In Kooperation mit Microsoft

Raus aus dem Mauerblümchen-Dasein

Uhr | Aktualisiert
von Christof Zogg

Der Funktionsumfang und die Benutzerfreundlichkeit von Betriebssystemen haben sich mit der Zeit stark entwickelt. Mit der neuen Vielfalt an mobilen Geräten und der touchbasierten Eingabesteuerung stellen sich zwei neue Herausforderungen.

Zugegeben, es wäre jetzt etwas gar gewagt, das Betriebssystem als Mauerblümchen in der Softwarelandschaft darzustellen. Dafür ist es schlicht zu gross und zu mächtig. Dennoch fristeten Betriebssysteme in gewisser Hinsicht eine Existenz als Mauerblumen. Sie verrichten unscheinbar und zuverlässig im Hintergrund ihren Dienst und bilden die Bühne für die eigentlichen Stars – die Applikationen wie Office, Photoshop und iTunes, die unsere volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung geniessen.

Erst wenn ein Betriebssystem einmal seinen Dienst versagt und sich mit dem «Screen of Death» auf dem Mac in Grau auf dem PC in Blau bemerkbar macht und ultimativ einen System-Neustart einfordert, werden wir seiner Wichtigkeit wieder gewahr – dann allerdings meist mit einer negativen Konnotation.

Immer kundenorientierter dank Telemetrie

Nichtsdestotrotz haben Betriebssysteme eine rasante Entwicklung hinter sich. Moderne Betriebssysteme stellen den Anwendern nicht nur immer mehr Funktionen zur Verfügung, sondern sind insgesamt auch stabiler und benutzerfreundlicher geworden. Einen wichtigen Anteil zur verbesserten Usability haben dabei sicher die Anwendertests sowie zunehmend die Erfassung und Auswertung von Telemetriedaten beigetragen.

Bei der Entwicklung von Windows beispielsweise spielen Anwendertests seit langem eine sehr wichtige Rolle. Dabei werden in der Spezifikationsphase jeweils visuelle Mockups der Benutzerschnittstelle von hunderten Usern in externen Labors durchgespielt. Da es sich dabei nur um visuelle Prototypen handelt, können mögliche Verbesserungen sofort umgesetzt und gleich wieder getestet werden. Mit der sogenannten Telemetrie steht heute aber noch ein zweites, ungleich mächtigeres Instrument zur Verbesserung von Betriebssystemen zur Verfügung. Es handelt sich dabei um die Logfiles der Benutzersitzungen, die User etwa im Falle von Windows Microsoft auf freiwilliger Basis anonym zukommen lassen können. Insgesamt repräsentieren die Daten mehrere hundert Millionen Sitzungen, die sich bei der Spezifikation von Windows 7 und jetzt auch in Version 8 als wahre Goldgrube für Usability-Verbesserungen erwiesen haben.

Zunächst einmal handelt es sich um Basisdaten wie zum Beispiel die Bildschirmauflösungen und -formate, auf denen Windows 7 läuft. Diese besagen, dass 83 Prozent aller Windows-7-Installationen auf PCs mit Bildschirmen im Breitformat betrieben werden, wobei 1366 x 768 Pixel die mit Abstand häufigste Auflösung darstellt. Darüber hinaus lassen sich aber auch interessante Design-Schlussfolgerungen ziehen. So hat sich beispielsweise herausgestellt, dass von den mehr als 200 Befehlen, die der Windows Explorer zur Verfügung stellt, die 10 wichtigsten 81,8 Prozent der Gesamtnutzung ausmachen, wobei "Einfügen", "Eigenschaften" und "Kopieren" die drei am häufigsten verwendeten Befehle sind. Aus diesem Grund werden die Copy- und Paste-Buttons in Windows 8 besonders prominente Positionen erhalten.

Pflichtenheft eines Betriebssystems

Aber was ist eigentlich die Aufgabe eines Betriebssystems, und wie hat sich dieser Funktionsumfang entwickelt, beziehungsweise wie wird er sich noch weiter entwickeln? Ein Blick auf die Aufgabenteilung im Development-Team zeigt, welches die klassischen und neuen Kernaufgaben eines Betriebssystems sind. Das über 1000-köpfige Entwicklerteam von Windows 8 besteht zurzeit aus 35 Untergruppen, die jeweils eine Komponente zum Gesamtsystem beitragen werden. Da sind zum einen die Teams, die sich um eher klassische Betriebssystem-Funktionen kümmern – also etwa sicherstellen, dass ein modernes, in aller Regel mit dem Internet verbundenes Betriebssystem zuverlässig und sicher ist und einen möglichst guten Datenschutz bietet. Dazu wird beispielsweise in Windows 8 erstmals mit dem Windows Defender der Schutz vor Malware kostenfrei direkt ins Betriebssystem integriert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Performance des Systems im Allgemeinen und beim Aufstarten im Besonderen. Hier zeigt sich, dass 57 Prozent der Desktop-PC-Nutzer und 45 Prozent der Laptopnutzer ihre Geräte eher herunterfahren als in den Stand-by-Modus versetzen. In Windows 8 wird deshalb ein besonderes Hybernate-Verfahren dafür sorgen, dass ein Rechner 30 bis 70 Prozent schneller startet als mit der Vorgängerversion.

