Marc K. Peter im Interview

KPIs für die Digitalisierung: Wie man den Projektfortschritt messen kann

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Transformationspläne gibt es zuhauf, doch kaum jemand spricht darüber, wie sich Digitalisierungsprojekte methodisch und zielgerichtet umsetzen lassen. Das Mittel zum Zweck ist ein Controlling mithilfe von KPIs. Wie das funktioniert und worauf dabei zu achten ist, erklärt Marc K. Peter von der FHNW.

Marc K. Peter, Professor für Digital Business und Leiter des Kompetenzzentrums Digitale Transformation an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. (Source: zVg)
Marc K. Peter, Professor für Digital Business und Leiter des Kompetenzzentrums Digitale Transformation an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. (Source: zVg)

Inwiefern lässt sich der Fortschritt einer Organisation auf dem Weg zur digitalen Transformation objektiv messen?

Marc K. Peter: Die Erfolgsmessung der digitalen Transfor­mation – der Strategieentwicklung im digitalen Zeitalter – ist grundsätzlich gut möglich. Die Schwierigkeit liegt darin, dass eine ganzheitliche und strategische digitale Transformation mehrere Jahre dauert. Quick-Wins, also erste Transformationsinitiativen, die einen schnell messbaren Nutzen bringen, können kurzfristig erfasst werden. Bei den mehrjährigen Initiativen gibt es jedoch viele ­Herausforderungen: Das Management verliert den Fokus, die Energie oder das Interesse an den Transformationsprojekten oder Führungskräfte und Projektmitglieder verlassen das Unternehmen und bisherige Initiativen kommen ins Stocken oder deren Ziele und Inhalte werden vergessen. Wenn es ein Unternehmen mit der strategischen digitalen Transformation ernst meint, es dafür Projekte definiert und Budgets freigibt, muss es auch ein langfristig ausgelegtes Transformations-Controlling aufbauen und nutzen.

 

Wie stellt man das am besten an?

Die Messung erfolgt auf zwei Arten. Erstens aufgrund der Projektfortschritte. Der digitale Masterplan beziehungsweise die digitale Strategie besteht aus mehreren Initiativen und Projekten. Deren Fortschritte kann man zum Beispiel mit Projektreports oder einem Ampelsystem messen. Zweitens muss man im Vorfeld zentrale Messgrössen, sogenannte Key Performance Indicators (KPIs), defi­nieren.

 

Welche Art von Indikatoren ist Ihrer Ansicht nach besonders verlässlich?

Die wichtigsten drei Indikatoren bei allen Transformationsstrategien sind 1. Finanzielles: Verdient das Unternehmen mehr Geld; steigt die Rentabilität? 2. Kundenorientierung: Mache ich die Kundinnen und Kunden erfolgreicher und glücklicher und binde sie so ans Unternehmen? 3. Mitarbeitendenorientierung: Schaffe ich eine von den Mitarbeitenden geschätzte moderne Arbeitswelt?

 

Wo besteht die Gefahr, dass man mit solchen KPIs das Falsche misst?

Kurzfristige Projekterfolge sollten gefeiert werden, aber der Fokus der digitalen Transformation liegt auf der nachhaltigen, langfristigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens im digitalen Zeitalter. Deshalb sollte man den Fokus auf langfristig messbare Indikatoren mit Zeitreihen analog der oben empfohlenen KPIs legen.

 

Welche typischen Zielvorgaben lassen sich quantitativ erfassen – und welche sollte man besser anhand von qualitativen Kriterien ermitteln?

Ausser den drei Hauptindikatoren gibt es eine Vielzahl von weiteren möglichen quantitativen Messgrössen, je nach den definierten Projekten, beispielsweise die Erhöhung der Prozessqualität, die Steigerung der Prozess­automatisierung oder die Senkung der IT-Sicherheitsschwachstellen und -angriffe. Schwieriger messbar sind Innovationsstärke und Kulturentwicklung. Hier empfehlen sich qualitative Kriterien wie zum Beispiel die Ideen und Projekte der Mitarbeitenden zur Steigerung der Kundenorientierung.

