Digitales Wetter

Wolken in der dritten Dimension

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von Peter Rüegg, ETH Zürich

ETH-Computergrafiker haben die Wolkenbildung und Luftströmungen in hochaufgelösten Wettersimulationen analysiert und dafür eine Wettersituation dreidimensional dargestellt. Von einer solchen Visualisierungsmethode könnten künftig die Fliegerei und die Meteorologie profitieren.

(Source: erhui1979 / iStock.com)
(Source: erhui1979 / iStock.com)

Visualisierungen spielen bei Untersuchungen von Wetterdaten wie Temperatur, Luftdruck oder dem Wassergehalt der Atmosphäre eine sehr grosse Rolle. Solche Daten grafisch darzustellen ist auch relativ einfach, da sie einen klaren räumlichen Bezug haben und sich daher gut auf Landkarten eintragen lassen.

Zurzeit sind in der Meteorologie zweidimensionale Darstellungen Usus, sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung bei Wettervorhersagen. In der Regel reichen solche einfachen Visualisierungen aus. Einige Prozesse, wie etwa die vertikale Entwicklung von Wolken über die Zeit, lassen sich zweidimensional jedoch nur schlecht untersuchen.

Wolken dreidimensional visualisieren

Computergrafiker aus der Gruppe von ETH-Informatikprofessor Markus Gross haben deshalb Ansätze entwickelt, um basierend auf numerischen Wettersimulationen die Entwicklung und Dynamik von Wolken und Luftströmungen hochaufgelöst dreidimensional zu visualisieren.

Ihre Arbeit präsentierten die Forscher an zwei internationalen Fachkongressen, wo die neue 3D-Visualisierungsmethode vom Publikum gut aufgenommen worden sei, sagt Tobias Günther, Senior Scientist bei Gross. Der von Günther betreute Student Noël Rimensberger hat die Methoden als Bachelorarbeit entwickelt, ausgebaut und die Visualisierungen auf dem Computer berechnet.

Die Grundlage für Rimensbergers Visualisierungen waren Wind-, Wolken- und Regendaten, die im Rahmen eines internationalen Visualisierungswettbewerbs, dem IEEE Scientific Visualization Contest 2017, der Wissenschaft frei zur Verfügung gestellt wurden. Die zugrunde liegende Simulation bildet die Wetterlage am Abend des 26. April 2013 nach und entstand im Rahmen eines grossangelegten Meteorologie-Forschungsprojektes namens HD(CP)², an welchem sich mehr als 100 Forscher aus 19 Institutionen beteiligen.

Der Informatikstudent kombinierte bestehende Algorithmen, um die Wolkenentwicklung und die Luftströmungen zu visualisieren und wandte dabei aktuelle Methoden aus dem Forschungsfeld der wissenschaftlichen Visualisierung an.

Neue Möglichkeiten ausloten

Dabei ging es ihm weniger darum, für die Meteorologie brauchbare Prognosewerkzeuge zu schaffen, als die Möglichkeiten auszuloten, Wetter «relativ simpel und verständlich darzustellen», wie er betont. Der Wert für die Wissenschaft sei, dass die 3D-Grafiken etwas sichtbar machen, was auf 2D-Grafiken nicht sichtbar sei, um dadurch einen Überblick gewinnen zu können.

So zeigen Rimensbergers Visualisierungen, wie sich Wolken über Deutschland formieren und über die Zeit verändern, mit Aufwinden in die Höhe getragen und schliesslich von Winden in der Troposphäre mehr als 10 Kilometer über den Boden verfrachtet werden. In unterschiedlichen Farben dargestellt werden Wolkenzonen, die einen identischen Wasser- oder Eisgehalt haben.

Weiter analysierte der Informatikstudent auch Luftströmungen. Die Linien stellen die Pfade von Luftpaketen dar und deren Farben zeigen an, wie stark sich ein Luftpaket um seine eigene Achse dreht. Die Länge der Linien gibt Aufschluss über den zurückgelegten Weg und visualisiert damit die Strömungsgeschwindigkeit. Aufsteigende Wolken erzeugen Turbulenzen, die stärkere Verwirbelungen hervorrufen oder deren Flugbahn verändern. Beides ist an den berechneten Pfadlinien ablesbar.

Den Simulationen der Wolkenentwicklung überlagerte Rimensberger zudem die Flugbahnen von startenden Passagierflugzeugen. «Ich wollte herausfinden, ob und wie Gewitterzonen den Flugverkehr beeinflussen», sagt er.

Die Flugbahnen der in Frankfurt startenden Maschinen verlaufen allerdings quer durch die simulierten Gewitterzellen hindurch. Lediglich ein in München startender Flieger weicht einer Regenzelle über Regensburg ein wenig aus. Der Computerforscher folgert daraus, dass die Gewitter zu wenig heftig waren, um eine Verlagerung des Flugverkehrs zu notwendig zu machen, oder zu wenig Messdaten vorhanden waren.

Die neuen Visualisierungen erleichtern die Klassifizierung von Wolkenformationen, weil Wolken «sichtbar» werden, die weder Satelliten von oben noch ein Beobachter vom Boden aus sehen können. Ein Vergleich mit der heute üblichen 2D-Kategorisierung zeigte, dass die neuen Algorithmen auch übereinander angeordnete Wolkenstrukturen erkennen können.

Unsichtbares aufdecken

«Der wissenschaftliche Wert unserer Visualisierung liegt darin, dass wir etwas sichtbar machen, was mit bisherigen Tools nicht sichtbar ist», sagt Rimensberger. Für Echtzeitsimulationen sei aber die Zeit noch nicht reif. Auch aufwändige Grafiken wie diejenige der Luftströmungen über ganz Deutschland haben den Weg in die Praxis bisher nicht gefunden. «Die Berechnungen hierfür dauern derzeit zu lang. Wir versuchen, sie mit verbesserten Algorithmen zu verkürzen», ergänzt Günther. «Einige der Visualisierungen oder etwa die Wolkenklassifizierung könnte man aber bereits jetzt in existierende Tools integrieren.»

Für die Flugsicherung könnte die Visualisierung von turbulenten Strömungsregionen oder von Regionen mit starken Auftrieb und Unwetterentwicklung ebenfalls von Interesse sein.

Folgeprojekte sind geplant oder bereits in Arbeit, wie jenes einer interaktiven Auswertung von grossen meteorologischen Datensätzen. Die Computergrafiker sind zudem daran, wichtige Strukturen in diesen Daten besser sichtbar zu machen und die aufwändigen Visualisierungen von Luftströmungen zu beschleunigen. Wer weiss, vielleicht präsentiert dereinst der TV-Wetterfrosch 3D-Wetterkarten, welche auf ETH-Algorithmen beruhen. (Quelle: ETH-News).

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