Unternehmer, Politiker, Olympionike

Marcel Dobler über seinen Start als Präsident von ICTswitzerland

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Marcel Dobler ist seit drei Monaten Präsident von ICT-Switzerland. Die Redaktion sprach mit dem Unternehmer, Nationalrat und Viererbob-Fahrer über die Weiterentwicklung des Dachverbands, über die fehlenden Digital Natives im Parlament und darüber, warum Doblers Geduld in Bern manchmal auf die Probe gestellt wird.

(Quelle: zVg)
(Quelle: zVg)

Sie sind seit Mitte März Präsident von ICT-Switzerland. Wie haben Sie die Stabsübergabe von Ruedi Noser an Sie erlebt?

Marcel Dobler: Es hat alles super funktioniert. Ich bin sehr zufrieden damit, wie es abgelaufen ist. Aus meiner Sicht war es ideal.

Was waren die wichtigsten Aufgaben, die sie gleich zu Beginn als frischgebackener ICT-Switzerland-Präsident angepackt
haben?

Ruedi Noser hatte gemeinsam mit dem Verband jeweils eine Planung mit Dreijahreszielen erarbeitet. Mit der Übergabe des Präsidiums von Ruedi Noser an mich, ist so eine Phase zu Ende gegangen. Im Präsidium haben wir, Vizepräsident Franz Grüter und ich sowie der Geschäftsführer Andreas Kälin, nun in den letzten drei Monaten seit meinem Amtsantritt gemeinsam mit dem Vorstandsausschuss als Erstes die Strategien und Schwerpunkte für die Weiterentwicklung des Verbandes erarbeitet.

Welche Strategien und Schwerpunkte sind das?

Es geht uns um die strategische Ausrichtung unseres Verbands und darum, wo wir unsere Tätigkeit verbreitern sollten. Wir wollen den Verband als den Dachverband der «digital technologies» der Schweiz positionieren. Auch in den Bildungsthemen, bei denen wir vor allem stark sind, wollen wir unsere Tätigkeit erweitern, damit wir mehr Output erzeugen können. Ich kann jetzt leider noch nicht mehr über die Schlüsselthemen sagen, die wir identifiziert und beschlossen haben, dafür ist es noch zu früh. Aber ich freue mich sehr darauf, diese umzusetzen, und bin der festen Überzeugung, dass das den Verband und die ICT-Wirtschaft vorantreiben wird.

Wann werden Sie die neue Strategie vorstellen?

Den genauen Fahrplan kann ich noch nicht kommunizieren. Die neue Strategie muss erst noch vom Vorstand verabschiedet werden.

Aber schon noch dieses Jahr?

Ja, sicher. Wir haben ein grosses Interesse, schnellstmöglich loszulegen.

Sie arbeiten eng mit ICT-Switzerland-Vizepräsident Franz Grüter zusammen. Wie muss man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen?

Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend und wir verstehen uns super. Auch die räumliche Nähe im Parlament ist hilfreich. Im Nationalrat sitzt er direkt vor mir. Wir sprechen auch regelmässig über unsere Themen, tauschen uns per E-Mail aus. Einer der wesentlichen Gründe, warum ich mich für das Verbandspräsidium zur Verfügung gestellt habe, war die Aussicht, mit Franz zusammenzuarbeiten.

Sie vertrauen ihm also auch in den fachlichen Fragen ...

Ja, sehr. Er ist kompetent, hat eine gute Persönlichkeit und repräsentiert die gleichen Wertvorstellungen wie ich. Deshalb ist es eine ideale Zusammenarbeit.

Dieselben Wertvorstellungen? Franz Grüter ist aber Mitglied der SVP und Sie sind Mitglied der FDP. Da gehen doch die Wertvorstellungen schon etwas auseinander, oder nicht?

Das ist eine falsche Vorstellung. IT beziehungsweise digitale Themen sind von links bis rechts vielfach nicht klassisch politisch gefärbt. Ich bin bei ICT-Themen etwa oft gleicher Meinung wie Balthasar Glättli von den Grünen , auch wenn wir bei anderen Themen nicht gleicher Meinung sind. Ich finde es schön, dass IT nicht so schwarz-weiss oder links-rechts ist.

Sie haben durch Ihre Tätigkeiten als ICT-Switzerland-Präsident und Nationalrat viel zu tun und sitzen auch noch im Verwaltungsrat von Swisssign ... Wie gehen Sie mit der Mehrfachbelastung um? Wo und wie setzen Sie die Prioritäten?

