Interview mit Frank Boller von Telecom Liechtenstein

Telecom Liechtenstein (Schweiz) fusioniert mit Deep

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Die Telecom Liechtenstein AG hat die Deep AG übernommen. Per 2012 werden nun der Schweizer Ableger der Telecom Liechtenstein und die Deep AG fusioniert sein.

Frank Boller
Frank Boller

Die Telecom Liechtenstein (TLI) hat im vergangenen Februar den in Chur ansässigen Internet-Provider Deep AG übernommen. Per Januar 2012 werden die TLI (Schweiz) und Deep nun fusionieren. Das Unternehmen tritt in der Schweiz vorrangig unter der Marke Deep auf. Ivo Frei, Gründer und CEO der Deep-Gruppe, wird die Expansion im Schweizer Markt führen.

Mit der Übernahme des Internet-Providers will die TLI ihren Marktauftritt konsolidieren. Die Standorte Chur und Thalwil sollen bestehen bleiben. Der Standort Zug soll aufgelöst und mit Thalwil zusammengeführt werden. Der bisherige Geschäftsführer der TLI (Schweiz), Bruno Alluisetti, wird die Integration begleiten und anschliessend neue Aufgaben im Konzern übernehmen.

Die Netzwoche-Redaktion hat sich mit Frank Boller, dem Vorsitzender der Geschäftleitung von Telecom Liechtenstein, über die Pläne und die Hintergründe der Expansion in die Schweiz unterhalten.

Herr Boller, wie kommt ein kleiner Telko aus Liechtenstein dazu, sich in den gut besetzten Schweizer Markt vorzuwagen?

Wir sind in Liechtenstein etwa in derselben Situation wie die Swisscom in der Schweiz. Der grösste Teil der Privatpersonen und auch ein grosser Teil der KMUs sind bereits Kunden von uns. Damit sind die Wachstumschancen im Heimmarkt klein. Im Telekombereich sinken die Margen, es braucht also Wachstum zur Kompensation. Deshalb ist die Schweiz als Expansionsmöglichkeit naheliegend.

Gehen Sie auch in den österreichischen Markt?

Nein, der ist für uns nicht attraktiv.

Wer steht eigentlich hinter der Telecom Liechtenstein?

Sie gehört zu 100 Prozent dem Staat Liechtenstein und ist somit ein staatsnahes Unternehmen.

Laut Geschäftsbericht haben Sie letztes Jahr 40 Prozent Umsatz verloren, weil die Mehrwertdienste im internationalen Geschäft weggebrochen sind. Was heisst das konkret?

Das ist kein grosses Geheimnis. Liechtenstein hatte relativ hohe Terminierungsgebühren. Für Mehrwertdienstanbieter ist das attraktiv, weil sie mehr verdienen können. Die hohen Gebühren haben aber immer wieder dubiose Anbieter angezogen. Liechtenstein wollte für undurchsichtige Angebote nicht attraktiv sein und hat deshalb die Preise reguliert. Letztes Jahr wurden die Terminierungsgebühren deutlich gesenkt, worauf Liechtenstein für die Mehrwertdienst-Anbieter sofort unattraktiv wurde. Dadurch ist ein grosser Teil des Umsatzes weggefallen. Weil das aber sehr tiefmargiger Umsatz war, war es für uns keine Katastrophe.

Wo sehen Sie Ihre Marktlücke ich der Schweiz?

Wir werden uns sicher nicht als grosser Player aufspielen. Unsere Chancen sehen wir vor allem im KMU-Sektor. Dort wollen wir uns mit preisgünstigen Bündelangeboten positionieren. Und weil wir das KMU-Geschäft recht gut verstehen, glauben wir auch, dass wir hier eine gute Ausgangsposition haben. Insbesondere wollen wir auch unsere Servicebereitschaft und unser Know-how als richtiger Telko demonstrieren. Dazu pflegen wir auch Partnerschaften mit Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU), die selbst Glasfasernetze betreiben. So können wir hochwertige Angebote anbieten und uns dabei durch unseren Hintergrund deutlich von den blossen Wiederverkäufern abgrenzen, die im selben Segment arbeiten. Aber wir machen uns keine Illusionen – der Schweizer Markt ist hart umkämpft und wir werden ihn uns hart erarbeiten müssen.

