Maker-Szene Schweiz

So bastelt man heute

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Die Maker sind eine Bewegung, die sich dem Bauen, Reparieren und Experimentieren verschrieben hat. Mit Kreativität, Zusammenarbeit und aktueller Technik wollen sie eine Alternative zur Massenproduktion bieten. Ein Einblick in die Welt der IT-Bastler, die vom Hobbyprojekt bis zum globalen Netzwerk reicht.

(Source: Absceni84 / iStock.com)
(Source: Absceni84 / iStock.com)

Das Zürcher Fablab weiss seine Besucher zu beeindrucken. In einem Gewerbegebäude unweit der Hardbrücke schneidet ein Laser Cutter Formen aus einer Platte Acrylglas. Eine CNC-Fräse formt Holz. Fünf 3-D-Drucker stehen Spalier. Ein ABB-Roboterarm biegt Metallstangen. Es rattert und riecht nach verbranntem Plastik. Die Maker sind am Werk.

Maker? Der Begriff verlangt nach einer Erklärung, denn Hobbybastler gibt es nicht erst seit der Erfindung des 3-D-Druckers. Die Maker gehen aber noch einen Schritt weiter. Laut Chris Anderson, Ex-Chefredaktor des US-Technologiemagazins «Wired», unterscheiden sie sich in drei Aspekten von ihren Vorläufern. Erstens könnten Bastler heute auf eine Vielzahl digitaler Werkzeuge zurückgreifen, um ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Zweitens biete das Internet dem Handwerk neue Möglichkeiten, sich global zu vernetzen. Und drittens sei es noch nie so einfach gewesen, Produkte selbst herzustellen und zu vermarkten.

So ist eine Bewegung von Tüftlern, Programmierern und Künstlern entstanden, die eine einfache Frage verbindet: Warum etwas kaufen, wenn man es selbst machen kann? Auch für Edwin Akabuilo stand diese Frage am Anfang. Der Informatiker aus Nigeria lebt seit mehr als 20 Jahren in der Schweiz. Mit seinem Projekt will er gleich zwei Probleme in Entwicklungsländern auf einen Schlag lösen: Energieknappheit und Defizite im Bildungsbereich.

Ein Wochenende lang zeigten sich die Schweizer Maker im Jugendkulturhaus Dynamo. (Source: Netzmedien)

Zusammen mit seiner Firma Small World Project entwickelt Akabuilo den Silent Generator, ein Gerät, das per Solarstrom aufgeladen wird. Damit könnten Haushalte, Schulen und kleine Unternehmen dereinst unabhängiger vom Stromnetz und fossilen Brennstoffen werden, sagt Akabuilo. Doch das im Aargau beheimatete Unternehmen will noch weiter gehen. Der Silent Generator soll neben der Stromversorgung auch einen Lerncomputer mit E-Books enthalten. Energie und Bildung liessen sich so aus einer Hand anbieten.

Wo Maker Makern helfen

Der Silent Generator ist ein typisches Beispiel für die Selbstbau-Projekte der Maker. Akabuilo fand seine Mitstreiter auf Social Media und im Freundeskreis, wie er sagt. Das Gerät setzt zudem auf offene Technologien wie den «Arduino». Dieser Microcontroller, 2005 von italienischen Informatikern erfunden, kann es in puncto Performance nicht mit aktuellen Computern aufnehmen. Seine Stärken liegen in anderen Bereichen. Der Arduino lässt sich besonders einfach programmieren lassen. Dies senkt die Einstiegshürden für Hardwareentwickler, wie der Informatiker und IT-Workshop-Leiter Marcel Bernet sagt.

Zudem sind die Komponenten des Arduino als offene Hardware konzipiert. Damit steht das System einem gros­sen Kreis von Nutzern zur Verfügung. Diese Offenheit von Hard- und Software ist ein zentrales Standbein der Maker-Community. Die Idee dahinter ist, dass Entwickler nicht mehr im stillen Kämmerlein tüfteln. Die Produkte sollen gemeinsam weiterentwickelt und verbreitet werden – wie es in der Open-Source-Community üblich ist.

IT mal in bunt: Ein selbstgebauter Mini-Roboter von Radomir Dopieralski. (Source: Netzmedien)

Die Fablabs sind dafür der passende Ort. 2002 eröffnete das Massachusetts Institute of Technology sein erstes «Fabrication Laboratory», in dem Bastler mit digitalen Hilfsmitteln ans Werk gehen konnten. Inzwischen sind weltweit hunderte dieser offenen Werkstätten dazugekommen. Auch in vielen Schweizer Städten, wie die Website fablab.ch zeigt. Das im Zürcher Fablab verfügbare Hightech-Equipment wirkt auf den ersten Blick vielleicht einschüchternd. Die Betreiber wollen Neueinsteiger aber explizit zum Ausprobieren und Lernen motivieren. Labmanager passen auf und unterstützen die Nutzer bei der Arbeit. Die Ergebnisse sind vielfältig: von 3-D-gedruckter Keramik über Textilien aus der Strickmaschine bis hin zu Designermöbeln.

Kommerziellen Anwendungen steht das Zürcher Fablab offen gegenüber, wie es in dessen Statuten heisst: «Entwürfe und Verfahren, die in einem Fablab entwickelt werden, dürfen geschützt und verkauft werden». Der Schwerpunkt liegt allerdings auf dem individuellen Gebrauch, der Experimentierfreude und dem gemeinsamen Lernen. Mit diesem Ziel führt das Fablab auch regelmässig Kurse, Workshops und Themenabende durch.