Dies sind nur zwei Beispiele von unzähligen Innovationen, die Windows 8 bieten wird und denen unzählige andere in den Bereichen der Gerätekonnektivität, Applikationsentwicklung, bei der Suche und Darstellung von Dateien, der Sicherheit und Identität, beim Netzwerkzugang, der Speicherung oder beim Dateisystem folgen werden. Besonders interessant sind aber auch Entwicklungsteams, die Rückschlüsse auf neue Betriebssystemaufgaben zulassen. So erwarten die User immer häufiger, dass sie auch auf einem Client-Betriebssystem Applikationen bequem und sicher via Marketplace kaufen können. Dies wird in Windows 8 mit dem integrierten Windows Store der Fall sein. Des Weiteren wird Windows 8 als Novum die Virtualisierungsfähigkeit auch auf dem Client direkt ins Betriebssystem integrieren. Damit können Entwickler und IT-Professionals ab sofort effizientere und kostengünstigere Umgebungen für Tests auf mehreren Systemversionen erstellen. Und für die Unternehmens-IT ist sichergestellt, dass Legacy-Eigenentwicklungen virtualisiert auf dem neuen Betriebssystem laufen. Schliesslich gilt es mit jedem neuen Betriebssystem-Release auch weiterentwickelte Hardware-Schnittstellen wie zum Beispiel USB 3 zu unterstützen und das Betriebssystem mit Online-Services (zum Beispiel Online-Storage/-Fotoalben) zu erweitern.

Die Mobilität wird zur Gretchenfrage

Die wichtigste neue Herausforderung für Betriebssysteme kommt aber eindeutig vom Trend hin zu immer mobileren Geräten – angefangen bei den Laptops, über Netbooks und Tablet-/Slate-PCs bis hin zur rasant wachsenden Kategorie der Smartphones (wobei man fairerweise festhalten muss, dass Letztere die Metamorphose vom Telefon zum PC noch nicht vollständig abgeschlossen haben.).

Aus dem Mobilitätsanspruch und der Portabilität dieser Geräte resultieren zusätzliche neue Anforderungen an Betriebssysteme. Zu nennen sind etwa die flexible Unterstützung von verschiedenen Bildschirmauflösungen und insbesondere die Bedienbarkeit auch auf kleineren Geräten, die Maximierung der Batterielaufzeit sowie der Umgang von Sensoren wie dem Kompass/Magnetometer, Accelerometer und Gyro-Sensor. Diese Bewegungssensoren erlauben dann etwa Augmented-Reality-Anwendungen, ein Anwendungsfall, der bei mobilen Geräten besonders sinnvoll und nützlich ist.

Die wichtigste neue Anforderung von mobilen Geräten ans Betriebssystem ist aber selbstverständlich die Touch-Unterstützung, da letztere beiden Kategorien – Smartphones und Slates – ja heutzutage praktisch ausschliesslich fingergesteuert bedient werden. Dies hat insbesondere im Bereich der Graphical User Interfaces (GUI) weitreichende Implikationen: Die Bedienelemente brauchen signifikant mehr Platz, bei allen Eingabefeldern muss der Aufruf eines leistungsfähigen On-Screen-Keyboards gewährleistet sein, und User erwarten eine weitreichende Unterstützung von Gesten etwa für das ­Scrollen oder Zoomen innerhalb von Applikationen.

Gleiche Aufgaben, ungleiche Strategien

Doch wie lösen nun die verschiedenen Anbieter von Betriebssystemen die neuen Aufgaben a) Abdeckung der verschiedenen PC-Kategorien und b) Unterstützung von Touch-Steuerung? Fokussieren wir uns hier exemplarisch auf Microsoft, Apple und Google – wobei Letzterer ja nach wie vor nicht Voll-Anbieter von Betriebssystemen ist –, wobei sehr divergente Strategien festgestellt werden können.

Schauen wir uns zunächst die jeweilige Softwarestrategie an, mit der versucht wird, den Spagat zwischen dem klassischen PC und dem touchgesteuerten Mobilgerät zu lösen. Microsoft setzt dabei auf die Strategie: ein konsistentes Betriebssystem (Windows 8), ein duales GUI für den klassischen (Desktop) und den mobilen (Metro) Einsatz. Apple wählt in gewissem Sinn genau die gegenteilige Strategie, nämlich zwei unterschiedliche Betriebssysteme (MacOS/iOS) und dafür ein sich immer mehr angleichendes GUI für Maus- und Touch-Steuerung. Noch radikaler auf die mobile Zukunft setzt Google, indem dem mobilen Betriebssystem Android (für Smartphones und Mobilgeräte) ergänzend nur noch das abgespeckte Google Chrome OS – der Browser ist das Betriebssystem– dazugestellt wird.

Ähnlich heterogen präsentieren sich dann auch die jeweiligen Hardwarestrategien der drei Erzrivalen. Microsoft setzt nach wie vor voll auf seine Original Equipment Manufacturer (OEMs) und plant (vorerst), keine PCs selbst herzustellen, spezifiziert dabei aber genauere Erwartungen an die Hardware. Apple bleibt beim Modell der vollständig vertikalen Integration und setzt bei der Hardwareentwicklung auf die eigenen Engineering-Skills. Und Google fährt einen hybriden Kurs – auf der einen Seite das freie und grösstenteils offene Betriebssystem An­droid, das Hardwarehersteller weitgehend anpassen können, auf der anderen Seite die 12,5 Milliarden Dollar teure Übernahme der Mobilsparte von Motorola, um voraussichtlich selbst ein Hardwarehersteller zu werden und teilweise Apples Strategie zu adaptieren.

Fazit: Mit Windows 8 wird der Wettkampf um die Betriebssystem-Vorherrschaft auf den Mobilgeräten neu lanciert. Dass die Mitbewerber dabei sehr unterschiedlich vorgehen, macht das Rennen spannend und unvorhersehbar. Absehbar dagegen ist: Touch-Steuerung wird an Bedeutung gewinnen und sich auch auf nicht-mobilen Geräten ausbreiten. Legen Sie doch am besten schon mal ein Reinigungstuch neben dem Bildschirm bereit.