Analyse der Eidgenössischen Finanzkontrolle

Diese Faktoren machen erfolgreiche Digitalisierungsprojekte aus

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von René Jaun und msc

Regelmässig überprüft die Eidgenössische Finanzkontrolle Digitalisierungsvorhaben des Bundes. Anhand 16 bisheriger Berichte hat sie nun sieben Schlüsselfaktoren identifiziert, die zum Erfolg solcher Projekte beitragen. Dazu gehört Mut ebenso wie das Nutzen von Daten.

(Source: jayrb / Fotolia.com)
(Source: jayrb / Fotolia.com)

Längst nicht immer verläuft die digitale Transformation beim Bund reibungslos. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) weiss dies besonders gut, denn sie überprüft regelmässig wichtige Digitalisierungsvorhaben des Bundes und stösst dabei oft genug auf Mängel. So plädierte die Kontrollstelle unlängst für mehr Cybersicherheit, bemängelte die schleppende Digitalisierung von Schweizer Konsulaten oder kritisierte das VBS und dessen Projekt zur IT-Entflechtung der Armee.

Nur jedes vierte Projekt ist auf gutem Wege

In einer ihrer neuesten Publikationen jedoch befasst sich die EFK nicht mit einem weiteren Digitalisierungsprojekt, sondern mit 16 ihrer bisherigen Prüfberichte. Aus diesen leitet die EFK sieben kritische Erfolgsfaktoren für die Durchführung von digitalen Transformationsprojekten ab.

In der Zusammenfassung urteilt die EFK, die Bundesverwaltung habe eine steile Lernkurve im Bereich der digitalen Transformation vor sich. Ein Viertel der 16 ausgewählten Projekte sei auf dem richtigen Weg gewesen. Bei der Hälfte der geprüften Projekte stellte die EFK dagegen wesentliche Mängel fest, das restliche Viertel lag dazwischen. Nur wenige der geprüften Ämter packten die digitale Transformation ganzheitlich an, stellt die Kontrollstelle fest. Dazu würde gehören, alle relevanten Dimensionen einer digitalen Transformation zu adressieren, nämlich: Kunde, Strategie, Technologie, Betrieb, Organisation und Kultur.

Die entdeckten Schwachstellen liegen sowohl bei der strategischen (Ambition, Vision und Engagement) als auch der operativen Führung (Rechtlicher Rahmen, Daten, End-to-End-Sicht und Handlungsspielräume).

Das Vorhaben ist ambitioniert

In den 16 geprüften Projekten seien grosse Ambitionen nur selten zu finden, urteilt die EFK und kommentiert: "Fehlender Mut, geringe Veränderungsbereitschaft oder die Umsetzung eines sehr engen gesetzlichen Auftrages ohne Berücksichtigung der Bedürfnisse der relevanten Partner führen zu verpassten Chancen." Um das Potenzial der digitalen Transformation ausschöpfen zu können, müsse der Wille vorhanden sein, bestehende Dienstleistungen zu überdenken, effektiver und effizienter zu werden und auch tiefgreifende Veränderungen anzupacken. "Ungleich seltener" stiess die EFK übrigens auf das Gegenteil, nämlich "unrealistisch hohe Ambitionen, ohne über die notwendigen Kompetenzen in der digitalen Transformation zu verfügen". Diese, schreibt sie, seien ebenfalls ungünstig.

Vision, Strategie und Steuerung sind aufeinander abgestimmt

In etwa jeder zweiten Prüfung bemängelt die EFK fehlende Steuerungs- und Führungsinstrumente für die Digitalisierung. Dazu gehören etwa keine messbaren Ziele, nicht aufeinander abgestimmte Zielsetzungen, nicht berücksichtigte Abhängigkeiten zwischen Teilprojekten, unrealistische Pläne und Budgets sowie Mängel in der Governance. "Messbare Ziele haben intern und extern eine starke Signalwirkung und stellen eine Verpflichtung dar", schreibt die EFK. Ohne sie bleibe die Beurteilung des Fortschrittes bzw. des Erfolgs zwangsläufig diffus und subjektiv. Und ohne ein übergeordnetes Ziel (also eine Vision) sei es kaum möglich, einen erfolgversprechenden Weg (also eine Strategie) zu wählen.

