Uwe Höhne von IBM im Interview

"Dank dem Mobile-Trend ist Analytics für das operative Business relevanter geworden"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Die Datenberge wachsen, die wirtschaftliche Lage ist unsicher. Es scheint, als würden gute Prognosen für Unternehmen wichtiger denn je. Uwe Höhne, Leiter Business Analytics & Optimization bei IBM, äussert sich im Interview zu aktuellen Trends und sagt, inwiefern mobile Geräte die BI-Welt verändern könnten.

Uwe Höhne, Leiter Business Analytics & Optimization bei IBM
Uwe Höhne, Leiter Business Analytics & Optimization bei IBM

Herr Höhne, einer aktuellen Gartner-Umfrage zufolge ist BI in der technischen Prioritätenliste der CIOs auf den ersten Platz gerückt. Warum ist das so?

BI ist in den letzten Jahren immer weiter nach vorne gerückt und jetzt ganz oben angekommen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist BI ein Kostenfaktor. Bestimmte analytische Fähigkeiten sind heute bereits Commodity in Unternehmen. Das kann man sicher vielerorts noch optimieren. Und zum anderen kann man dank BI Wettbewerbsvorteile generieren. Bei vielen unserer Kunden beobachten wir aktuell eine Investitionsfalle. Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, seine vorhandenen BI-Systeme kostengünstig zu warten, blockiert das etwa Investitionen in zukünftige und zukunftsgerichtete Analysefunktionen.

Welche Entwicklungen sehen Sie denn bei den zukunftsgerichten Analysefunktionen?

Hier sehe ich einen Trend hin zu Risikoprognosen. Analytics hatte bisher vor allem die Aufgabe, Potenziale zu erkennen. Jetzt werden Risikoprognosen wichtiger. Das hat stark mit der Finanzkrise und der allgemeinen Unsicherheit zu tun. Es ist wichtig, dass insbesondere global aufgestellte Unternehmen ein vernünftiges Risikomanagement haben und Risiken schnell identifizieren können. Wenn wir eine Investmentbank nehmen, die mehrere Milliarden Transaktionsvolumina hat, dann hilft es dieser nicht, wenn sie nach einem Monat sagen kann, da oder dort bestand damals ein Risiko. Die Bank muss das heute sehen, um entsprechend reagieren zu können.

Hat denn die Tatsache, dass zuletzt dennoch so viele Institute ins Schlingern geraten sind, auch damit zu tun, dass die bisher eingesetzten Tools noch zu wenig gut sind?

Da gibt es natürlich immer mehrere Gründe. Es sind ja einige Fälle bekannt, wo es Probleme gibt und gab, Risiken zu managen und zu adressieren. Es betrifft ja auch nicht ausschliesslich die Finanzbranche, sondern es gibt etwa auch Risiken bei produktbezogenen Geschäften, in der Energiebranche oder wie zuletzt gesehen bei Reedereien. Da gibt es überall Lücken. Das Entscheidende ist, dass man erst einmal die Prozesse und die Risiken versteht, diese konsolidieren und kontinuierlich analysieren kann, um Auffälligkeiten entsprechend schnell identifizieren und adressieren zu können.

Es scheint jetzt, als werden Analysetools für mehr und bessere Prognosen wichtiger denn je. Was heisst das konkret für den Business-Alltag?

Man kann Business-Regeln heute auf analytischen Erkenntnissen basieren lassen und intelligente automatisierte Prozesse ermöglichen. Ein Beispiel sind Kundeninteraktionen, beispielsweise in einem Callcenter oder im persönlichen Kundengespräch. Da gibt es die Möglichkeit Gespräche aufzuzeichnen, sie zu analysieren und in den soziodemografischen Kontext inklusive der Kundenhistorie des Gegenübers zu setzen. Daraus können für den Kundenberater Empfehlungen für Angebote hinsichtlich Kulanzleistungen oder Zusatzangebote abgeleitet werden, die ohne weitere Abstimmung an den Kunden weitergeleitet werden können. Oder es kann auch ein Kunde sein, der risikobehaftet ist und dem Kundenberater steht diese Information bereits innerhalb des Dialoges zur Verfügung.

Unternehmen nutzen zudem immer mehr Auswertungen von Daten aus Social Media.

Aus technischer Sicht geht es hier um Wissenssysteme, die in der Lage sind, strukturierte und unstrukturierte Daten zu analysieren. Das betrifft einerseits den Bereich Social-Media-Analytics. Da geht es unter anderem darum, Informationen zu gewinnen, um Kundengruppen mit massgeschneiderten Produkten besser adressieren zu können oder Produktprobleme frühzeitig zu erkennen. Andererseits geht es um unstrukturierte, textbasierte Daten wie Berichte, die man auf Auffälligkeiten hin analysieren kann. Daraus ergeben sich Indikatoren für Risiken wie Complianceverstösse oder mögliche Geschäftspotenziale aus Forschungsberichten, die ein Unternehmen adressieren sollte.

Das Thema BI ist auch im Zusammenhang mit dem Mobile-Trend aktuell. Welche Potenziale sehen Sie da für Unternehmenskunden?

Beispielsweise bei Wartungsteams oder im Vertrieb ist es sehr nützlich, wenn ich Informationen ständig abrufen kann. Nehmen wir das Beispiel von weit verteilten Windkraftanlagen: Dort kann der Monteur auf dem mobilen Gerät sehen, wie der Zustand einer bestimmten Anlage ist. Wenn dann Probleme an einem anderen Ort auftreten, kann er schnell sehen, wo das Problem liegt. Und er sieht auch, wo er welche Kapazitäten nachziehen kann, ohne dass er zuerst zum Standort oder ins Büro fahren muss. Er kann sehen, was er tun muss, ohne irgendwo sonst signifikante Lücken aufzureissen. Beim Thema Mobile und BI gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Der klassische Decision Support war bisher ein Werkzeug für wenige, insbesondere für das Management. Durch Mobile-Konzepte, in Verbindung mit der Sensorik, wird Analytics zu etwas für jedermann. Man spricht davon, dass sich Analytics von einer White-Collar- zu einer Blue-Collar-Disziplin wandelt. Dank dem Mobile-Trend ist Analytics insbesondere für operative Businessanwendungen relevanter geworden.

Für welche Branchen und welche Geschäftsbereiche werden neue BI-Konzepte 2012 besonders aktuell? Wo gibt’s Investitionsbedarf?

Die Finanzbranche hat sicher, wie bereits angetönt, Nachholbedarf. Dann gibt es auch bei exportorientierten, globalisierten KMUs zunehmenden Bedarf, in operative Risikomanagement-Kapazitäten zu investieren. Dies um Währungsrisiken, Absatzrisiken und Produktionsallokationsrisiken erkennen und managen zu können.

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