Swiss Payment Forum 2023

Eine Reise durch den Payment-Kosmos

Uhr
von René Jaun und jor

Schneller, vielseitiger, komplexer – am diesjährigen Swiss Payment Forum präsentierten zahlreiche Branchenexperten, was sich auf dem Zahlungsmarkt tut. Dabei ging es etwa um Instant Payments, Embedded Finance und – natürlich – um KI.

Innovationspanel am Swiss Payment Forum 2023 mit Roman Odermatt (l.) von Paygreen, Nicole Groß von ZIIB Zahlungssysteme, und Bernhard Müller (r.) von Centi, moderiert von Netzwoche-Chefredaktor Marc Landis. (Source: zVg)
Innovationspanel am Swiss Payment Forum 2023 mit Roman Odermatt (l.) von Paygreen, Nicole Groß von ZIIB Zahlungssysteme, und Bernhard Müller (r.) von Centi, moderiert von Netzwoche-Chefredaktor Marc Landis. (Source: zVg)

"Es ist ein Payment-Kosmos entstanden." Diesen Satz hörte das Publikum des diesjährigen Swiss Payment Forum gegen Ende des Events. Auf der Bühne standen Moderator Sandro Graf von der ZHAW School of Management and Law und der Künstler Christian Ridder von Business as visual. Letzterer präsentierte seine gemalte Zusammenfassung der zweitägigen Veranstaltung (hier zum Download oder als Poster bestellbar), die am 13. und 14. November 2023 im Stadtzürcher Marriott Hotel über die Bühne ging. Man sehe einen dynamischen Markt mit vielen neuen Trends, die ins Bild fliegen und auf die Kunden zukommen, kontrolliert durch aktuelle und entstehende Regulationen.

Die gezeichnete Zusammenfassung des Swiss Payment Forums 2023 von Christian Ridder (Source: business-as-visual.com)

Die gezeichnete Zusammenfassung des Swiss Payment Forums 2023 von Christian Ridder (Source: business-as-visual.com)

Zu Beginn der Veranstaltung freute sich Nicole von Mulert, Gründerin des Swiss Payment Forums und Head of Events des Gastgebers Vereon, über das ständig wachsende Interesse an der Veranstaltung: Mit über 200 Teilnehmenden und über 30 Referierenden gebe es 2023 gleich zwei Rekorde zu feiern. Gleichzeitig setzte das Swiss Payment Forum auch auf Bewährtes: Eine ganze Reihe Personen und Unternehmen auf der Bühne waren dem Stammpublikum schon von früheren Ausgaben her bekannt, etwa von jener im vergangenen Jahr.

Instant Payment als Chance und Herausforderung

Im ersten Vortrag präsentierte Alla Gancz, Payments Consulting Leader bei Ernst & Young (EY) einen Überblick über die aktuellen Trends im Payment-Markt. Dabei stützte sie sich auf eine letztes Jahr publizierte Studie. Die sieben Trends sind demnach

  • Instant Payments (oder Real time Payments)

  • Crossboarder Payments

  • Open Banking

  • Buy now, pay later

  • Digital Wallets

  • Embeded Finance sowie

  • Digitale Währungen

Alla Gancz, Payments Consulting Leader bei EY. (Source: zVg)

Alla Gancz, Payments Consulting Leader bei EY. (Source: zVg)

Was die Schweiz angeht, lobte die Referentin insbesondere den "Krypto–Franken". Ein entsprechendes Testprojekt stellten die Nationalbank, Six sowie sechs Geschäftsbanken Anfang November 2023 vor, wie Sie hier lesen können. In vielerlei Hinsicht nehme die Schweiz in diesem Bereich eine Pionierrolle ein. Sie blieb nicht die einzige Referentin, die der Schweiz für das Vorhaben ein Kränzchen wand.

Einen Schwerpunkt des diesjährigen Swiss Payment Forums bildete das Thema Instant Payments. "Die Kür wird zur Pflicht", lautete etwa der Titel des Vortrages von Lars Goerke, Key-Account-Manager bei van den Berg. Durchaus passend, zumal Instant Payments in der EU schon bald gesetzlich vorgeschrieben werden. Ab da sollen sich Zahlungen binnen weniger Sekunden abwickeln lassen. Dass sich dies für die Branche lohne, erklärte Daniele Astarita, Immediate Payments Solution Consultant bei ACI Worldwide. Durch Instant Payments liessen sich Ressourcen optimal einsetzen, Kosten sparen und neue Use Cases für den Zahlungsverkehr etablieren. Ideal sei es, Instant Payments in der Cloud zu verwirklichen, fügte er an.

Doch Instant Payments bringen auch neue Herausforderungen mit sich, etwa im Bereich der Betrugsbekämpfung. Darüber sprach Patrick Juffern, Business Development Manager bei Inform. Das Problem: Wird künftig Geld per Instant Payment überwiesen, bleiben nur wenige Millisekunden, um eine Transaktion – oder eine Vielzahl davon – auf mögliche Betrügereien hin zu überprüfen. Die Legacy-Systeme mancher Banken seien dem schlicht nicht gewachsen, prognostizierte Juffern. Es brauche also grössere IT-Investitionen, um die Vorgaben erfüllen zu können. Es sei aber auch nötig, die Prozesse zu optimieren. In dem Zusammenhang plädierte der Referent auch für mehr Zusammenarbeit unter den Dienstleistern. Erkenne einer von ihnen eine betrügerische Information, könnte diese mit anderen geteilt werden, "damit der Fraudster nicht von einer Bank zur anderen gehen kann".

