Oyoba-Gründer und CEO Kevin Schellinger im Interview

"Wir setzen auf eine neue Finanzwelt"

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Das Start-up Oyoba will als erste digitale Bank des Crypto Valley die Bankenwelt aufmischen. CEO und Gründer Kevin Schellinger verrät, was ihn an den bestehenden Banken stört, welche Ziele das Start-up verfolgt und wie die Firma mit Blockchain & Co. Geld verdienen will.

Kevin Schellinger, CEO und Gründer, Oyoba. (Source: Kevin Ringli)
Kevin Schellinger, CEO und Gründer, Oyoba. (Source: Kevin Ringli)

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Bank zu gründen?

Kevin Schellinger: Das Banking ist heute generell extrem limitiert und ich finde, meine Bank sollte mehr für mich machen und mehr bieten. Ich habe mich als Bankkunde schon immer geärgert, wenn ein Service nicht so ist, wie er sein sollte. Früher war die Idee, eine Bank zu gründen, natürlich sehr weit weg. Durch meine Aktivitäten im Blockchain-Bereich setzte ich mich aber intensiv mit dem Finanzbereich auseinander. Das hat mir irgendwie die Augen geöffnet. Nun versuchen wir unsere Ideen, wie man Banking moderner, kundenfreundlicher, aber auch gerechter – kurz: besser machen könnte, mit Oyoba umzusetzen.

Wo hapert es bei den heutigen Banken?

Wir sprachen im Zusammenhang mit einem früheren ­Unternehmen im Bereich Krypto-Trading mit einigen Schweizer Banken. Wir stiessen dabei auf sehr viel Ablehnung und mussten feststellen, wie rückständig die Banken sind. Auch arbeitete ich eine kurze Zeit als Consultant bei einer Grossbank. Dort habe ich selbst gesehen, wie eine Bank so tickt. Und ich sage Ihnen: Auch mit allem Geld der Welt würde man mit der dort herrschenden Kultur nie so richtig Innovation betreiben können. Das gab mir den Mut, es selbst zu probieren und mit einer neuen Unternehmenskultur, die sich auf Innovation und den Kunden fokussiert, das Thema Banking anzugehen.

Oyoba will die erste digitale Bank des Crypto Valley sein. Was verstehen Sie darunter?

Wir schreiben das Jahr 2018 und eigentlich sollten alle Banken schon längst digitalisiert sein. Das sind sie aber nicht. Das Firmenziel, die erste digitale Bank des Crypto Valley zu werden, soll hierbei zum Ausdruck bringen, dass wir auf eine neue Finanzwelt setzen, eine Welt der Blockchain und Kryptowährungen. In Verbindung mit bereits existierenden, bewährten Elementen des traditionellen Bankings. Wir erfinden das Rad nicht neu, sondern drehen es weiter. Denn was viele nicht wissen: Das Thema Blockchain ist in erster Linie ein struktureller Wandel: Weg von geschlossenen hierarchischen Systemen, hin zu einem offenen System der Gleichberechtigung.

Was wollen Sie anders machen als traditionelle Banken?

Wir wollen uns viel stärker auf den Kunden fokussieren. Im Banking steht heute oft das Senken der eigenen Kosten im Zentrum und nicht der Mehrwert für den Kunden. Dank technologischer Neuerungen hätte man aber eigentlich die Möglichkeit, kontinuierlich Mehrwert zu schaffen. Dies haben die Banken jedoch bisher verpasst. Die Services von Oyoba sollen sich deshalb Daten zunutze machen, um dem Kunden Empfehlungen zu geben und nicht nur um Kontos zu verwalten und teure Werbekampagnen zu kreieren.

Können Sie hierfür ein Beispiel geben?

Wenn der Referenzzinssatz sinkt, könnte man doch den Kunden auf eine Mietsenkung aufmerksam machen. Im nächsten Schritt könnte man den Kunden hierbei sogar unterstützen. Um solche intelligenten Services geht es. Services, die das Leben der Menschen einfacher machen und ihnen helfen, Geld zu sparen. Die Bank soll das ganze Finanzleben eines Menschen optimieren. Auch können wir massiv Kosten senken, weil wir auf rein digitale Services setzen. Wer nicht das nötige Kleingeld hat, ist im heutigen Finanzmarkt stets auf der Verliererseite. Die hohen Gebühren fressen jegliche Renditen sofort wieder auf. Tiefe Gebühren ermöglichen es jedem, zu investieren und vom Wachstum der Weltwirtschaft zu profitieren.

