Studie der BFH

Wie gemeinsame Beschaffungen zum Erfolg führen

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von René Jaun und jor

Für öffentliche Verwaltungen kann es sich lohnen, IT-Lösungen gemeinsam zu beschaffen. Doch gemeinsame Beschaffungen bringen auch neue Herausforderungen mit sich. Was es braucht, damit solche Vorhaben gelingen, hat die Berner Fachhochschule untersucht.

Lukas Fässler, Stefanie Pfändler und Markus Röösli diskutieren die Ergebnisse der BFH-Studie "Gemeinsam beschaffen – gemeinsam digitalisieren". (Source: zVg)
Lukas Fässler, Stefanie Pfändler und Markus Röösli diskutieren die Ergebnisse der BFH-Studie "Gemeinsam beschaffen – gemeinsam digitalisieren". (Source: zVg)

Wenn Gemeinden oder Kantone eine neue IT-Lösung beschaffen, tun sie dies oft im Alleingang. Zu oft, finden die Autorinnen und Autoren einer Studie der Berner Fachhochschule (BFH). Deren Fachgruppe Public Procurement hat in Kooperation mit dem Netzwerk Onegov die Herausforderungen und das Potenzial gemeinsamer IT-Beschaffungen untersucht. "Wir verorten bei gemeinsamen Beschaffungsformen ein hohes Potenzial und möchten mit der vorliegenden Studie dazu beitragen, dass Gemeinden, Städte und Kantone gegenseitig von den bisherigen Erfahrungen lernen können", heisst es in der Einleitung.

Der Austausch lohnt sich

Da sich viele Behörden beim Digitalisieren mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen, lohne es sich, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, erklärte die für die Umsetzung der Studie verantwortliche Stefanie Pfändler anlässlich der Ergebnispräsentation. Zum Einstieg erinnerte sie an einen Programmierfehler beim Bundesamt für Statistik (BFS), aufgrund dessen der Bund fehlerhafte Prozentwerte zu den Parlamentswahlen 2023 publizierte. Zum Fehler kam es, weil drei Kantone ihre Wahlergebnisse in einem anderen Format als die übrigen 23 angeliefert hatten. Hier zeige sich, "dass es schlau sein könnte, in gewissen Fällen interkantonal zusammenzuarbeiten", kommentierte Pfändler mit einem Schmunzeln.

Stefanie Pfändler, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BFH.

Stefanie Pfändler, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule. (Source: zVg)

Rechtlich gesehen sei es durchaus zugelassen, gemeinsam zu beschaffen. "Wie Sie sich dabei organisieren, ist Ihnen im Prinzip freigestellt", fuhr Pfändler fort. Dass Behörden bei ihren IT-Beschaffungen nicht häufiger gemeinsame Sache machen, hat laut der Forscherin einen recht simplen Grund: Man wisse schlicht nicht, womit sich die anderen beschäftigen, so Pfändler. Von IT-Projekten erfahre man erst, wenn die Ausschreibung veröffentlicht oder ein Zuschlag erteilt werde. "Treffen Sie sich mit Ihren Pendants aus anderen Gemeinden oder Kantonen", riet Pfändler den Anwesenden. Denn viele gemeinsame Beschaffungsprojekte entstünden im Rahmen des Austausches untereinander.

Dies bestätigt auch Lukas Fässler, Präsident des Vereins Schweizerische Städte- und Gemeindeinformatik (SSGI), der in der Studie zu Wort kommt und auch bei der Ergebnispräsentation einen Vortrag hielt. Der Verein SSGI fördert diesen Austausch mit dem Ziel, gemeinsame Digitalisierungsprojekte zu koordinieren und voranzubringen. Der Austausch bleibe auch für die Weiterentwicklung einer IT-Lösung wichtig, merkte Fässler an. Als Institution dafür eignen sich Lenkungsausschüsse, in denen sich Anbieter und Auftraggeber regelmässig treffen, um die Roadmap festzulegen. Mit welchen Digitalisierungs-Challenges die Schweizer Städte und Gemeinden sonst noch kämpfen, lesen Sie im Interview mit Lukas Fässler.

Lukas Fässler, Präsident des Vereins Schweizerische Städte- und Gemeindeinformatik (SSGI)

Lukas Fässler, Präsident des Vereins Schweizerische Städte- und Gemeindeinformatik (SSGI). (Source: zVg)

Autorität, Know-how und Effizienz

In der Studie zeigt die BFH anhand fünf konkreter Beispiele, wie unterschiedlich die Behörden gemeinsame IT-Beschaffungen anpacken können und welche Herausforderungen dabei auftreten. Warum sich die Kooperationen lohnen, fassen die Autoren in sechs Punkten zusammen:

  • Dank gemeinsamen Beschaffungen kann die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden. Das bringt unter anderem politische Vorteile.