Patrick Juffern Business Development Manager, Inform. (Source: zVg)

Patrick Juffern Business Development Manager, Inform. (Source: zVg)

Gleichzeitig dürften technische Lösungen nicht reichen, erklärte Juffern weiter. Künstliche Intelligenz und Menschen hätten ihre jeweiligen Stärken und man sollte diese idealerweise kombinieren. Mithelfen können aber auch die Endkunden. Sie müssten von ihren Finanzdienstleistern in puncto Finanzbetrügereien sensibilisiert und immer aktuell informiert werden. "Ja, Instant Payments sind mit Risiken verbunden", schloss Juffern. "Ich bin aber überzeugt, dass wir diese meistern, wenn wir die richtigen Tools kombinieren."

Im Metaverse, im Auto, in der App

Embedded Finance war ein weiteres Kernthema des diesjährigen Swiss Payment Forums. Viele der auftretenden Gäste präsentierten dazu Anwendungsfälle ihrer jeweiligen Unternehmen. So setzt etwa Worldline weiterhin grosse Hoffnungen ins Metaverse, wie aus dem Vortrag von Rui Huang-Seeberger, Head Mobile Payment & Asia Portfolio bei Worldline, hervorging. Ihr Unternehmen betreibt auf den zwei Metaverse-Plattformen Decentraland und Spatial je eine Shopping-Mall, in der sich die Kunden präsentieren können. Dazu bietet Worldline ihnen eine zentrale Plattform, auf der sie mehrere Metaverse-Präsenzen verwalten können.

Eine physische Variante von Embedded Finance hat Autobauer Mercedes im Angebot. Er rüstet seine Fahrzeuge mit Hardware aus, mit der man Zahlungen aus dem Auto heraus tätigen kann, wie Isabell Katzenbach, Product Owner bei Mercedes Pay, erklärte. Autorisiert wird die Zahlung dabei per Fingerabdrucksensor, wobei man künftig auch auf andere biometrische Merkmale setzen könnte.

Isabell Katzenbach von Mercedes Pay. (Source: zVg)

Isabell Katzenbach, Product Owner bei Mercedes Pay. (Source: zVg)

Ein paar dazu passende Anwendungsbeispiele nannte Daniela Massaro, Country Managerin bei Mastercard Schweiz und Liechtenstein, die sich auf eine Kundenumfrage stützte. Viele von ihnen würden etwa die Parkgebühren, die Autowaschanlage oder Mautkosten mit dem Feature bezahlen. Möglich wären auch Partnerschaften mit Drive-in-Restaurants: "Damit wäre der Kaffee schon bestellt, wenn ich am Morgen losfahre", sagte Massaro.

Dass in Embedded Finance noch viel ungenutztes Potenzial steckt, davon ist Scarossa-Gründer Rino Borini überzeugt. Die Schweizer Finanzindustrie sei "ein bisschen träge und fett" geworden und müsse endlich wach werden, forderte er. In seinem Vortrag präsentierte er einen breiten Strauss an Plattformen, die nicht nur Zahlungs-, sondern auch Bank- oder Versicherungsdienstleistungen einbetten: Ikea etwa biete seiner Kundschaft eine Hausratversicherung, Zahlungsdienstleister Revolut eine Tierversicherung und Uber seinen Fahrern ein per App verwaltetes Bankkonto. Besonders viel Lob hatte Borini für Apple übrig. In den USA bietet der Tech-Gigant eine eigene Kreditkarte an und lancierte unlängst auch ein Sparkonto – mit grossem Erfolg, wie der Referent anmerkte. Dabei sei Apple nicht unbedingt günstig: "Es darf etwas kosten - es muss einfach geil gemacht sein", fand Borini.

 Rino Borini, Gründer von Scarossa und der Digital-Finance-Plattform "Finance 2.0". (Source: zVg)

 Rino Borini, Gründer von Scarossa und der Digital-Finance-Plattform "Finance 2.0". (Source: zVg)

Embedded Finance sei dank APIs und Cloud einfach umzusetzen, fuhr er fort. Aufgabe der Branche sei es, "vom Safe-Mode in den Make-Mode" zu kommen und "mit etwas Mut zu testen, was Kundinnen und Kunden wollen". Kurz gesagt, sich häufiger fragen: "why not?" Mehr zu Embedded finance finden Sie übrigens im Themenfokus der aktuellen Ausgabe von "Fintech&Insurtech 2023".

