfall – und zwar bei der Migration selbst, die an einem Wochenende stattfand. Ein Problem im Active Directory führte dazu, dass der ganze Anmeldeprozess nicht mehr funktionierte. Das Vorgehen zur Lösung des Zwischenfalls bestätigte laut Ryser den Eindruck, den EWL zuvor von seinem Outsourcing- Partner gewonnen hatte. Dieser habe auf transparente Art und Weise informiert und professionell reagiert. Sogar die Geschäftsleitung habe Kontakt mit EWL aufgenommen und vermittelte dem Unternehmen so das Gefühl, beim Outsourcer ein gewisses Gewicht zu haben.

Ryser sieht im Outsourcing einige Vorteile: Grundsätzlich können sich die eigenen IT-Mitarbeiter auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren. Zudem gebe es messbare SLAs. Die Verantwortlichkeiten seien klar und die Kosten transparent. Inhouse sei dies nicht unbedingt sichergestellt. EWL musste zudem nicht personell aufstocken. "Wir haben im Rahmen des Outsourcings alles harmonisiert und standardisiert. Wenn wir einen zusätzlichen Server benötigen, erhalten wir diesen innerhalb kurzer Zeit und sind daher auch flexibel", zählt Ryser weiter auf.

Sich auf das Wesentliche konzentrieren

Auch die Arosa Bergbahnen lagerten ihre IT vor gut zehn Jahren an iSource aus. Damit wollte das Unternehmen den Fokus auf sein Kerngeschäft, sprich einen hochstehenden Gästeservice, legen. Den Betrieb der komplexen IT-Infrastruktur hingegen überlassen die Bergbahnen gerne ihrem Outsourcing-Dienstleister. "Für uns hier in Arosa ist es auch schwierig, Mitarbeiter für den IT-Bereich zu rekrutieren. Man muss ein bisschen der Typ sein, um hier zu leben und zu arbeiten", sagt Roger Schmutz, Leiter Controlling/HR der Arosa Bergbahnen AG. Th eoretisch sei es auch möglich, im städtisch geprägten Chur zu leben und jeden Tag die Stunde nach Arosa zu pendeln. Dabei dürfe man aber die rund 1200 Meter Höhenunterschied nicht vergessen, die der Körper bewältigen muss. Mit einem Outsourcing-Partner habe man dieses Problem nicht, weil die Verantwortung ausgelagert sei. Schmutz ist wie Ryser zufrieden mit dem Entscheid zum Outsourcing und würde sich auch heute wieder so entscheiden. Aber auch er ist der Meinung, dass der Schritt gut überlegt sein muss. Arosa Bergbahnen waren laut Schmutz eine der ersten Bergbahnen, die ihre IT auslagerten. "Im IT-Bereich haben wir aktuell so ziemlich alles ausgelagert und betreiben nun sozusagen nichts mehr inhouse." Die Migration verlief gut. "Es gab anfangs ein paar kleine Kinderkrankheiten, die aber von den Spezialisten von iSource rasch behoben wurden."

Transparente Kommunikation

Letzten Winter verhandelten die beiden Unternehmen ihren Vertrag neu aus. Für die Arosa Berg bahnen stellte sich damals die Frage, ob sie zu einem Outsourcing-Dienstleister wechseln wollten, dessen Standort näher bei Arosa liegt. "Wir haben alles in die Waagschale gelegt und haben uns aus Überzeugung entschieden, bei iSource zu bleiben", resümiert Schmutz. Diese Entscheidungsfi ndung verheimlichten sie ihrem Outsourcing-Partner nicht. "Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, dass man einander vertraut und transparent auftritt", betont Schmutz. "Wir haben ein Mal im Jahr ein Jahresgespräch, das wir in Zürich oder in Arosa durchführen." Ihr Outsourcing-Partner verfüge zudem über ausgeprägtes menschliches Gespür. Dazu gehört zum Beispiel auch der gegenseitige Informationsaustausch in Bezug auf personelle Wechsel. Nebst der IT, die Arosa Bergbahnen ausgelagert hat, wird die Buchhaltung in Laax betreut. Auch die Netzwerkbetreuung hat das Unternehmen an Swisspro ausgelagert. Einzig das Hardwareinventar betreut Arosa Bergbahnen inhouse.

Kostenaufwand in etwa gleich hoch

Was die Kosten betrifft, ist Schmutz mit Ryser einig: "Outsourcing ist sicher nicht gratis, aber man muss wirklich alles anschauen. Würden wir alles selbst machen, müssten wir sicherstellen, dass wir die richtige Hardware und die erforderlichen Lizenzen haben, unsere Mitarbeiter müssten Kurse bei den Anbietern absolvieren und Lohn- und Weiterbildungskosten wären ebenfalls zu tragen. Zählt man alle Investitionen zusammen, kommt man vermutlich in etwa auf den gleichen Betrag, wie wenn man die Dienstleistungen auslagert." Nebst diesen Vorteilen sieht Schmutz als Nachteil des Outsourcings am ehesten noch die Reaktionszeit, betont aber, dass er mit dem Ausdruck "Nachteile" vorsichtig sein möchte. "Ich bin überzeugt davon, dass Outsourcing eine gute Lösung ist und würde unbedingt empfehlen, es zumindest zu prüfen. Klar müssen wir Probleme über das Ticketsystem melden und können es nicht direkt vor Ort lösen." Aber auch hier stelle sich die Frage, ob es in jedem Fall schneller ginge, wenn jemand vor Ort wäre – der Mitarbeiter könnte ja beispielsweise auch krank oder aus anderen Gründen abwesend sein. Zudem müssen die Mitarbeiter der Arosa Bergbahnen nicht wegen jedem kleinen Vorfall gleich bei iSource anrufen. "Wir kennen das System und wissen, wo die Probleme liegen können."

