Verbandsnachrichten von Asut

"Future of Communication" – wie wir künftig kommunizieren

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Der diesjährige Swiss Telecommunication Summit wird sich damit auseinandersetzen, in welche Richtung sich die ­Kommunikationstechnologien in den nächsten Jahren entwickeln. Das kommt nicht von ungefähr, wie Asut-Präsident ­Peter Grütter im Interview erklärt. Interview: Asut

Peter Grütter, Präsident, Asut. (Source: Rachel Engeli)
Peter Grütter, Präsident, Asut. (Source: Rachel Engeli)

Die Zukunft liegt immer vor uns. Warum nimmt sich Asut dem ­Thema gerade jetzt an?

Peter Grütter: Weil wir Menschen gerade jetzt eine ganz grundlegende Transformation unserer Schnittstelle mit dem Computer erleben. Die Auswirkungen der Transformation werden mindestens so umwälzend sein, wie der Übergang von der Lochkarte zur Tastatur. Auch das war ein Quantensprung: Vorher konnten wir mit dem Computer nur via umständlich in Papierstreifen gestanzte Löcher kommunizieren. Heute sind Tastatur, Touchscreen oder Sprachbedienung Teil unseres Alltags. Der nächste Schritt ist der Einzug der dreidimensionalen Virtual Reality, wie wir sie vom Gaming her bereits kennen, in unsere Interaktion mit dem Internet und dem "normalen" Computer.

Wie muss man sich das vorstellen?

Nehmen wir als Beispiel irgendeine Kartenapplikation: Auch auf heutigen Touchscreens können wir eine Karte mit zwei Fingern nach Belieben drehen, auseinanderziehen oder nach oben und unten scrollen. Aber es ist eigentlich umständlich. Im dreidimensionalen Raum wird es zum Kinderspiel: Da nehmen wir die Weltkugel wie einen Ball in die Hand, drehen sie nach Belieben und zoomen uns an die gewünschten Details heran. Alles, was man berühren und zeigen kann, wird im dreidimensionalen Raum ganz wörtlich "at our fingertips" sein. Fotos sind ein anderes Beispiel: Auch heute können wir jeden Schnappschuss bearbeiten, störende Objekte löschen – mit der richtigen App gelingt das allen mit mehr oder weniger Aufwand. Im 3-D-Raum könnte ich das alles mit meinen Händen machen: Hier etwas wegwischen, dort etwas zurechtrücken. Ganz einfach und völlig intuitiv.

Die Interaktion mit dem Computer wird also einfacher. Was haben wir konkret davon?

Die Zukunft der Kommunikation ist sehr viel mehr als einfach "etwas schneller, etwas einfacher, etwas breiter verfügbar" und auch keine infrastrukturelle Frage wie etwa "Glasfaser anstelle von Kupfer". Der springende Punkt ist: Erstmals werden wir Menschen die digitale Welt als völlig natürlichen Teil unserer Umwelt erfahren. Reale und virtuelle Realität gehen ineinander über, werden ein Ganzes. Das ist eine riesige, nicht zu unterschätzende Veränderung – und sie wird sich zweifellos in zahllosen Anwendungen niederschlagen.

Zum Beispiel?

Das Potenzial virtueller Lernumgebungen, wo Feuerwehrleute sich übungshalber inmitten eines virtuellen Hausbrands wiederfinden oder Medizinstudenten die Anatomiegrundlagen an virtuellen Leichen erlernen können. Gebäude werden uns ihre Geschichte ins Blickfeld projizieren und beim Fussballmatch wird uns die Torquote des Spielers eingeblendet, den wir gerade betrachten. Das sind jetzt Beispiele, die bereits heute existierende Anwendungen weiterführen und verfeinern. Ich bin mir sicher, dass die neue 3-D-Schnittstelle, die digitale Informationen und Elemente völlig natürlich in unsere Wahrnehmung und damit ins reale Leben integriert, eine Vielzahl von heute noch gar nicht vorstellbaren innovativen Entwicklungen mit sich bringen wird. Zweitens entsteht aus dieser Verschmelzung des Realen mit dem Digitalen auch eine weitere und mit hoher Autonomie funktionierende Kommunikations- und Arbeitsebene. Eine Art Parallelwelt für Serviceaufgaben. Ansätze dazu sehe ich etwa in der Verkehrssteuerung, beim Patientenmonitoring, bei der Wartung von technischen Systemen in der Industrie und beim Einsatz von KI-gesteuerten Landmaschinen.