 

Viele Business-Metriken sind nachlaufend, bilden also vergangene Entwicklungen ab. Gibt es auch sinnvolle vorlaufende Indikatoren, mit denen man beispielsweise die Entwicklung von ­Digitalisierungsprojekten prospektiv einschätzen kann?

Viele operative Messgrössen lassen sich zur Extrapolierung, also zur Trendberechnung nutzen. Zum Beispiel Kundeninteraktionen auf Websites oder in den sozialen Medien, Produktnutzungsdaten, Ideen für Produktinnovationen von Mitarbeitenden und der Kundschaft, Kundenanfragen für neue Dienstleistungen etc. Diese Indikatoren können innerhalb von Monaten zeigen, ob das Unternehmen mit den ersten Massnahmen den richtigen Kurs eingeschlagen hat.

 

Was sind die typischen Fallgruben, auf die man beim Definieren von KPIs achten sollte?

Viele Unternehmen, speziell die grösseren Firmen mit definierten Prozessen für Investitionsprojekte, setzen den Fokus immer noch auf Businesspläne und Projektbudgets, die einen positiven Return on Investment (ROI) aufweisen. Diese vielfach fabrizierten Budgets und KPI-Ziele funktionieren in einer schnelllebigen, digitalen Welt nur bedingt. Hier ist Wissens- und Kulturarbeit auf Stufe Verwaltungsrat und Geschäftsleitung notwendig, um neue Ansätze, Methoden und KPIs in den Vordergrund für Strategie- und Technologiediskussionen zu bringen.

 

Nehmen wir als Beispiel das Schlagwort Employee Engagement. Angenommen, ein Unternehmen möchte das messen, um, sagen wir mal, die Zufriedenheit wie auch die Produktivität der Mitarbeitenden zu erhöhen. Wie könnte man die Umsetzung dieser Zielvorgaben anhand von KPIs beurteilen?

Unsere Forschungsprojekte zeigen, dass es in der Arbeitswelt 4.0 und für die Mitarbeitendenorientierung besonders wichtige Erfolgsfaktoren gibt, und zwar die Themen der Führungsmethoden und -qualität, Kulturent­wicklung, Flexibilität bei Arbeitsmodellen und Arbeitsorten, vorhandene Kommunikationstechnologien in Unternehmen sowie die digitalen Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Diese Themen würde ich zur Entwicklung von KPIs nutzen.

 

Wie verhält es sich beispielsweise mit einem Onlinehändler, der das Customer Engagement verbessern will? Was gäbe es in diesem Fall für sinnvolle Kennzahlen und entsprechende Messverfahren?

Der Grad der Kundenorientierung eines Unternehmens lässt sich qualitativ durch Gespräche und Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus den verschiedenen Kundensegmenten messen, und quantitativ hervorragend durch automatisierte, transaktionsbasierte Kurzumfragen. Hier kann auch einfach der Grad der eigenen Kundenorientierung gegenüber der Konkurrenz abgefragt werden, mit einer einfachen Frage, ob sie (die Kunden) denn auch bei der Firma X und Y einkaufen, und wie sie dort beispielsweise die Servicequalität erleben.

 

Was sollte man bei der Messung von KPIs und bei der Interpretation der Messergebnisse beachten?

Die sinnloseste Nutzung von KPIs ist die laufende Generierung von Berichten und Dashboards, die wöchentlich oder monatlich in Unternehmen versendet werden, mit denen man aber anschliessend nichts mehr macht und folglich auch nichts passiert. KPIs der digitalen Transformation sollte man in den Führungsgrundsätzen und der Unternehmenskultur verankern: Führungskräfte und Mitarbeitende nutzen Rückmeldungen vom Markt und vom Unternehmen, um sich laufend zu verbessern und so leistungsstarke Teams zu entwickeln.

 

Gibt es auch datenschutzrechtliche Aspekte, die Unternehmen bei der Umsetzung von KPIs berücksichtigen sollten?

Das neue Datenschutzgesetz wird den Unternehmen helfen, ihre Konzepte und Praktiken zu überprüfen, speziell bezüglich der Messung der Kundenorientierung. Dazu gehören etwa Themen wie die Sammlung und Weitergabe von Kundendaten oder die Erarbeitung von Persönlichkeitsprofilen.

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