  • Gemeinsam zu beschaffen, ist effizient und die logische Antwort auf den Umstand, dass viele Verwaltungen mit denselben Fragestellungen konfrontiert sind. Steuergelder werden so effektiv eingesetzt.

  • Dank gemeinsamen Beschaffungen werden administrative Grenzen abgebaut, da grenz- und staatsebenenübergreifend Schnittstellen harmonisiert werden. Man arbeitet effizienter.

  • Dank partnerschaftlicher Finanzierung stehen sowohl bei der Erstbeschaffung als auch für spätere Weiterentwicklungsschritte mehr Mittel zur Verfügung. Da IT-Projekte laufend à jour gehalten werden müssen, hat die langfristige Finanzierungssicherheit bei Digitalisierungsprojekten eine grosse Bedeutung.

  • Man erhält bessere Angebote und Konditionen, da Anbieter anders rechnen können und man von Skaleneffekten profitiert. Auch im Betrieb wird die eigene Verhandlungsposition durch die Partnerschaft gestärkt.

  • Beschafft man gemeinsam, kann man sich professioneller aufstellen und das nötige Know-how ins Boot holen – eine besondere Rolle können dabei erfahrene Organisationen wie der Verein SSGI spielen.

Wer verliert, gewinnt

Nicht alle gemeinsamen IT-Beschaffungen werden zum Erfolg. Die Autorinnen der Studie erwähnen hier das Beispiel des Kantons Luzern, der im Jahr 2022 eine gemeinsam beschaffte Schuladministrationssoftware für gescheitert erklären musste. Gründe dafür waren unter anderem eine schlecht aufgestellte Projektkoordination und ein zu wenig präzise definierter Projektgegenstand. Dieser führte zu unterschiedlichen Projektvorstellungen von Auftraggeber und Auftragnehmer – "sie stellten etwas her, was gar nicht bestellt wurde", fasste Pfändler zusammen.

Luzern habe jedoch aus dem gescheiterten Projekt gelernt. Und mehr noch: Der Kanton teile seine Erfahrungen und Learnings mit anderen. Dies "zeugt von einer positiven Fehlerkultur, die bemerkenswert ist", heisst es in der Studie. Bei der neuen Ausschreibung spielen Use Cases eine zentrale Rolle. Sie verhinderten später Diskussionen mit der Anbieterin darüber, was zum Ursprungsauftrag gehöre und wobei es sich um Auftragsänderungen handle, schreiben die Autoren.

Von gescheiterten Ausschreibungen konnte auch Markus Röösli, Direktor der Organisation Polizeitechnik und -informatik (PTI) berichten. Wer sich an solchen Vorhaben beteilige, müsse einen langen Atem haben und Frustrationstoleranz mitbringen, sagte er im Schlusspanel unter der Leitung von Studienleiterin Rika Koch. "Man muss einfach immer weiter machen - egal, was passiert."

Markus Röösli, Direktor der Organisation Polizeitechnik und -informatik (PTI).

Markus Röösli, Direktor der Organisation Polizeitechnik und -informatik (PTI). (Source: zVg)

Als weitere Risikofaktoren für gemeinsame IT-Beschaffungsprojekte nennt die BFH:

  • Mangelnde Erfahrung mit Beschaffungsprojekten vonseiten der Projektleitung

  • Fehlende Fachkompetenzen innerhalb der Projektorganisation

  • Zu wenig Erfahrung im Projektmanagement oder beim Auftreten von Rollenkonflikten

  • Ungenügende Nähe zur operativen Ebene bzw. ungenügendes Verständnis der internen Abläufe und Prozesse

  • Missverständnisse bezüglich Auftragsverständnis zwischen Auftraggeberin und -nehmerin

  • Fehlender Phasenabschluss bzw. die Gefahr des "ewigen Projekts"

  • Unklarheiten bezüglich Finanzierung bzw. fehlende Transparenz in puncto Folgekosten und Kostenschlüssel

Die vollständige Studie (als PDF) ist hier abrufbar.

Übrigens: Das Thema künstliche Intelligenz geht auch am Beschaffungswesen nicht spurlos vorbei. Es gehörte zu den Schwerpunkten an der IT-Beschaffungskonferenz, die im August 2023 an der BFH über die Bühne ging. Dort wurde auch – einmal mehr – die Cloud heiss diskutiert. Hier geht’s zum Eventbericht.

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