Mit Nachhaltigkeit zum Sieg

Dass es am Swiss Payment Forum auch um künstliche Intelligenz (KI) gehen würde, war zu erwarten. Zwei Vorträge stachen dabei besonders hervor: Das Potenzial der aktuellen Entwicklungen aus den Häusern OpenAI, Google und Co. stellte Unternehmensgründer und Autor Bilal Zafar in der Keynote zum Schluss des ersten Konferenztages vor. Er berichtete etwa, wie er die KI einsetzt – beispielsweise zum Verfassen oder Umformulieren von Mails oder fürs Zusammenfassen langer PDFs bis hin zum Schreiben eines kompletten Buches. Dann präsentierte er das Können von Bildgeneratoren. Die seien in den letzten Monaten noch einmal deutlich besser geworden, merkte er an; und sie erledigen binnen Sekunden, was man bislang allenfalls innerhalb von Stunden in Photoshop geschafft habe.

Unternehmensgründer, Buchautor und Keynote-Speaker Bilal Zafar. (Source: zVg)

Unternehmensgründer, Autor und Keynote-Speaker Bilal Zafar. (Source: zVg)

"KI ist das Jahrhundertthema", fuhr Zafar fort. Es handle sich um "eine Technologie, die Dinge kann, die wir uns nicht vorstellen konnten". Nicht nur den Anwesenden, sondern ganz Europa legte er ans Herz, die neuen Innovationen auszuprobieren und dann selber innovativ zu werden, zumal die Entwicklung weitergehe: "Leute, die wissen, wie's geht, werden profitieren und viele Jobs werden nachhaltig verändert werden."

Tags darauf führte Kurt Schmid, Managing Director Digital Banking bei Netcetera, vor, wie ChatGPT in ein E-Banking eingebunden werden kann. Das Resultat ist ein vielseitiger Chatbot, der Kontobewegungen analysiert, geplante Kaufvorhaben einschätzt und Zahlungen durchführt. Damit keine persönlichen Kundendaten in die USA übertragen würden, müsse eine anonymisierende "Zwischenschicht" eingebaut werden, erklärte Schmid. Alternativ, und starke Hardware vorausgesetzt, könnten bestimmte KI-Modelle auch On-prem in der Schweiz ausgeführt werden.

Kurt Schmid, Managing Director Digital Banking bei Netcetera. (Source: zVg)

Kurt Schmid, Managing Director Digital Banking bei Netcetera. (Source: zVg)

Verbreitete die Mehrheit der Referate Optimismus, kamen auch kritische Stimmen zu Wort. Andre Standke, Geschäftsführer bei Thede Consulting, nahm etwa die Pläne der EU zur Schaffung eines digitalen Euros unter die Lupe. Sie wolle unabhängiger werden von den USA, erklärte Standke. Doch aus Kundensicht sei der digitale Euro wohl nur ein weiteres Zahlprodukt. "Gibt es Probleme, die besser gelöst werden durch einen digitalen Euro? Mir fallen ehrlich gesagt keine ein"; kommentierte der Referent. Dafür kamen ihm mehrere Schwachstellen des Vorhabens in den Sinn: So müssten Banken den digitalen Euro kostenlos anbieten – könnten also nur über Umwege damit Geld verdienen. Zudem bringe er für Händler nur zusätzlichen neuen Aufwand mit sich.

Nachdenklich stimmte auch der Vortrag von Angela McClellan, Director Sustainable Finance bei PwC, zum Thema Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie. Einen Schwerpunkt legte sie auf Regulationen in der EU. Dabei gehe es aktuell in vielen Fällen darum, den jeweiligen CO2-Fussabdruck transparent zu machen. Zudem erwähnte sie das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, bis 2050 die Treibhausgasemissionen auf Netto null zu senken. Sollte die Finanzindustrie dieses Ziel erreichen, müsste sie jährlich 17 Prozent dekarbonisieren. Vergangenes Jahr habe sie jedoch nur eine Dekarbonisierungsrate von unter 3 Prozent erreicht.

Auf McClellans Vortrag folgte das Innovation Panel, moderiert von Netzwoche-Chefredaktor Marc Landis. Drei Gründerinnen und Gründer präsentierten neue Ideen für die Finanzbranche sowie den Handel und warben um die Gunst des Publikums. Den – wenn auch knapp – lautesten Applaus erhielt mit Roman Odermatt von Paygreen ein Projekt aus dem Bereich Nachhaltigkeit. Paygreen will ein Carbon-Pricing für Onlineshops anbieten. Der CO2-Ausgleich erfolgt dabei als Teil der normalen Transaktionsgebühren – "ohne zusätzliche Kosten und ohne Greenwashing-Gefahr", wie Odermatt bemerkte.

Roman Odermatt, Gründer von PayGreen. (Source: zVg)

Roman Odermatt, Gründer von PayGreen. (Source: zVg)

Das nächste Swiss Payment Forum findet am 18. und 19. November 2024 statt.

Übrigens: Die Schweizer Finanzbranche entdeckt das Potenzial von ChatGPT & Co. Mehr und mehr Banken und Versicherer setzen bereits KI-Lösungen ein - trotz Datenschutzbedenken. Warum hiesige Finanzunternehmen vorpreschen und auf welche Herausforderungen sie stossen, lesen Sie hier.

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