Gefährliche Beatmungsgeräte

Update: Schweizer Behörden verdonnern Philips zu einer Busse

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von René Jaun und dwa, msc

Ab 2021 hat Philips weltweit mehr als 5 Millionen Beatmungsgeräte zurückgerufen. Doch offenbar wusste der Medizintechnikhersteller schon Jahre davor von den Gefahren für die Gesundheit, die von den Geräten ausging. Jetzt verhängen Schweizer Behörden eine Busse.

(Source: rawpixel.com / freepik.com)
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Update vom 8.2.2024: Die Schweizer Gesundheitsbehörde Swissmedic hat gegen Medizinaltechnikkonzern Philips eine Busse in der Höhe von 10'000 Franken ausgesprochen. Das Unternehmen habe in Zusammenhang mit gefährlichen Beatmungsgeräten seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht oder nur ungenügend wahrgenommen, fasst der "Beobachter" das Urteil in einer Mitteilung zusammen. Wort wörtlich heisst es im Strafbescheid: "Über den gesamten Zeitraum hinweg informierte Philips zu den offenen Punkten unvollständig, unspezifisch und häufig erst auf wiederholte Nachfrage hin." Weil zu den Atemgeräten mit dem neuen Dämmstoff nach wie vor keine Resultate aus den Alterungstests vorliegen, würden Patienten "einer potenziellen Gesundheitsgefahr ausgesetzt".

Philips wiederum betonte im Verfahren gegenüber Swissmedic, man habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Es sei nicht immer möglich gewesen, gewisse Unterlagen und Informationen sofort und vollständig zu liefern, fasst der "Beobachter" zusammen.

Der Entscheid von Swissmedic ist rechtskräftig. Zusätzlich zur Busse muss Philips auch noch Verfahrenskosten in Höhe von 2200 Franken bezahlen.

Originalmeldung vom 17.01.2024:

Schweizer Behörden ermitteln gegen Philips

Eine unschöne Geschichte über den Rückruf von Beatmungsgeräten könnte für den Medizinaltechnik-Hersteller Philips noch einmal unschöner werden. Wie "der Beobachter" unter Berufung auf interne Dokumente offenlegt, wusste das Unternehmen offenbar schon Jahre vor der Rückrufaktion von den Gesundheitsgefahren, die von den Geräten ausging.

Konkret geht es um weltweit 5,6 Millionen Beatmungsgeräte - 30'000 davon in der Schweiz -, die Philips ab 2021 zurückrief. Einerseits konnte sich der lärmdämpfende Schaumstoff am Lufteinlass zersetzen, wie "der Beobachter" zusammenfasst. Partikel davon konnten dann in die Lunge der Patientinnen und Patienten gelangen. Andererseits setzten bestimmte Geräte sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC) frei, die potenziell gesundheitsgefährdend sind.

Die Rückrufaktion sei unter fragwürdigen Umständen und grosser Verzögerung abgelaufen, heisst es beim "Beobachter". Die Dokumente, die das Konsummagazin von der Gesundheitsbehörde Swissmedic erhielt, verweisen auf Kundenreklamationen bezüglich des zersetzenden Schaumstoffs, die bereits 2014 bei Philips eingegangen sind. Sie enthalten darüber hinaus auch Hinweise auf 175'000 bei der US-amerikanischen Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde (FDA) eingegangene Kundenbeschwerden zwischen 2008 und 2017. Spätestens 2020 verfügte Philips über "detaillierte Informationen" zu den Problemen. Bis das Unternehmen handelte, verging ein weiteres Jahr, schreibt "der Beobachter". Zudem habe das Unternehmen die betroffenen Geräte bis im April 2021 unverändert weiter hergestellt und in der Schweiz in Verkehr gebracht, heisst es unter Berufung auf ein Swissmedic-Dokument.

Die teure Rückrufaktion belastete das Geschäftsergebnis und das Ansehen des Unternehmens. Im August 2022 leitete Philips einen CEO-Wechsel ein: Auf Frans van Houten folgte Roy Jakobs, der vor 13 Jahren als Marketingchef zum Unternehmen stiess und auch das Krisenmanagement im Zusammenhang mit dem Rückruf verantwortete, wie Sie hier lesen können.

Aktuell ermitteln Schweizer Behörden in Zusammenhang mit dem Geräterückruf gegen Philips, wie die Gesundheitsbehörde dem "Beobachter" mitteilt. Dabei geht es um mögliche Verstösse gegen das Heilmittelrecht. Für Philips gilt die Unschuldsvermutung. Gegenüber dem Beobachter schreibt Philips: "Die Einreichung einer Beschwerde ist kein Beweis, dass das Gerät das unerwünschte Ereignis verursacht oder dazu beigetragen hat."

Im Sommer 2023 wurde bekannt, dass die Fiat-Gründerfamilie Agnelli 15 Prozent an Philips übernimmt - mit Option auf Aufstockung. Mehr dazu lesen Sie hier.

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