Abacus sieht Pläne kritisch

Das sagt Claudio Hintermann zur geplanten Fusion von Abraxas und VRSG

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Abacus-CEO Claudio Hintermann sieht seine Firma bei IT-Projekten der öffentlichen Hand im Kanton St. Gallen benachteiligt. Er klagte deshalb verschiedene Gemeinden ein, die IT-Dienstleistungen vom Verwaltungsrechenzentrum St. Gallen VRSG beziehen. Sein Vorwurf: Es habe keine fairen öffentlichen Ausschreibungen gegeben. Nun planen Abraxas und VRSG ihre Fusion. Und Claudio Hintermann tobt.

Claudio Hintermann, CEO, Abacus. (Quelle: Abacus)
Claudio Hintermann, CEO, Abacus. (Quelle: Abacus)

Wie schätzen Sie die Fusion von Abraxas und VRSG ein?

Claudio Hintermann: Es ist ein Befreiungsschlag der VRSG, die sich in den letzten Jahren immer mehr verschuldete und damit rechnen musste, dass die Gerichte die jahrzehntelange Praxis, IT-Projekte nicht auszuschreiben, wahrscheinlich stoppen würden.

Haben Sie Bedenken?

Ja, sicher … Wir bekommen jetzt VRSG hoch zwei. Die Kantone und Gemeinden sind Aktionäre bei einem IT-Dienstleister und Software-Integrator, der Produkte ohne Ausschreibungen vielfach im Ausland einkauft und so verpackt, dass niemand anders mitofferieren kann. Das Ausschreibungsgesetz wird zur Farce. Gute Integratoren wie diese Abraxas/VRSG gibt es schon genügend auf dem freien Markt. Es ist unverständlich, dass sich der Kanton und die Gemeinde St. Gallen, im eklatanten Interessenkonflikt, einen Integrator mit 800 Mitarbeitenden leisten, die jetzt schon allein nicht wirklich wirtschaftlich handeln und einen Wettbewerb nicht zulassen. Und jetzt wird das Ganze "too big to fail". Das Risiko, dass die St. Galler und Zürcher Steuerzahler in ein paar Jahren ein noch grösseres Konstrukt werden retten müssen, ist real, bleiben doch viele Protagonisten dieselben.

Glauben Sie, dass die Firmen nach dem Zusammenschluss besser dastehen werden?

Die Firmen selbst vielleicht schon, die öffentliche Hand und der Steuerzahler weniger. Schon jetzt zahlt eine St. Galler Gemeinde, wie wir hochgerechnet haben, beim VRSG rund das Dreifache wie bei Abacus, und trotzdem hat sich das VRSG immer mehr verschuldet. Also wird es in Zukunft für die Kunden noch teurer. Die neue Strategie, dass man alles bei "einem" kaufen soll, wird dieser Firma erlauben, die Preise zu Ungunsten der Aktionäre – also der Gemeinden – noch weiter zu erhöhen. Mit der konstruierten Schnittstellenproblematik, die man scheinbar nur im Kanton St. Gallen zu haben scheint, wird verhindert, dass bei Produkten oder Leistungen jemand anders zum Zuge kommt oder überhaupt angefragt wird. Die Aktionäre sind ihrer eigenen Firma völlig ausgeliefert, und man kann auf Kosten der Steuerzahler weiterhin Misswirtschaft betreiben. Es entsteht ein Staatsmonopol.

Welche Auswirkungen wird die Fusion Ihrer Einschätzung nach für die Softwarebranche in der Schweiz haben?

Wenn die Ausschreibungsregeln eingehalten würden, wenig. Aber das wird sicher noch weniger der Fall sein als in der Vergangenheit. "Alles aus einer Hand" bedeutet nun sicher vermehrt freihändige Vergaben, oder dass so ausgeschrieben wird, dass nur noch "EINE Hand" infrage kommt. Die abnorme Monopolsituation in St. Gallen wird nicht nur zementiert, sondern ausgebaut. Somit haben wir jetzt in St. Gallen die absurde Situation, dass sich die öffentliche Hand eine 800-Mann-Firma leisten will, die verschiedene Softwareprodukte, die das VRSG bisher wahrscheinlich weiterhin ohne Ausschreibung im Ausland einkauft, und die verschiedenen Softwarefirmen, die hier im Kanton produzieren, bewusst ausschaltet. IT rockt (Slogan einer Kommunikationskampagne des ICT-Clusters der "St.GallenBodenseeArea", Anm. d. Red.) sollte vielleicht neu "IT bockt" heissen. Keinen Bauer im Kanton St. Gallen behandelt man so schlecht wie uns. Denn niemand würde sich trauen, einem Bauern zu verbieten, die Milch im eigenen Kanton zu verkaufen und dies mit der Ausrede, es müsse alles aus einer Hand kommen ... und man wolle keine Schnittstellen.

Welche Auswirkungen wird die Fusion für die hängigen Gerichtsprozesse von Abacus haben?

Der Prozess ist davon nicht betroffen. Abacus will mit der Klage erreichen, als Marktführer in der Schweiz wenigstens bei sich zu Hause im Kanton mitspielen zu dürfen. Aber wir sind zu gut und zu günstig. Somit will man keinen fairen Wettbewerb. Nach fast 2 Millionen Franken Prozesskosten nur um zu erreichen, dass wir überhaupt im eigenen Kanton offerieren können, enden wir mit einem noch grösseren Monopolisten der sich wie die VRSG wahrscheinlich genauso wenig an Regeln halten wird, weil sie im offenen Wettbewerb zu teuer sind, wenn nicht von der öffentlichen Hand subventioniert. Seit der Gründung der Abacus waren wir stolz eine St. Galler Firma zu sein. Das fällt mir im Moment äusserst schwer.

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