Die oberste Führung engagiert sich

In etwa einem Viertel der analysierten Projekte sei die Verantwortung für die digitale Transformation von der Spitze nach unten delegiert worden. Dort wurde sie dann wegen mangelnder Kompetenzen nicht konsequent umgesetzt. Für die EFK ist darum klar: "Damit die digitale Transformation gelingen kann, braucht es die Unterstützung der Führungsebene." Dazu gehöre eine übergeordnete Gesamtarchitektur, ein etabliertes Projektportfoliomanagement, eine klare Governance, die enge Zusammenarbeit zwischen Fach und IT und eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung.

Rechtlichen Rahmen überarbeiten

Der Umgang mit rechtlichen Rahmenbedingungen stelle die Bundesbehörden häufig vor Herausforderungen, analysiert die EFK. Oft schränkten Gesetze den Innovationsspielraum ein. Weiterentwicklungen der Rechtsgrundlagen würden jedoch nur in Einzelfällen angestrebt. Die EFK rät darum: "Generell müssen sich die Fachämter bei Digitalisierungsvorhaben bewusst sein, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, um das Potenzial der Vorhaben wirklich ausschöpfen zu können."

Handlungsspielräume nutzen

Unter diesem Punkt fasst die EFK mehrere Aspekte zusammen. Zu den mit föderalen Systemen verbundenen Herausforderungen regt sie etwa an, alle Stakeholder früh einzubeziehen und standardisierte Schnittstellen zu erarbeiten. Bezüglich gesetzlicher Rahmenbedingungen sei es wichtig, realistisch einzuschätzen, was mit den verfügbaren Ressourcen gemacht werden könne. Um Wissenslücken im Bereich der digitalen Transformation zu füllen, sei die entsprechende Weiterbildung von Mitarbeitenden ein probates Mittel. "Noch zu wenig werden jedoch strukturiert Erfahrungen innerhalb der Bundesverwaltung zu diesen Themen gesammelt und ausgetauscht", fügt die EFK hinzu.

End-to-End-Sicht wird eingenommen

Bei mehr als der Hälfte der Prüfungen habe man festgestellt, dass nicht alle relevanten Stakeholder einbezogen worden seien, kritisiert die EFK. Nicht selten führe dies längerfristig zu geringer Akzeptanz eines neuen Systems, niedrigen Nutzerzahlen oder parallelen Lösungen von Drittanbietern. "Prozesse werden noch zu selten gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern aus einer ganzheitlichen Perspektive optimiert", urteilt die Behörde.

Daten als zentrale Ressource nutzen

In zwei Dritteln der untersuchten Projekte wurden Daten nicht oder nur ungenügend genutzt. Analytische Verfahren, Big Data oder künstliche Intelligenz seien meist kein Thema, bedauert die EFK. Ausserdem fehle es oft an einer übergreifende Datengovernance oder eines übergreifenden Datenmodells. "Daten sind für die digitale Transformation von zentraler Bedeutung, da sie neue Erkenntnisse ermöglichen, die unter anderem für die Steuerung, Leistungsverbesserung und Effizienzsteigerung genutzt werden können", mahnt die EFK und erinnert daran, dass Kantone häufig Daten an den Bund lieferten, wo sie weiterverarbeitet oder als Grundlage zum Beispiel für die Oberaufsicht verwendet werden könnten.

Im aktuellen E-Gov-Benchmark-Bericht liegt die Schweiz nur auf Rang 29 von 35 Ländern und damit weit abgeschlagen hinter den Spitzenreitern Malta und Estland. Aufholbedarf für die digitale Verwaltung in der Schweiz besteht vor allem bezüglich E-ID-Authentifizierungsmöglichkeiten, wie Sie hier lesen können.

 

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