Diese Wahrnehmung täuscht etwas. Meine politische Tätigkeit nimmt etwa 50 Prozent meiner Zeit in Anspruch. Und das Verwaltungsratsmandat bei Swisssign ist für mich eine Herzensangelegenheit, weil ich die elektronische Identität vorantreiben will. Tatsache ist, dass ich mit dem Viererbob an den Olympischen Winterspielen 2018 teilnehmen möchte und ich deshalb von Oktober bis Februar viel unterwegs sein werde. Ab März will ich mich dann auch wieder unternehmerisch engagieren. Vor drei Monaten habe ich eine persönliche Mitarbeiterin eingestellt, die mich zusätzlich unterstützt.

Welche politischen Themen liegen Ihnen als Nationalrat
besonders am Herzen?

Meine Themen sind Unternehmertum, das Gewerbe, Cybercrime, allgemeine IT-Themen und die Landessicherheit. Diese Themen decken sich auch zu 90 Prozent mit den Anliegen, die ich als Präsident von ICT-Switzerland vertrete.

Die Motion von Ruedi Noser für ein Start-up-Visum und auch Ihre Motion für eine einfachere Erteilung von Arbeitsbewilligungen für Hochschulabgänger aus Drittstaaten wurden abgelehnt ...

Das stimmt nicht. Ruedi Nosers Vorstoss wurde vom Ständerat abgelehnt. Meiner hingegen wurde vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen, und das hat auch nicht viel zu bedeuten, denn der Bundesrat lehnt Vorstösse oft ab. Meine Motion ist aber noch unbehandelt, und es würde mich extrem überraschen, wenn mein Vorstoss im Rat abgelehnt würde. Denn ich hatte im Vorfeld von sehr vielen Parlamentariern aller Parteien Unterschriften gesammelt und bin deshalb guten Mutes, dass mein Vorstoss im Nationalrat durchkommt.

Beide Vorstösse zielen ja auf die Förderung der Wirtschaft ab. Beide lehnt der Bundesrat ab. Kann man sagen, dass die Regierung manchmal etwas wirtschaftsfeindlich entscheidet?

Nein, wirtschaftsfeindlich würde ich nicht sagen. Aber vielleicht war einfach für Ruedi Nosers Anliegen der Start-up-Förderung die Zeit noch nicht reif. Auch handelt es sich bei meinem Vorstoss lediglich um die Meinung des Bundesrates und nicht um die Meinung der Politik als Ganzes. Da muss man unterscheiden.

Der Fachkräftemangel in der ICT-Branche ist immer noch ein grosses Thema. Welche Initiativen sind von ICT-Switzerland in diesem Zusammenhang in der nächsten Zeit zu erwarten?

Wir sind auf verschiedenen Ebenen tätig. Franz Grüter hat etwa soeben eine Interpellation in Zusammenarbeit mit dem Verband ICT-Berufsbildung eingereicht. Wir wollen, dass beim allgemeinbildenden Unterricht in den Berufslehren vom Automechaniker über den Maurer bis zum Zimmermann alle Auszubildenden Informatikkompetenzen vermittelt bekommen. Wir sehen auch ein Problem bei der Umsetzung des Lehrplan 21. Bei einer obligatorischen Schulzeit von neun Jahren dauert es etwa im Kanton Aargau bis 2030, bis die ersten Schüler nach dem neuen Lehrplan mit Informatikkompetenz die Schule verlassen. Das ist inakzeptabel. Wir werden auch ein Projekt umsetzen, um die Informatikkompetenz der über 45-Jährigen zu fördern.

Vor Kurzem lancierte der Bundesrat den neuen Beirat «Digitale Transformation». Warum ist ICT-Switzerland darin nicht vertreten?

Das fragen wir uns auch, und ich halte das für falsch.

Warum?

Wir sind der Dachverband für «digital technologies» und gehören in diesen Beirat. Aber der Lead liegt bei Doris Leuthard. Die müssen Sie fragen.

Empfinden Sie es als Affront, dass ICT-Switzerland ausgeschlossen wurde?

Ich habe gehört, die Policy bei der Bestellung der Mitglieder im Beirat sei gewesen, dass keine Politiker darin Einsitz nehmen durften. Ruedi Noser ist eine Ausnahme und der einzige Politiker. Unter diesem Aspekt kann man schon argumentieren, denn Franz und ich sitzen ja beide im Nationalrat. Aber eben: Ich hätte es mir anders gewünscht.

Es ist ja immer noch so, dass im Parlament etwa die Landwirtschaft viel mehr vertreten ist als die ICT. Was können Sie tun, um das zu ändern?

