Faigle steigt in 3D-Druck ein

Potenziell revolutionär

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Faigle steigt in das Geschäft mit Additive Manufacturing ein. Bekannter unter dem Trendwort 3D-Druck. Statt auf Spektakel setzt der Druckspezialist auf Bodenständigkeit. Faigles Caspar Steiner nennt im Gespräch klare Einsatzszenarien mit Mehrwert für Anwender aus Industrie, Architektur und Medizin.

Kaffeetassen, Burger oder Bauteile für Raketen: Kaum ein Technologietrend wird derzeit so heiss diskutiert wie der 3D-Druck. Dabei ist das eigentlich der falsche Begriff: "Additive Manufacturing lautet die korrekte Bezeichnung", erklärt Caspar Steiner, Leiter 3D Systems bei Faigle, im Zürcher Showroom des Anbieters von Druckern und den damit verbundenen Services.

Beim Additive Manufacturing werden Partikel übereinander geschichtet. Das Verfahren sei quasi das Gegenteil von Fräsen, erklärt Steiner. Im Gespräch im Showroom sprudeln die Ideen, wo man Additive Manufacturing einsetzen könnte, nur so aus ihm heraus.

Klare Einsatzszenarien

Was an seinen Aussagen auffällt, ist die Tatsache, dass sich diese Ideen jetzt umsetzen lassen oder bereits angewendet werden. Statt von Raketenteilen für die Nasa spricht er vom Modellbau für Architekten, der raschen Entwicklung von Prototypen im Maschinenbau oder von der Kleinserienproduktion kleiner Bauteile. Es gibt sogar Produkte, die sich gar nicht anders herstellen liessen.

Ausserdem könnten mit dem Druck von Teilen Lagerkosten, etwa von Ersatzteilen, gesenkt werden: "Stellen Sie sich vor, sie kaufen ein Möbelstück und es fehlt eine Steckverbindung. Sie als Kunde brauchen sich auf der Webseite des Herstellers dann nur die Datei mit der Information der Schraube herunterladen und bei einem Druckdienstleister ausdrucken lassen", erklärt Steiner ein mögliches Szenario.

Geschäftschance für Druckspezialisten

Doch wie kommt ein Druckdienstleister auf die Idee Maschinen zu vertreiben, die genau betrachtet mit dem Drucken auf Papier nichts gemein haben? Steiner weiss gleich zwei Gründe: Das Service-Modell von Auslieferung, Versorgung mit Verbrauchsmaterialien und Wartung der Geräte, inklusive Abrechnung, seien praktisch identisch mit dem Kerngeschäft.

Faigle setzt jährlich rund 80 Millionen Franken mit Druckern und Dokumentenmanagement um und zählt rund 5000 Kundenkontakte. Zu diesen gehören Unternehmen und Organisationen wie der Kanton Sankt Gallen, oder der Maschinenbauer ABB. Und genau hierin sieht Faigle den zweiten Vorteil: Das Druckergeschäft dient auch als Türöffner für das Additive Manufacturing. Erste Kunden des Druckdienstleisters aus dem produzierenden hätten bereits Interesse gezeigt. "Wir können alles aus einer Hand anbieten", betont Steiner.

Drei Techniken im Angebot

Das Additive Manufacturing kennt zahlreiche Verfahren. Faigle bietet drei Technologien an: Multijet Modeling, Pulverpartikeldruck und Stereolithografie.

Beim Multijet Modeling wird Plastik durch einen einen Druckkopf gepresst. Darunter bewegt sich eine Platte horizontal und vertikal, gesteuert durch die Befehle eines Computers. Auf diese Weise entsteht Schicht für Schicht ein räumliches Objekt, etwa eine Schraube. Aber auch komplexe Teile wie Kugellager liessen sich so herstellen.

Selbst komplizierte und feine Strukturen lassen sich mit der Methode erschaffen. Steiner erzählt von einem Juwelier in Zürichs Bahnhofstrasse, der auf diese Weise Gussformen für neue Ringe modelliert. Mit der neuen Technik können Juweliere in kürzerer Zeit neue Modelle kreieren, schwärmt Steiner. Auch Uhrenbauer IWC nutzt die Technik für das Herstellen von Prototypen neuer Uhrwerke. Selbst kleinste Zahnräder lassen sich mit der Methode herstellen.

Neue Möglichkeiten für Architekten und Mediziner

Die zweite Technik in Faigles Programm ist der Pulverpartikeldruck, bei der Pulver in Schichten auf eine Platte aufgetragen, mit einer Farbe aus einem Tintenstrahldruckkopf besprüht und gehärtet wird. Der Partikeldruck eignet sich etwa für den Modellbau in der Architektur oder in der Medizin. Zeichnungsbüros können dank der Technik ihren Kunden aus der Architektur genaue Modelle von Häusern, Brücken oder Landschaften anbieten. Dabei können bestimmte Bauteile, etwa Träger oder Stützpfeiler bereits während dem Druck eingefärbt werden.

Steiner legt einen Schädel auf den Tisch mit der Warnung: "Den müssen Sie vorsichtig anheben." Die Modelle aus dem Pulververfahren sind zwar hart aber auch spröde. Das rechte Jochbein ist bereits abgebrochen. Doch nicht der Gipsschädel an sich ist das interessante. Spannend sind die Möglichkeiten: Ärzte können mit dem Pulverschichtverfahren Daten von Patienten aus einer Untersuchung mittels Computertomografie in ein Modell umrechnen und sich ausdrucken lassen. Bei Brüchen am Schädel könnten die Bruchstücke ausgedruckt und eine Operation am Modell vielleicht besser vorbereitet werden.

Die dritte Technik im Faigle-Programm ist die Stereolithografie. Bei diesem Verfahren härtet ein Laserstrahl punktgenau einen lichtempfindlichen, flüssigen Kunststoff und formt dadurch ein Objekt. Auch hier nennt Steiner ein aktuelles Beispiel. Ein Formenbauer konnte mit dieser Drucktechnik für seinen Kunden, einen Schokoladenfabrikanten, neue Formen für Pralinenschachteln erstellen. Über Nacht, statt in zwei Wochen, Modell-Praliné inklusive.

Marktpotenzial gross, aber ungewiss

Für sein Geräteportfolio partnert Faigle mit dem US-Hersteller 3D-systems, einem der grössten Anbieter der 3D-Druckbranche. Die Preise der Drucker klingen zunächst schwindelerregend. Zwischen 60'000 bis zu einer halben Million Franken variieren die Preise, je nach Modell und Technologie. Deshalb bietet Faigle auch Finanzierungen an. Ein günstiger Pulverdrucker kostet 60'000 Franken oder 3000 Franken pro Monat mit Service von Faigles Technikern. Ein Gerät mit Multijet-Technik kostet 100'000 Franken oder 6000 Franken im Finanzierungsmodell mit Wartung der Maschine. Eine Anlage für die Stereolithografie beginnt ab 220'000 Franken oder 7000 Franken monatlich mit Service.

Das Marktpotenzial für Faigle kann Steiner noch nicht abschätzen. "Die Industrie findet sich gerade", sagt Steiner. Derzeit werde viel experimentiert, aber es fänden sich eben bereits gute spezifische Anwendungen. Faigle werde den Markt und die technische Entwicklung deshalb während der nächsten drei Jahre studieren. Trotz aller Risiken glaubt Steiner an die Technik: "Der 3D-Druck ist potenziell revolutionär."