Abstimmung

Swico-Chef Jean-Marc Hensch über das Nein zur USR III

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Mit der Unternehmenssteuerreform III sollten Steuerprivilegien für bestimmte Firmen abgeschafft und alle Unternehmen gleich besteuert werden. Die Reform wurde von den Stimmbürgern klar abgelehnt. Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Swico-Verbands, spricht über mögliche Folgen für die IT-Branche.

Jean-Marc Hensch ist Geschäftsführer beim Verband der ICT-Anbieter der Schweiz.
Jean-Marc Hensch ist Geschäftsführer beim Verband der ICT-Anbieter der Schweiz.

Weshalb haben die Stimmbürger die Unternehmenssteuerreform III (USR III) abgelehnt?

Jean-Marc Hensch: Ich kann natürlich schlecht in die Köpfe der Stimmenden hineinsehen, aber aus meiner Warte waren vor allem folgende Punkte ausschlaggebend: Bei der Entwicklung der Vorlage wurde nicht darauf geachtet, ein "kommunizierbares" Ganzes zu erreichen. Stattdessen wurden – insbesondere, um die Kantone an Bord zu holen – zahlreiche Punkte eingebaut, die wohl nur für Steuerrechtler verständlich sind. Ein solcher Fehler ist in der Abstimmungskampagne fast nicht mehr zu beheben, weil die Vorlage keine "knackigen" Argumente zulässt und sehr komplex wird. Unter diesen Umständen wurde die Abstimmung zu einer Black Box und damit zu einer Vertrauensfrage. Und die Hauptakteure der Pro-Seite hatten – dies muss man heute einsehen – nicht das Vertrauen der Stimmenden: weder Economiesuisse, der immer unter dem Generalverdacht steht, nur für die Grosskonzerne da zu sein, noch der Gewerbeverband, dessen Kampagne gar nicht darauf ausgerichtet war, Vertrauen zu gewinnen, noch der Finanzminister, der sich nicht wirklich ins Zeug gelegt hat und zum Teil eher fahrig argumentierte. Dass es dann zu einer 60-Prozent-Klatsche kam, ist wohl auf zusätzliche Erschwernisse zurückzuführen. Hierzu zählen die Verbissenheit von SP-Präsident Christian Levrat, der um jeden Preis den Bürgerlichen eins auswischen wollte, eine wenig zurückhaltende Ex-Bundesrätin und auch die Vorgeschichte der USR II.

Was bedeutet die Ablehnung der USR III an der Urne für die Schweizer ICT-Branche?

Die ICT-Branche ist vor allem als wichtiger Zulieferer betroffen. Die Schweiz könnte nun unattraktiv werden für internationale und mobile Firmen, die unsere Volkswirtschaft nicht nur befruchten, sondern auch mit grösseren Aufträgen alimentieren. Wenn diese abwandern, fallen auch die entsprechenden Umsätze weg. Dies passiert natürlich nicht von heute auf morgen, aber es könnte in Teilen der ICT-Branche zu tieferen Umsätzen führen. Wenn dann noch Sanktionen der Staatengemeinschaft über die Schweiz verhängt werden, weil wir die Steuerprivilegien nicht abschaffen, dann könnte es noch mühsamer werden.

Welche Vorteile entgehen Schweizer ICT-Anbietern durch die Ablehnung der Vorlage?

Unter den Swico-Mitgliedern dürfte es kaum privilegierte Statusgesellschaften geben, sodass wohl die meisten unter dem neuen Regime mit leicht tieferen Unternehmenssteuern hätten rechnen können. Dies allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmass, je nachdem, was der Sitzkanton mit seinem Steuergesetz vorhatte und wie die einzelnen Firmen kapital- und investitionsmässig aufgestellt sind. Tiefere Steuern sind aber nicht der Punkt. Vielmehr geht es wie schon ausgeführt um die indirekte, volkswirtschaftliche Auswirkung: der Verlust an Steuersubstrat und vor allem der Wegfall grösserer Auftragsvolumen für die ICT-Wirtschaft.