Wie gesagt, wir haben uns bei ICT-Switzerland entschlossen, unsere Tätigkeit zu verbreitern und auszubauen. Das ändert aber nichts daran, dass im Nationalrat zu wenige Interessenvertreter der ICT-Branche sitzen. Es gibt aktuell nur eine Handvoll Personen, die in diesem Bereich kompetent sind, und wenn es nur eine Handvoll Parlamentarier gibt, die für das Thema affin sind, wird es natürlich schwierig. Dieses Problem wird sich auch nicht von heute auf morgen lösen lassen. Das Durchschnittsalter im Nationalrat beträgt 52 Jahre, im Ständerat 57 Jahre. Das macht es auch nicht einfacher, kurz- oder mittelfristig etwas daran zu ändern. Es braucht immer sehr viel Überzeugungsarbeit, unsere Themen zu erklären. Bei reinen IT-Themen ist es noch relativ einfach, vor allem wenn man als Experte gilt. Bei einem Thema wie etwa den Netzsperren, wo alte Dinge auf neue Dinge treffen, hat die IT keine Chance.

Würden Sie sich also mehr Digital Natives im Parlament wünschen?

Jawohl.

Wie soll das bewerkstelligt werden bei der gerade bei Jugendlichen doch weit verbreiteten Politikverdrossenheit?

Ich glaube nicht, dass es ein Problem der Politikverdrossenheit ist. Der Hauptgrund, warum man etwa als Nationalrat gewählt wird, ist, dass man in seinem ganzen Kanton bekannt ist. Wenn man nicht bekannt ist, wird man auch nicht gewählt. Bekanntheit hat aber mit Zeit oder Geld zu tun. Und tendenziell haben junge Leute weder viel Geld noch viel Zeit. Zeit bedeutet, dass man viele politische Stufen vom Gemeindeparlament über das Stadtparlament bis hin zur Legislative des Kantons etc. durchlaufen hat, bis man vielleicht in Bern ankommt. Und dann hat man eben meistens schon ein gewisses Alter erreicht. Bis die Digital Natives im Parlament nachgezogen sein werden, wird es also noch etwa zehn Jahre dauern.

Sie hatten das Geld ...

Ich hatte vor allem einen sehr guten Leistungsausweis als Unternehmer, auf den ich mich berufen konnte und konnte belegen, dass ich für die Aufgabe geeignet bin. Und ich hatte die Zeit und ja, auch die finanziellen Mittel, um den Wahlkampf zu führen.

War es rückblickend für Sie der richtige Schritt, in die Politik zu gehen? Sind Sie zufrieden mit dem Weg, den Sie eingeschlagen haben?

Ich muss mich immer noch an die Trägheit der politischen Prozesse in Bern gewöhnen und daran, dass es keine Priorisierung zwischen unwichtigen und wichtigen Themen gibt. Früher als Unternehmer ging ich am Morgen zur Arbeit und konnte am Abend vorweisen, was ich beschlossen oder umgesetzt hatte. In der Politik ist der Zeithorizont meistens zwei Jahre oder mehr. Diese Geduld aufzubringen, fällt mir manchmal noch etwas schwer. Ich bin aber mittlerweile in Bern angekommen und auch der festen Überzeugung, dass ich in meinen Themen einen Mehrwert für die Schweiz und die Digitalisierung in der Wirtschaft bieten kann.

Wie wollen Sie ICT-Switzerland als Präsident in Zukunft prägen?

ICT-Switzerland soll der Schweizer Dachverband für «digital technologies» werden, das heisst, wir sehen uns als Dachverband, der ganz klar den Lead bei diesen Themen hat. Darum werden wir uns verbreitern und durch die Leute, die wir mit an Bord haben, die erste Anlaufstelle für diese Themen sein. Das ist mein Ziel.

Zur Person

Marcel Dobler schloss eine Lehre als Elektroniker ab und absolvierte danach ein Informatikstudium.

Noch während des Studiums gründete er zusammen mit zwei weiteren Personen das Unternehmen Digitec, das führende Schweizer Geschäft im Onlineverkauf von Unterhaltungselektronik. Nach 13 Jahren verliess er das Unternehmen.

Dobler ist auch ein erfolgreicher Sportler: So wurde er 2009 Schweizer Meister im Zehnkampf, 2012 Schweizer Meister im Mannschaftsmehrkampf und 2016 Schweizer Meister im Viererbob.

2015 wurde Dobler in den Nationalrat gewählt, seit 2017 ist er zudem Präsident von ICT-Switzerland und Verwaltungsrat von Swisssign. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Quelle: Marcel Dobler

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