Master of Swiss Web 2018: SBB

"Wir mussten über 10'000 Inhaltsseiten migrieren"

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Die SBB haben es wieder getan und erneut den Titel Master of Swiss Web gewonnen. Die Redaktion hat bei Christof Zogg nachgefragt, welche Herausforderungen es beim Relaunch von SBB.ch gab. Der Director Digital Business bei den SBB spricht im Interview über Vorbilder, den Umgang mit Partnern und die Corporate-IT.

Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB.
Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB.

Herzliche Gratulation zum Gewinn des Awards! Wie fühlt es sich an, Master of Swiss Web 2018 zu sein?

Christof Zogg: Wir sind sehr glücklich und stolz, den Master-Titel gewonnen zu haben. Die Anerkennung unserer Arbeit durch die Fachjurys ist eine grosse Genugtuung.

 

Die SBB warben mit einem Video im Trump-Stil um Stimmen. Wer produzierte das Video?

Um eine moderne Website betreiben zu können, beschäftigen wir ein eigenes Content-Creation-Team, das immer mehr Multimedia-Inhalte produziert. So konnten wir das Video komplett inhouse realisieren. Montiert und geschnitten wurde der Film übrigens von unserem 18-jährigen Mediamatiker-Lehrling.

 

War es schwierig, einen Sprecher zu finden, der wie Trump tönt?

Glücklicherweise brauchts heute keine Castings mehr vor Ort: Im Web findet man bequem den Original-Immitator von The Donald, der auch schon dem «Switzerland Second»-Video von Dominic Deville seine unverkennbare Stimme geliehen hatte. Und auch die Steuerzahler dürfen beruhigt sein – die Tonspur kostete weniger als 300 Dollar.

 

Wie haben Sie die Award Night erlebt?

Wenn man eigene Projekte im Rennen hat, ist man schon nervös. Wenn die eigene Arbeit dann auch noch für den Master nominiert ist, steigt die Anspannung erheblich. Ich habe jedenfalls aus Nervosität kaum einen Bissen des Dinners runtergekriegt, was aber auch an der etwas trockenen Polenta gelegen haben mag. Mit der Verkündung des Ergebnisses der Master-Wahl fällt dann auf einmal die Spannung ab und macht unbändiger Freude Platz. Hinterher habe ich beim hervorragenden Dessertbuffet zugegriffen und die fehlenden Kalorien mehr als wettgemacht.

 

Was bedeutet der Award für die SBB?

Gerade in grossen Unternehmen sind solche Preise sehr wichtig für die verantwortlichen Teams. Oftmals kann intern gar niemand richtig beurteilen, ob die Digital-Business-Abteilung einen ungenügenden, einen soliden oder hervorragenden Job macht. Denn viele digitale Tätigkeiten sind noch sehr jung und es fehlen etablierte Benchmarks. Hier kann die Beurteilung durch eine externe Fachjury eine wichtige Signalwirkung geben.

 

Die SBB kooperierten für den Website-Relaunch mit Unic und One Inside (ehemals Inside Solutions). Wie war die Arbeitsteilung?

Unic war verantwortlich für die Gestaltung des UX-Designs und die Frontend-Programmierung unserer Web­site und hat dies toll gelöst. Die Aufgabe war sehr anspruchsvoll, weil wir höchste Anforderungen an die Responsiveness hatten, die Website aber auf dem Desktop nicht aussehen sollte wie ein zu gross geratener App-Screen. Das resultierte in einer Umsetzung von nicht weniger als 9 Breakpoints, die sicherstellen, dass die Website auf sämtlichen Geräteklassen optimal dargestellt wird.

 

Das klingt aufwändig und komplex.

Ja, SBB.ch ist gemessen an den Unique Clients die grösste Schweizer Website. Wir mussten über 10 000 Inhaltsseiten migrieren. Den Hauptanteil der Arbeit erledigte unser Channel-Management-Team, temporär verstärkt durch Freelancer. One Inside war verantwortlich für die Back-End-Entwicklung. Dazu gehören Templates, Content-Module und die Rechteverwaltung mit verschiedenen Rollen und Dutzenden von Back-End-Nutzern.

 

Waren weitere Partner am Projekt beteiligt?