Es gibt Bequemeres als die klobigen Virtual- oder Augmented-­Reality-Brillen. Wie wird sich die Schnittstelle zum Eintritt in die virtuelle Welt Ihrer Meinung nach verändern? Und: Wird Bio­elektronik, also die Verbindung von elektronischen Bauteilen und biologischen Systemen, dabei eine Rolle spielen?

Ich glaube, dass sich die Nutzerfreundlichkeit dieser Schnittstelle sehr rasch erhöhen wird. Die heute etwa von Facebook entwickelte smarte Brille unterscheidet sich nicht mehr gross von einer normalen Brille, und Mojo Vision arbeitet an der ersten smarten Kontaktlinse, inklusive lokaler Bildverarbeitung, Funkverbindung und diverser Sensoren. Das alles kommt. Weniger sicher bin ich mir, ob wir Menschen wirklich schon dazu bereit sind, solche Schnittstellen direkt und fest mit unserem Körper zu verknüpfen. Smarte Kontaktlinsen, die man einsetzen und auch wieder herausnehmen kann, sensorbestückte Pillen für medizinische Diagnosen, die durch unseren Verdauungstrakt wandern und wieder ausgeschieden werden, solche Dinge ja. Aber der Cyborg – halb Mensch, halb Roboter – liegt meiner Meinung nach noch etliche Jahre in der Zukunft.

Erst vor Kurzem, zu Beginn der Pandemie, wurden Gesundheits­daten ja bekanntlich noch per Fax übermittelt. Das hat sich, wie der Umgang mit Videokonferenzen, inzwischen geändert. Aber offenbar braucht es Krisen, damit wir längst verfügbare Kommunika­tionstechnologien überhaupt anwenden. Frage also: Sind wir für die von Ihnen beschriebene Zukunft überhaupt ­bereit?

Erstens: Bereit im Sinne von vorbereitet sind wir nicht. Zweitens: Ja, ich glaube, es braucht solche Krisen, damit namentlich auch öffentliche Institutionen in ihren Prozessen längst fällige Anpassungen vornehmen. Der Abstand zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit ist enorm und umspannt mehrere Technologiegenerationen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Bereit war der Mensch für technologische Revolutionen noch nie. Sie finden trotzdem statt. Es ist ein Merkmal der menschlichen Erfolgsgeschichte, dass wir mit uner­warteten Entwicklungen umgehen können. Und dann geht es jeweils plötzlich sehr rasant. Noch Ende des 19. Jahrhunderts erschienen Automobile vielen nicht mehr als eine Spinnerei. Nur zehn Jahre später trat der am Laufband hergestellte Ford-T seinen Siegeszug um die Welt an. Das Gleiche gilt für die wenigen Jahrzehnte zwischen der ersten Flugmaschine der Gebrüder Wright und der internationalen Luftfahrt. Dazu kommt: In der Kommunikationstechnologie sind die Erneuerungszyklen noch wesentlich kürzer. Kein Zweifel also: Die Zukunft der Kommunikation kommt. Sie wird uns überraschen – und wir werden sie meistern.

Swiss Telecommunication Summit - 47. Asut-Seminar

Thema: Future of Communication – Wie wir künftig kommunizieren
Datum: 21. Juni 2022, 09.15 bis 16.40 Uhr
Ort: Kursaal Bern, ­Kornhausstrasse 3, 3013 Bern

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