Als wichtig erachtet Schmutz die Art und Weise, wie im Falle eines Problems kommuniziert wird. Gerade für die Wochenenden während der Wintersaison ist ein Pikett-Plan vorhanden, in dem geregelt ist, wer wann auf iSource zugeht. Konkret müssen die Mitarbeiter Probleme erst selbst prüfen und dann intern weiterleiten, damit der jeweils Verantwortliche entscheiden kann, ob er auf den Outsourcer zugeht oder das Problem selbst löst.

Es kann auch schiefgehen

Weniger Glück mit seinem Outsourcing-Partner hat Urs Burkhalter (Name von der Redaktion geändert). Sein Unternehmen ist weltweit tätig und verfügt über rund 1300 Mitarbeiter. Die Datenhaltung der ausgelagerten Daten erfolgt in der Schweiz, was laut Burkhalter eine wichtige Voraussetzung für die Outsourcing- Partnerschaft war. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen besteht seit 2011 und beinhaltet den Betrieb von Microsoft Exchange und Lync. Das Migrationsprojekt lief laut Burkhalter gut, auch die SLAs würden eingehalten, doch im anschliessenden Betrieb stellte sich heraus, dass die Stabilität des Systems nicht so gut war, wie erwartet. Dementsprechend muss nach wie vor ein Mitarbeiter das System überwachen. Zudem wechselten beim Out sourcing-Partner wichtige Ansprechpersonen wie der Support und der Account Manager, was die Kommunikation zwischen den beiden Unternehmen erschwerte.

Derzeit läuft seit sechs Monaten ein Projekt, um die Microsoft-Software serverseitig auf den neuesten Stand zu bringen. "Ich bin sehr überrascht, dass dies so lange dauert", sagt Burkhalter. "Ursprünglich war von wenigen Monaten Projektdauer die Rede." Zudem versteht er nicht, warum es bei gewissen IT-Problemen manchmal mehrere Wochen dauert, bis der Outsourcing-Dienstleister Spezialisten zur Verfügung stellt, um diese zu lösen. Entsprechend regen sich bei Burkhalter Zweifel, ob er als Unternehmenskunde beim Outsourcing-Partner eine genügend grosse Wichtigkeit geniesst. "Wir fühlen uns nicht ernst genommen."

Gespräche gab es viele, geändert habe sich bisher nichts. "Man hat uns aber versprochen, dass der Betrieb nach dem Upgrade besser laufen soll." Doch Burkhalter stellt sich natürlich die Frage, ob er den Vertrag, der Anfang 2015 ausläuft, weiterführen oder kündigen soll. Würde er den Vertrag innerhalb der vertraglich festgelegten Frist von drei Monaten kündigen, würde das Unternehmen seine IT vermutlich wieder inhouse betreiben. Sollte er den Vertrag hingegen weiterführen, müssten einerseits die Stabilität im Betrieb und andererseits der Support besser werden. "Teilweise kam es vor, dass wir ein Ticket generierten, aber keine Reaktion erfolgte. Als wir dann anriefen, um zu fragen, was los sei, fanden sie nicht einmal mehr das Ticket."

Welche Services sind geschäftskritisch?

Heute weiss Burkhalter, dass der E-Mail-Verkehr zu den geschäftskritischen Services gehört und die Abhängigkeit von diesem Kommunikationskanal in seinem Unternehmen unterschätzt wurde. Anderen Unternehmen, die ihre IT ebenfalls auslagern wollen, würde er ans Herz legen, ihre Applikationslandschaft zu priorisieren. Nur diejenigen Applikationen mit niedriger Priorität sollten ausgelagert werden. "Beispielsweise würde ich nie ein ERP auslagern", zeigt sich Burkhalter überzeugt, da er das Prozess Know-how im Haus behalten will. Zusätzlich ist es wichtig, das gesamte Outsourcing-Projekt wirklich zu Ende zu denken. "Man muss sich im Klaren sein, wer intern dafür verantwortlich ist, den Outsourcer betreut und die Einhaltung der SLA kontrolliert." Solche Dinge gingen oft vergessen. Ausserdem müsse sich ein Unternehmen bewusst sein, dass die Qualität der Dienstleistung mit grosser Wahrscheinlichkeit sinken werde. Das habe er auch schon im Gespräch mit anderen IT-Verantwortlichen von international tätigen KMUs bestätigt bekommen. "Statt intern den direkten Weg zu gehen, um ein Problem zu lösen, mache ich den Umweg über den Outsourcer. So geht bei kritischen Applikationen wertvolle Reaktionszeit verloren." Burkhalter weist zudem darauf hin, dass Grösse und Internationalität des Outsourcers zum Auftraggeber passen müssen. "Im Zusammenhang mit der Kommunikation über Lync wurden uns mit 24 Standorten weltweit Verbesserungsmöglichkeiten angeboten, die sich nur auf die Schweiz bezogen."