Welche Dienstleistungen wollen Sie Ihren Kunden zum Start ­anbieten?

Das Ziel ist es, im Konsumbereich ein solides E-Banking anzubieten; mit einem Konto und einer Karte. So weit an sich nichts Neues, ausser dass das Konto Zahlungsverkehr sowohl in Franken als auch in Kryptowährungen ermöglichen soll. Darauf wollen wir dann aufbauen, bis man bei uns all das machen kann, was man bei einer Retail-Bank heute kann. Wir wollen aber nicht alles selbst anbieten, sondern arbeiten mit Partnern zusammen.

Welche Partner sind das?

Wir bringen ein gutes Netzwerk mit und sind mit vielen Unternehmen im Gespräch. Eine Partnerbank ist im EU-Bereich tätig, die anderen haben ihren Schwerpunkt in der Schweiz. Leider dürfen wir noch keine Namen nennen.

Wie verwenden Sie die Blockchain-Technologie bei Oyoba?

Dem Endkunden bieten wir eine nahtlose und sichere Integration von Kryptowährungen, die als Investment oder Zahlungsmittel genutzt werden können. Anderen Unternehmen wollen wir Mehrwerte schaffen, indem wir verschiedenen Blockchains den Anschluss an die bestehende Finanzwelt ermöglichen. Denn die Blockchain selbst ist nur eine Art Medium, auf dem man standardmäs­sig nur die native Währung wie Bitcoin oder Ether übertragen kann. Wenn man mit der Blockchain mehr machen will, beispielsweise Franken übertragen, dann braucht es einen Anbieter. Dieser Anbieter setzt ein gewisses Vertrauen voraus. Als regulierte Schweizer Bank wäre man eine geeignete Entität, die dieses Vertrauen schaffen kann.

Sind Smart Contracts, wie sie etwa Ethereum realisieren möchte, bei Oyoba auch ein Thema?

Ja, absolut. Die Services, die wir auf die Blockchain bringen, wird man mit Smart Contracts nutzen können.

Wie möchten Sie Kryptowährungen bei Oyoba einbinden?

Das Angebot der Banken in diesem Bereich ist bislang noch stark limitiert. Zahlungen mit Bitcoin wie mit Schweizer Franken, davon sind wir noch sehr weit entfernt. Denn dazu braucht es viel Know-how. Die grossen Banken scheuen den Aufwand, da die Nachfrage bei den Kunden noch sehr klein ist. Die kleinen Banken auf der anderen Seite sind technisch zu schwach aufgestellt. Das ist unsere Chance. Wir sind technisch sehr versiert und auch ein verhältnismässig kleiner Markt ist für uns schon interessant.

Was verstehen Sie unter dem Begriff Business-to-Blockchain?

Im klassischen B2B bietet man eine Dienstleistung einem anderen Unternehmen an. Mit der Blockchain kann man diese Beziehung entkoppeln und bringt die Dienstleistung auf die Blockchain, die als Plattform agiert. So muss man die Gegenpartei nicht einmal zwangsläufig kennen. Das heisst, wir können etwas auf die Blockchain bringen und die Kunden können es einfach nutzen, ohne uns zu fragen. Diese Offenheit des Systems ermöglicht uneingeschränkte Innovation und demokratisiert gleichzeitig unsere digitale Wirtschaft, weil alle gleichberechtigt daran teilnehmen können.

Können Sie hierfür ein Anwendungsbeispiel geben?

Wir können beispielsweise einen Token auf der Blockchain ausstellen, der einen Vermögenswert wie eine Unze Gold repräsentiert, die wir verwahren. Jetzt kann diese Unze Gold in der Form dieses Tokens frei den Besitzer wechseln, so einfach wie man eine E-Mail versendet. Die Ideen dazu sind nicht neu, aber es hat noch keine regulierten Player in diesem Markt. Man will schliesslich sicherstellen, dass hinter diesem Token auch etwas steckt.

Eine Bank braucht viel Startkapital. Wie möchten Sie Oyoba finanzieren?

Den Anfang werden wir mit einem Crowdfunding machen. Das passt auch sehr gut zu unserer Philosophie «own your bank». Die Idee war immer, dass die Bank den Kunden gehört und die Kunden mitreden können und auch angehört werden. Ursprünglich planten wir eine Finanzierung à la Kickstarter. Jetzt gibt es mit den ICOs aber eine viel effizientere Form des Crowdfundings. Durch unsere langjährige Erfahrung im Blockchain-Bereich wurde schnell klar, dass dies das richtige Modell für uns ist.