Laut den Befürwortern der USR III könnten in der Schweiz nun zehntausende Arbeitsplätze verloren gehen. Inwieweit trifft diese Befürchtung auf die Schweizer ICT-Branche zu?

Diese Befürchtungen sind ernst zu nehmen, aber wir leben ja mehr denn je nicht in einer Welt, in der Prozesse monokausal ablaufen, sodass kaum genau bestimmt werden kann, was jeweils den Ausschlag gegeben hat. Was die ICT-Wirtschaft anbelangt, bin ich eigentlich eher zuversichtlich. Die Swico-Mitglieder haben sich im Laufe der Zeit immer wieder mit neuen Situationen anfreunden müssen, und die Erfahrung zeigt, dass sie das besser bewältigen als viele andere Branchen. Einfach weil bei uns als einer sehr jungen und innovativen Branche sowieso alles stark im Fluss ist.

Erwarten Sie, dass ICT-Firmen aus der Schweiz wegziehen?

Davon gehe ich nicht aus: Erstens ist die Geschichte politisch noch lange nicht beendet, wir haben ja noch etwas Zeit, den Abbau der Steuerprivilegien doch noch hinzukriegen. Zweitens sind wir von der ICT nicht unmittelbar sofort betroffen und recht geübt darin, auf Entwicklungen adäquat zu reagieren. Das Problem kann eher sein, dass – wenn die Entwicklung wirklich in die negative Richtung geht – einzelne Unternehmen umstrukturieren, Personal abbauen oder Investitionen nicht tätigen, die sie eigentlich vorhatten. Aber all dies passiert dann nicht nur gerade aufgrund des USR-III-Neins, sondern aus einer Gesamtentwicklung heraus.

Wie werden sich mögliche Strafmassnahmen der EU gegen die Schweiz auf die ICT-Unternehmen auswirken?

Aus meiner Sicht ist es noch viel zu früh, darüber auch nur nachzudenken. Wenn es solche Sanktionen gibt, dann werden diese nicht schwergewichtig die ICT-Branche betreffen, sondern über die Beeinträchtigung der generellen Wachstumsdynamik auf unsere Branche ausstrahlen.

Welche Massnahmen empfiehlt der Swico nun seinen Mitgliedern?

Wie heisst es so schön auf dem Propagandaposter der englischen Regierung von 1939: «Keep calm and carry on.» Jetzt geht es in erster Linie darum, auf der politischen Bühne die Weichen zu stellen und doch noch eine Lösung zu finden.

Wie geht es jetzt weiter? Was hat der Swico geplant?

Swico ist in keiner Weise ein Hauptakteur bei diesem Thema. Aber wir nehmen natürlich Möglichkeiten zur Einflussnahme wahr, sei es über die Mitarbeit in Wirtschaftsverbänden, über unsere Kontakte zum Parlament oder auch publizistisch.

Welche politischen Möglichkeiten sehen Sie?

Politisch stehen nun zwei Wege im Vordergrund: Der Plan B, bei dem die Vorlage um umstrittene Punkte entschlackt wird, sodass dann von keiner Seite dagegen ein Referendum ergriffen wird. Wenn ich allerdings sehe, wie kompromisslos sich Akteure wie die SP oder der Gewerbeverband unmittelbar nach der Abstimmung positioniert haben, dann bezweifle ich, dass hier ein Konsens zustande kommen wird. Deshalb arbeitet man hinter den Kulissen an einem Plan C: Dabei werden in einer ersten Phase die Steuerprivilegien abgeschafft und die von allen Seiten unbestrittenen Punkte beschlossen. Sodann würden die heikleren Punkte mit etwas längerem Vorlauf ausgetestet, und dann später beschlossen und eingeführt. Auch dies ist sicher kein einfacher Weg, aber doch eine vernünftige Alternative.

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