VMWorld Europe

Applaus für einen Rückzieher und Anzeichen einer Öffnung

Uhr | Aktualisiert

Zwei Zukäufe und ein CEO-Wechsel sorgten bei VMware diesen Sommer für Gesprächsstoff. Über die Hintergründe und Auswirkungen dieser Ereignisse wurde an der VMworld in Barcelona am meisten diskutiert, denn grosse Produktneuheiten hatte das Unternehmen sonst nicht zu verkündigen.

Pat Gelsinger, über 30 Jahre in der Hardwareindustrie tätig, freute sich an der VMworld Europe darüber, ein Softwareunternehmen führen zu dürfen. (Quelle: VMware)
Pat Gelsinger, über 30 Jahre in der Hardwareindustrie tätig, freute sich an der VMworld Europe darüber, ein Softwareunternehmen führen zu dürfen. (Quelle: VMware)

Der Managertausch zwischen EMC und der Tochter VMware respektive Paul Maritz (zu EMC) und Pat Gelsinger (zu VMware) sorgte im Juli für Diskussionsstoff. An der VMworld Europe in Barcelona liess VMware-CEO Gelsinger dann keinen Zweifel daran aufkommen, dass er an der neuen Aufgabe bereits Gefallen gefunden hat. "Es ist spannend, für ein Softwareunternehmen arbeiten zu dürfen", sagte er an seiner Keynote am 9. Oktober. Nach über 30 Jahren Tätigkeit in der IT-Hardware-Industrie könne er jetzt aus der Software-Perspektive auf die Hardware herunterschauen - und müsse nicht mehr aus der Hardware-Perspektive auf die Software hochschauen.

Viele Produktneuheiten zauberte Gelsinger dann allerdings nicht aus dem Hut. Diese waren – wie üblich – vorwiegend den Teilnehmern der VMworld Ende August in den USA, dieses Jahr in San Francisco, vorbehalten. Mit dem VMware vCloud Automation Center 5.1 stellte er immerhin einen Neuzugang in der vCloud Suite vor. Es handelt sich dabei vor allem um das ins eigene Portfolio eingebaute Angebot des im Juni übernommenen Anbieters Dynamic Ops. Das Unternehmen ging ursprünglich als Spin-off aus der Credit Suisse IT hervor. Zudem sprach er über die Updates der vFabric Application Director 5.0, der vCenter Operations Management Suite 5.6 und der IT Business Management Suite 7.5. Für grossen Beifall des Publikums sorgte Gelsinger, als er das Ende von vRAM, dem im vergangenen Jahr eingeführten und äusserst umstrittenen Lizenzmodell, bestätigte.

Folgen der Nicira-Übernahme

Im Sommer war bei VMWare indes nicht nur der CEO-Wechsel ein Thema, sondern auch die Übernahme des SDN-Spezialisten Nicira (SDN = Software Defined Networking, die Red.). Das US-Magazin Business Insider lobte das Unternehmen Anfang dieses Jahres als "VMware im Netzwerkbereich". 2007 gegründet, ist es erst etwas mehr als ein Jahr mit Produkten am Markt und kostete VMware bereits 1,26 Milliarden US-Dollar. Nach der Virtualisierung von CPU, Memory und Storage holt VMware damit einen Netzwerk-Virtualisierer ins Boot. Das Netzwerk sei heute ein Bremser, sagt Rory Choudhuri, Senior Product Marketing Manager, im Interview an der VMworld. Virtuelle Maschinen könne man sich in wenigen Minuten zusammenstellen. Bis jedoch das Netzwerk bereit sei, dauere es oft Tage. Bis wann das Angebot von Nicira in eigene gebrandete Produkte einfliessen werde, konnte Choudhuri nicht sagen.

Betrachtet man die bisherigen Kunden von Nicira – dazu gehören Unternehmen wie Rackspace, Amazon oder Ebay -, dann dürfte klar sein, dass es in der Schweiz auch noch etwas dauern könnte, bis erste Kunden auf die SDN-Lösung setzen werden. Dieser Meinung ist Marcel L. Panholzer, Senior Manager Systems Engineering bei VMware Schweiz: "Für die vielen KMUs in der Schweiz ist die Nicira-Lösung derzeit kein Thema." Zu möglichen Kunden könnten indes zum Beispiel Anbieter von Cloud-Lösungen wie Swisscom, Sunrise, T-Systems oder Orange werden. Würden die Clouds ausgebaut, könnten die Anbieter kein statisches Netzwerk mehr dahinter haben, meint Panholzer. Dieses müsse dann ebenso dynamisch sein.

Öffnung wird positiv beurteilt

Kaum zu überhören war an der VMworld, dass der Virtualisierungsspezialist den IT-Abteilungen zu mehr Serviceorientierung verhelfen will. Choudhuri zitiert dazu eine IDC-Studie, in der Mitarbeiter von IT-Abteilungen und aus dem Business nach deren Nutzung von Public-Cloud-Diensten befragt wurden. Demnach nutzen 93 Prozent der Befragten aus dem Business, jedoch nur 50 Prozent aus den IT-Abteilungen solche Dienste. Bekannt ist, dass diese Dienste oft ohne Kontrolle durch die IT-Abteilungen genutzt werden. Könnten die IT-Abteilungen genügend Dienstleistungen anbieten, so Choudhuri, dann kämen die Mitarbeiter gar nicht erst auf die Idee, selbst nach nützlichen Diensten zu suchen. Sie würden damit die Kontrolle zurückgewinnen.

Für zwei wesentliche Entwicklungsschritte sorgten nebst dem CEO-Wechsel in diesem Jahr insbesondere die Zukäufe von Dynamic Ops und Nicira. Beide stehen nicht zuletzt auch für eine Öffnung von einem proprietären Anbieter zu einem, der auch für Open Source zu haben ist. Wie bereits seit Wochen bekannt ist, unterstützt VMware inzwischen die Openstack-Community, die eine freie Architektur für Cloud Computing zur Verfügung stellt. Panholzer findet diese Entwicklung besonders positiv. Der steigende Multi-Hypervisor- als auch Multi-Cloud-Support werde den VMware-Verantwortlichen und deren Kunden in der Schweiz das Leben erleichtern. Ein grosses Durchatmen sei auch dank des Rückziehers des umstrittenen vRAM-Lizenzmodells zu spüren gewesen. "Es bedeutet für mich, dass das Unternehmen seinen Kunden zuhört und auch rasch reagiert", sagt Panholzer. Das sei nicht selbstverständlich für eine amerikanische Firma in der Grössenordnung von VMware.