Was glauben Sie, machen Sie besser als die hier ansässigen Konkurrenten?

Was hier beispielsweise im EVU-Sektor fehlt, sind Kombiangebote für Internet und Telefonie, die die spezifischen Bedürfnisse von KMU abdecken. In diesem Bereich sehe ich unsere Stärken. Zudem haben wir viel in die Entwicklung eines Cloud-Angebots für KMU gesteckt. Auch da glauben wir, wird der KMU-Markt auf uns ansprechen.

Und damit wollen Sie die ganze Schweiz erobern?

Momentan konzentrieren wir uns auf die Deutschschweiz und auch hier forcieren wir bestimmte Regionen. Ein Ankerpunkt ergibt sich sicher aus dem Kundenkreis der Firma Deep, die wir Anfang Jahr übernommen haben. Ein Zweiter ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit den EVUs. Hier ist vor allem Bern interessant, wo wir mit Energie Wasser Bern kooperieren. Wir sind auch auf dem Zürinet und auf anderen kleinen lokalen Netzen.

Apropos Deep – welche Strategie verfolgen Sie mit dieser Akquisition?

Im Januar 2012 werden die Deep-Gruppe und unsere Schweizer Tochtergesellschaft fusionieren. Die Marke Deep bleibt aber in der Schweiz bestehen und wird zur Hauptmarke für das Schweizer Geschäft. Den heutigen Deep-Geschäftsführer Ivo Frei konnten wir verpflichten, die Integration während der nächsten zwei Jahre umzusetzen und das Geschäft weiter auszubauen.

Sie arbeiten ja auch mit Orange zusammen – wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit einer Firma, die selbst im Umbruch ist?

Wir arbeiten im Mobilbereich mit Orange zusammen, und vertreiben in Liechtenstein ein eigenes Produkt auf der Infrastruktur von Orange. Die Zusammenarbeit läuft soweit gut. Das Mobil-Geschäft ist ein schwieriges Geschäft in Liechtenstein. Das hat aber nichts mit Orange zu tun, sondern vielmehr mit dem Markt in Liechtenstein. In diesem kleinen Markt tummeln sich vier lokale und zwei Schweizer Anbieter, und damit sind die Wachstumsmöglichkeiten natürlich klein.

Betreiben Sie Infrastruktur in der Schweiz?

Was die Telekommunikation angeht: nein. Die betreiben wir in Liechtenstein. Dort führen wir auch den Sprachverkehr aus dem Ausland zusammen, den wir terminieren. Hingegen verfügt Deep über eine Hosting-Infrastruktur.

Wie hat sich Ihr Geschäft in der Schweiz seit 2009 entwickelt?

Wir sind sicher noch nicht dort, wo wir eigentlich sein wollten. Aber das geht ja zurzeit den meisten in der Branche so. Es braucht eben etwas Durchhaltevermögen, bis man sich etabliert hat.

Wo harzt es?

Wir mussten lernen, dass wir nicht einfach unsere bewährten Standardprodukte aus Liechtenstein eins zu eins in der Schweiz verkaufen können. Deshalb haben wir hier auch eigene KMU-Bündel kreiert. Historisch gesehen waren wir in Liechtenstein im Solutions-Geschäft stark, aber damit können wir in der Schweiz keine grossen Geschäfte machen. Wir sind bezüglich Produkten eigentlich erst jetzt so weit, dass wir in der Schweiz richtig loslegen können.

Was planen Sie als Nächstes?

Wir werden die Schweiz weiter als strategischen Markt entwickeln. Dabei setzen wir stark auf die Schnittstelle zwischen IT und Telekommunikation, zu denen allen voran auch Cloud-Lösungen gehören.