Was werden Ihre Investoren beim ICO als Gegenleistung erhalten?

Unsere Investoren werden eine Art Gutschein in Form eines solchen Tokens bekommen, den man später für Services einlösen kann. Damit werden Dienstleistungen vorfinanziert. Es wird auch ein Programm geben, bei dem man als Kunde mit diesen Tokens eine Mitgliedschaft ähnlich einer Genossenschaft erwerben kann. Die Mitglieder werden dabei für ihre Loyalität mit Aktien belohnt.

Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?

Wir haben uns mit verschiedenen Optionen auseinandergesetzt. Es gibt die klassischen Möglichkeiten, etwa Gebühren für Kontoführung oder Geldwechsel. Wir haben hier den Vorteil, dass wir als rein digitale Bank viel kostengünstiger operieren könnten. Ausserdem wollen wir mit Zusatzdienstleistungen Geld verdienen. Wir wollen dafür aber das Businessmodell der Banken verändern. Weg vom Arbeiten mit dem Geld, hin zu anderen Angeboten, die im Kontext der Finanzen einen Mehrwert bieten. Zum Beispiel wollen wir Kunden helfen, Geld zu sparen, indem sie zum Beispiel stets die günstige Versicherung beziehen. So möchten wir eine Win-win-Situation schaffen.

Oyoba steht für «Own your bank». Wie möchten Sie diesen Wahlspruch umsetzen?

Dies ist mehr als nur ein Wahlspruch. Es fängt schon mit dem ICO an. Wir haben auch einen klaren Plan, wie die Eigentümerschaft mit steigender Anzahl Kunden an diese übergeht. Ausserdem arbeiten wir mit Aktienstruk­turen, bei der eine möglichst hohe Gleichberechtigung beim Stimmrecht herrschen soll. Ziel ist ein genossenschaftsähnliches Modell innerhalb einer Aktiengesellschaft.

Sie schreiben, bei Oyoba könne jedes Mitglied mitbestimmen. Wie funktioniert diese Mitbestimmung?

Uns schwebt zum Beispiel eine digitale Generalversammlung vor bei welcher die Mitglieder den Verwaltungsrat wählen, über Bonuszahlungen entscheiden oder bei der Höhe von Gebühren mitreden können. Wenn wir den Status Quo verändern wollen, müssen wir neue Wege gehen. Technologie kann uns bei diesem Prozess unterstützen, aber nicht immer. Manchmal braucht es einfach auch ein wenig Mut, Visionen und unternehmerisches Denken. «Own your bank» bedeutet für uns nicht nur Miteigentum oder Mitspracherecht unserer Kunden, sondern auch die Möglichkeit mehr Kontrolle über das Geld zu erlangen. Und zwar in jeglicher Hinsicht.

Sie stellen Nachhaltigkeit ins Zentrum. Was meinen sie damit?

Wie in unserer Welt Geld investiert wird, hat grosse Auswirkungen. Es macht einen Unterschied, ob man in Kohlekraftwerke investiert oder in Solarfarmen. Wir möchten den bewussten Lebensstil von heute - etwa beim Kleiderkauf oder beim Essen - aufs Banking übertragen. Jeder der heute Geld auf einem Bankkonto hat, wird zwangsläufig zu einem Investor. Man hat jedoch keine Kontrolle, wie die Bank das Geld investiert. So fördert man vielleicht automatisch Dinge, die man gar nicht möchte. Generell sollte man deshalb die Möglichkeit haben, auch bei Finanzthemen bewusster zu handeln. Gezieltere Investitionen können ausserdem einen positiven Wandel der Wirtschaft und der Gesellschaft herbeiführen. Das Stichwort heisst hier “Impact Investing”.

Wie lässt sich nachhaltiges Investieren verwirklichen?

Es gibt heute viele Externalitäten, die nicht im Preis enthalten sind. Zum Beispiel kauft man Benzin, ohne die Kosten für das ausgestossene CO2 zu tragen. Wir wollen den Leuten die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Werte auch im Portfolio abzubilden. Wir sind dazu in Kontakt mit der Global Alliance for Banking on Values (GABV). Von diesem Verein möchten wir lernen, wie sich nachhaltiges Banking umsetzen lässt. Die Bankenwelt braucht einen kulturellen Wandel. Wenn man schon aus technischer Sicht etwas Neues erfindet, warum sollte man dann nicht auch anderswo neue Wege beschreiten?

