Low Power Network von Swisscom

Wo Swisscoms erster Empfänger für das Lora-Netz steht

Uhr | Aktualisiert

Alexandra Reich ist Leiterin Mobile Business Solutions bei Swisscom. Im Gespräch mit der Redaktion erklärt sie, warum der Telko ein neues Netz für das Internet der Dinge baut.

Swisscom schafft ein neues Netzwerk für das Internet der Dinge. Was ist für den Aufbau dieses Netzes notwendig?

Alexandra Reich: Wir bauen ein Netz, mit dem batteriebetriebene Sensoren Daten unabhängig vom Stromnetz übermitteln können. Es basiert auf dem Netzwerkprotokoll LoraWAN. Swisscom gehört seit Januar 2015 zur Lora Alliance, die hinter dem Standard steht. Unser Ziel ist es, bis Ende 2016 rund 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Freien zu versorgen. Wir brauchen dafür schweizweit etwa 300 Empfangsstationen.

Muss Swisscom diese alle neu aufbauen?

Nein, 35 Empfangsstationen sind bereits aktiv. Errichtet hat sie Swisscom Broadcast, ein Tochterunternehmen von Swisscom. Es baut, betreibt und wartet Funknetze. Swisscom baut dieses Netz nun weiter aus. Beim Internet der Dinge ist das einfacher als zum Beispiel für 4G/LTE. Es geht schneller und ist wesentlich günstiger als der Ausbau des klassischen Mobilfunknetzes.

Was kostet denn die Errichtung des Netzes?

Die Ausbaukosten für die Basisversorgung im Freien sind bis Ende 2016 auf einen einstelligen Millionenbetrag veranschlagt. Auch der Unterhalt des Netzes ist absolut finanzierbar. Für den Netzausbau arbeiten wir mit Partnern zusammen, etwa mit Swisscom Broadcast oder dem französischen Start-up Actility.

Swisscom investierte im Juni 2015 Geld in Actility. Kann Swisscom nun beim Aufbau des Netzes von dieser Investition profitieren?

Actility ist als Technologiepartner zuständig für das Backend. Die Entscheidung, mit welchen Partnern wir zusammenarbeiten, lief aber unabhängig von unseren Investitionen in Unternehmen. Für die Suche nach Partnern gab es eine ganz normale Ausschreibung.

Swisscom hat das neue Netz bereits getestet, unter anderem in Genf und Zürich. Welche Erfahrungen machte man dabei?

Die erste Empfangsstation stellten wir auf dem Üetliberg auf. Schweizweit waren 15 Kunden an den Pilotprojekten beteiligt. Wir wollten die Technologie und das Ökosystem testen. Der Pilotversuch hat gezeigt, dass das Netz unsere Erwartungen erfüllt. Die Rückmeldungen der Firmen, die beim Pilot mitmachten, waren sehr gut. Sie zeigten sich begeistert darüber, wie einfach es ist, LoraWAN zu nutzen.

Welche Anwendungen ermöglicht das neue Netz?

Unsere Kunden nutzten beim Test gleich mehrere. Einige gab es als Prototyp, andere sind bereits im Betrieb. In Lenzburg und Carouge nutzen wir Sensoren, um eine intelligente Verteilung von Autos auf leerstehende Parkplätze zu ermöglichen. An der Streetparade kooperierten wir mit der Stadtpolizei Zürich. Sie konnte so stets nachvollziehen, ob sich die Umzugswagen an die Route hielten. Eine weitere Anwendung ist das Energiemanagement in Gebäuden, das wir ebenfalls in Zürich testeten.

Wie schnell ist das neue Netz?

Das Netzwerk unterstützt uni- und bidirektionale Kommunikation mit einer dynamischen Anpassung der Bitrate von 300 bit/s bis 11 kbit/s. Das reicht für die meisten Anwendungen. Anwendungen mit hohem Datenbedarf oder kurzen Latenzzeiten nutzen das klassische Mobilfunknetz. Dabei stellt sich die Frage, wo die Grenze bei Datenvolumen und Reaktionszeit liegt. Die Entscheidung, welches Netz sich am besten für welche Anwendung eignet, trifft Swisscom gemeinsam mit den Kunden.

Was ist, wenn ein Kunde in einem Gebiet ohne Abdeckung wohnt, aber trotzdem ein Projekt umsetzen will?

Dann sitzen wir mit dem Kunden zusammen und finden eine gemeinsame Lösung. Swisscom sieht sich beim Internet der Dinge auch als Enabler. Wenn ein Kunde ein Projekt mit LoraWAN umsetzen will, sind wir der richtige Partner.

LoraWAN nutzt in Europa den Frequenzbereich um 868 MHz und funkt bis zu 15 Kilometer weit. Können Sie diese Reichweite bestätigen?