Einen Grossteil der Arbeit haben unsere Kollegen von der SBB-IT geleistet. Sie verantworteten die technische Umsetzung des Onlinefahrplans und Billettverkaufs. Beide Teilsysteme laufen ausserhalb von Adobe Experience Manager, machen aber über 80 Prozent des Traffics von SBB.ch aus. Die Corporate-IT ist auch verantwortlich für den hochverfügbaren und performanten Betrieb von SBB.ch.

 

Die SBB gewannen Best of Swiss Web, den Digital Transformation Award und Best of Swiss Apps. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Beim Digital Transformation Award haben wir sicher auch ein bisschen davon profitiert, gleich bei der ersten Durchführung des Awards eingereicht zu haben. Und bei den drei Master-Siegen davon, dass die SBB dank der Bekanntheit beim Publikumsvoting gegenüber Projekten kleiner Firmen einen Reichweitenvorteil haben. Aber ein Erfolgsbaustein ist sicher, dass die Verantwortung für die digitalen Endkunden-Touchpoints in einem Team konzentriert und nicht wie in anderen grossen Firmen etwa die Corporate Website und der Commerce-Bereich in unterschiedlichen Geschäftsbereichen sind. Ferner geniesst unser Team einen hohen Handlungsspielraum und verfügt über die notwenigen Mittel, digital nachhaltig etwas zu bewegen.

 

2012 arbeiteten die SBB noch mit Namics und Maxomedia ­zusammen, jetzt nicht mehr. Warum?

Das Projekt wurde öffentlich ausgeschrieben und Unic hatte sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen ganz knapp vor Namics durchgesetzt. Wir hatten dabei übrigens nicht einfach den sichereren Weg eines grossen Partners gewählt. Interessanterweise hatten beide Grossagenturen auch in Sachen Kreativität die Nase vorn.

 

Warum brauchten die SBB eine neue Website?

Es gab mehrere Gründe für einen kompletten Relaunch statt bloss einem Redesign. Erstens galt es, die beiden getrennten Desktop- und Mobile-Auftritte in einer responsiven Website zu vereinen. Zweitens mussten wir die gesetzlichen Anforderungen der Barrierefreiheit (WCAG 2.0) erfüllen. Drittens war der visuelle Auftritt der alten Website deutlich in die Jahre gekommen. Ziel ist es, in fünf Jahren nicht wieder ein Relaunch-Grossprojekt starten zu müssen. Ob uns das gelingt, hängt aber auch von Innovationen bei den Webtechnologien ab. Klar ist, dass wir SBB.ch kontinuierlich weiterentwickeln. Aktuell lancieren wir alle ein bis zwei Monate neue Features, die direkten Kundennutzen stiften.

 

Beobachten Sie, was andere ÖV-Anbieter für Websites haben?

Selbstverständlich verfolgen wir, was die nationale und internationale ÖV-Branche im Web tut. Generell orientieren wir uns aber weniger an den besten der Branche, sondern an den besten Webprojekten generell – international an den Big 5 (Facebook, Google, Apple, Amazon, Micro­soft) und national etwa an Digitec und Co.

 

Die SBB nutzen viele Datenquellen. Wie gingen Sie damit um?

In der Tat waren in der alten Version von SBB.ch über 100 Webservices eingebunden. Hier gibt es leider kein Patentrezept, sondern nur zwei Möglichkeiten: den Service abstellen oder migrieren. Das Einzige, was man tun kann, ist ein bretterhartes Projektmanagement durchzuziehen.

 

Wie reagierten die Nutzer auf die neue Website?

Im Gegensatz zu Apps, wo sich die Zufriedenheit in Ratings manifestiert, muss man Online-Nutzerfeedback ermitteln. Unsere Befragungen kurz vor und 3 Monate nach dem Relaunch zeigen Zufriedenheit. Das ist erfreulich, wenn man bedenkt, dass sich Millionen Nutzer erst an das neue Design gewöhnen mussten. Eine validere Messung liefern Statistiken: Nach zwei Jahren Stagnation stieg der Onlineverkauf von Billetten seit dem Relaunch um 12 Prozent.

Webcode
DPF8_88632