Wie sieht Ihr Team aus?

Wir haben ein sehr interdisziplinäres Team, das mit unseren vielen Beratern bereits auf über 20 Leute angewachsen ist. Wir können von Blockchain zum Banking bis AI sehr viele relevanten Kompetenzen abdecken. Die meisten unserer Mitglieder sind in der Schweiz. Zudem unterhalten wir noch ein Entwicklerteam im Ausland.

Gibt es schon ein Startdatum?

Ursprünglich verfolgten wir ein Neo-Banken-Modell, bei dem wir selbst keine Bankenlizenz benötigt hätten. Das wäre regulatorisch viel einfacher in der Umsetzung. Momentan ist das Umfeld zum Geldsammeln aber viel besser als in unserer Konzeptphase. Deshalb überlegen wir nun, direkt eine Bankenlizenz anzustreben. Das macht vieles möglich, schiebt aber auch den Zeitplan etwas hinaus. Wir hoffen, erste Dienstleistungen noch dieses Jahr auf den Markt zu bringen. Die grossen Produkte müssen aber wahrscheinlich noch bis nächstes Jahr warten. Wir sind dort teilweise auch vom Regulator und der Politik abhängig und dass die Versprechen einer innovationsfreund­lichen Umgebung auch eingelöst werden.

Wird der Start von Oyoba auf die Schweiz beschränkt sein, oder sind auch internationale Aktivitäten geplant?

Die Schweiz und die EU sind unser primärer Zielmarkt im Privatkundensegment. Im Banking ist die länderspezifische Regulation leider ein Faktor, der die Internationalisierung herausfordernd macht. Man muss sich überall um Regularien bemühen. Auch das Produkt braucht länderspezifische Anpassungen, wenn man ein hervorragendes Produkt anbieten möchte. Der Vorteil der EU ist, dass wir einen Markt haben. Die Schweiz gehört nicht dazu, was das Ganze nicht einfacher macht. Wir hoffen aber in anderer Hinsicht vom Standort Schweiz profitieren können. Da sind wie schon erwähnt auch der Regulator und die Politik gefragt, ihre Versprechen einzulösen.

Spielen die neuen Regeln der EU im Rahmen von PSD2 für Oyoba eine Rolle?

Wir prüfen sehr genau, ob wir von PSD2 profitieren können. Wir haben auch einen Partner, der schon vor PSD2 auf Plattform-Banking gesetzt hat. Im Moment ist allerdings noch nicht klar, wie die PSD2 schlussendlich aussieht. Aber die Regelung ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn sie senkt die Hürden für Fintech-Apps. Längerfristig wird die Blockchain PSD2 obsolet machen. Wir wollten aber nicht das Risiko eingehen, uns komplett davon abhängig zu machen. Wir suchten uns deshalb eine Lösung, die unabhängig von PSD2 funktioniert.

Wie geht es jetzt mit Oyoba weiter?

Wir haben viel Zeit investiert, um ein Team aufzubauen. Wir hatten das Glück, dass wir auf bestehende Netzwerke zurückgreifen, aber auch neue Unterstützer und Berater gewinnen konnten. Der nächste Meilenstein ist das Crowdfunding. Unser Ziel ist, eine grosse Community aufzubauen, die uns ihr Vertrauen schenkt und das ­Kapital zur Verfügung stellt, um unsere Vision umzusetzen. Abhängig von den Investoren und dem Lizen­zierungs­prozess wird es dann schätzungsweise ein bis zwei Jahre dauern, unsere mittelfristigen Ziele umzusetzen. Wir wollen natürlich so früh wie möglich loslegen, aber das liegt nicht nur in unserer Hand. Oyoba ist ein ambitiöses Projekt, das seriös und langfristig aufgebaut sein will.

Haben Sie ein bestimmtes Ziel, was das Crowdfunding und die Community anbelangt?

Um eine Bankenlizenz zu bekommen, braucht man etwa 30 Millionen Franken. Das ist viel Geld. Aber man sieht momentan viele Projekte, die in dieser Grössenordnung sammeln. Mit dem erwähnten Neo-Banken-Modell ­könnten wir schon mit viel weniger starten, sind jedoch längerfristig auch eingeschränkt. Unsere Ambitionen ­setzen deshalb auch klar eine eigene Bankenlizenz zum Ziel.

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