Ja, wir haben ähnliche Reichweiten erreicht. Outdoor rund 13 Kilometer in ländlichen Gegenden, 6 Kilometer in Vorstädten und 3 Kilometer in der Stadt. Indoor ist die Reichweite abhängig von der Lage und Gebäudeinfrastruktur. Ab Erdgeschoss aufwärts betrugen die Reichweiten in unseren Tests typischerweise 4 Kilometer in ländlichen Gegenden, 2 Kilometer in Vorstädten und 1 Kilometer in der Stadt. Wir konnten die grossen Distanzen zwischen Sensor und Empfangsgerät also bestätigen.

Swisscom plant eine leichte Innenraumversorgung in 10 Städten. Was heisst das genau, und um welche Städte handelt es sich?

Leichte Innenraumversorgung bedeutet die Abdeckung bis ins Erdgeschoss. Es gibt dann keinen Empfang im Keller, aber überall darüber. Geplant ist das in Zürich, Genf, Bern, Basel, Winterthur, St. Gallen, Lausanne, Neuchâtel, Lugano und Luzern.

Steht die Branche eigentlich hinter dem Standard LoraWAN?

Ja, der Standard entwickelt sich positiv. Letztes Jahr gab es in Europa 5 nationale Lora-Rollouts in Holland, Belgien, Luxemburg und in Frankreich. Ähnliche Initiativen laufen in Südafrika, Russland und Indien, in den USA und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Marktakzeptanz ist sehr hoch.

Hinter LoraWAN steht das Konsortium Lora Alliance. Es vereint Halbleiterfirmen, Hersteller von Funkprodukten, IT-Firmen, Softwareunternehmen, Funknetzbetreiber und Testhäuser. Swisscom ist seit Januar "Contributor Member". Was heisst das genau?

Swisscom ist als Contributor Member in den einzelnen Allianzgremien vertreten. Das bedeutet, dass wir aktiv an der Weiterentwicklung des Standards mitarbeiten. Die Lora-Allianz hat bereits über 200 Mitglieder. Und wir freuen uns über jeden, der neu dazukommt.

Firmen können eigene Lora-Netze aufbauen. Gibt es solche in der Schweiz, und wie integrieren sie sich in das Netz von Swisscom?

Es gibt einige Firmen und Initiativen, die LoraWAN testen. Etwa die Stadtwerke St. Gallen, das The Things Network und die Schweizerische Post. Letztere hat ein Pilotnetz zwischen Biel und Bern angekündigt. Das Schweizer Start-up Loriot verkauft zudem LoraWAN-Gateways für Private. Wenn sich alle an den Standard halten, ist die Integration in das Swisscom-Netz kein Problem.

Falls die Post ein schweizweites LoraWAN-Netz für ihre Logistik aufbaut, könnte sie auch Dienstleistungen an Kunden verkaufen und direkt mit Swisscom konkurrieren.

Es ist jedem Unternehmen freigestellt, ein eigenes Netz zu betreiben, da es im konzessionsfreien Band funktioniert. Wir sind aber mit der Post im Gespräch und offen für eine Zusammenarbeit. Mit dem Netz der Post könnten wir unser eigenes Netz optimal verdichten, und umgekehrt. Eine Entscheidung steht aber noch aus.

Was ist eigentlich, wenn jemand seine Wohnung an das Swisscom-Netz anschliessen will?

Für Gebäude wird Swisscom seinen Geschäftskunden einen Indoor-Gateway anbieten, der auch Konnektivität im Keller ermöglicht. Wir gehen davon aus, dass unser Netz im dritten Quartal 2016 kommerziell verfügbar sein wird.

Welche Produkte und Dienstleistungen will Swisscom rund um LoraWAN anbieten? Sie muss das Netz ja irgendwie monetarisieren.

Swisscom wird Connectivity als Service für Geschäftskunden anbieten. Die Benutzer bezahlen pro vernetzten Sensor/pro vernetztes Gerät. Wir werden zudem Cloud- und Integrationsdienste verkaufen, um die Sensoren und Geräte in der Kundenumgebung zu integrieren.

Was für Daten auf dem LoraWAN-Netz wird Swisscom sammeln? Was passiert mit den Daten?

Swisscom speichert während der Übermittlung keine Daten permanent, sondern nur temporär, bis diese in einer Applikation angekommen sind. Den verschlüsselten Inhalt kann Swisscom während der Übermittlung nicht lesen. Nutzen Kunden die übermittelten Daten in Services von Swisscom, unterliegen diese Daten dem Schweizer Datenschutz und bleiben in der Schweiz. Über Daten, die Kunden in eigenen Applikationen einbinden, hat Swisscom keinen Zugriff, da die Datenverbindung zwischen Sensoren und der Applikation end-to-end verschlüsselt ist. Wir nutzen die Daten auf LoraWAN also nicht, weder für Big Data noch für Analytics.

Wie sicher ist das neue Netz?

Die Daten werden im Sensor verschlüsselt und erst in der Zielapplikation wieder entschlüsselt. Ein Abgriff personenrelevanter Daten auf dem Übertragungswagen ist auf diese Weise ausgeschlossen. Die Schutzmechanismen werden zudem laufend von unabhängigen Stellen überprüft. Dazu bleiben alle Meldungen der Sensoren in unseren Rechenzentren in der Schweiz.

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