Zwischen Hobby und Start-up

So wie die Fablabs die Maker auf lokaler Ebene vernetzen, tauscht die Selberbau-Community ihre Ideen, Baupläne und Erfahrungen auf Internetplattformen aus. Von Websites wie Thingiverse (Modelle für 3-D-Drucker) oder Opendesk (Möbel-Designs) können Pläne aus aller Welt heruntergeladen werden. Zahlreiche Videos, How-to-Websites und Foren geben Tipps für Bastler. Besondere Aufmerksamkeit widmen die Maker in jüngster Zeit der Vernetzung von Geräten im Internet der Dinge (IoT).

Es ist nicht einfach, die Maker auf einen Nenner zu bringen. Die Hintergründe und Kreationen sind vielfältig. Manche Projekte sind pragmatisch orientiert. Es geht bei ihnen darum, ein Gerät zu reparieren oder ein spezielles Problem zu lösen. Ein Beispiel ist der Silent Generator, ein anderes die freie Software «Openhab». Mit ihr lassen sich gekaufte oder selbstgebaute Geräte im Smarthome vernetzen. Andere Produkte erinnern an Kunstwerke. Sie haben keinen direkten Nutzen, sondern zeichnen sich dadurch aus, dass beim Basteln eine Entfaltung der eigenen Kreativität stattfindet.

Und dann gibt es noch Projekte, die über die Grenzen dessen hinausgehen, was gemeinhin noch als Hobby bezeichnet wird. Auf Hackteria.org dreht sich etwa alles um «Biohacking» und das Basteln mit Gentechnologie. Unter Openaps.org entwickeln Maker ein System zur automatischen Steuerung von Insulinpumpen. Menschen mit Diabetes sollen so schneller eine Linderung ihrer Krankheit erfahren, als wenn sie auf ein kommerzielles Gerät warten müssten, wie die Entwickler versprechen.

Am «Arduino-Abend» im Zürcher Fablab helfen sich die Maker mit Rat und Tat. (Source: Netzmedien)

Um die Community der Maker hat sich mittlerweile eine eigene Industrie gebildet. Passende Hardware wie der Arduino oder der Minicomputer «Rasperry Pi» ist im Elek­tronik-Fachhandel und diversen Onlineshops erhältlich. Auch komplette Selbstbau-Kits, etwa für IoT-Projekte, 3-D-Drucker oder Roboter, sind im Angebot. Für ihre Unterfangen sammeln Maker Geld auf Crowdfunding-Portalen wie Kickstarter oder Indiegogo.

Wer seine Eigenkreationen verkaufen will, dem stehen mit Tindie, Etsy, Amazon oder Ebay passende Vertriebsportale zur Verfügung. Für Tüftler, die ihre Basteleien zwar selbst entwerfen, aber nicht zusammenbauen wollen, bieten chinesische Hersteller die Massenfertigung und Versendung ihrer Kreationen an. Making-as-a-Service sozusagen.

Verspielter Treff der Selberbauer

Angesichts der vielen Facetten der Bewegung sei es wichtig, die Maker zusammenzubringen und ihre Projekte der Öffentlichkeit zu zeigen, sagt Thomas Amberg. Der Software­ingenieur und Gründer des IoT-Start-ups «Yaler» hat sich deshalb mit einigen Gleichgesinnten zusammengetan, um in Zürich eine «Maker Faire» durchzuführen. Im Ausland ziehen solche Veranstaltungen seit Längerem ein grosses Publikum an. Den Anstoss hierzu gab das US-Magazin «Make:», das 2006 die erste «Maker Faire» im kalifornischen San Mateo durchführte und sich den Namen markenrechtlich schützen liess. Bis 2013 stieg die Zahl der offiziellen Maker-Treffen laut «Make:» auf weltweit 100. Spätestens seit Barack Obama zu einer Maker Faire im Weissen Haus lud, geniesst das Thema internationale Bekanntheit. In New York, Rom und Shenzen bestaunen jeweils über 100 000 Besucher die Selbstbau-Produkte.

Solche Dimensionen peilen Amberg und seine Partner vom Verein DIY Kultur Zürich mit der Zürcher Maker Faire nicht an. Trotzdem lockten sie Anfang September rund 2000 Besucher ins Jugendkulturhaus Dynamo. 40 Maker-Teams aus der ganzen Schweiz zeigten ein Wochenende lang eine breite Palette von gemeinsam entworfenen und gebauten Produkten.

Zu sehen waren Hobby- und Kleinprojekte, bei denen der Schwerpunkt auf Kreativität und Zusammenarbeit liegt. Der Programmierer Radomir Dopieralski etwa stellte Mini-Roboter und Spielekonsolen aus. Sie zeigten auf spielerische Weise, was mit aktueller Technik auch für Einsteiger möglich ist. Das Fablab Bern hatte eine Kanone im Gepäck, die Schaumwolken in Herzform in die Luft zauberte. An einer Roboter-Bar konnten sich Besucher Drinks per App zusammenstellen. Auch 3-D-Drucker stellten Objekte in allen erdenklichen Farben und Formen her. Vom Modellflugzeug bis hin zum humanoiden Roboter «Inmoov».

Maker-Ideen für Unternehmen

Aber auch breiter angelegten Projekten bot die Zürcher ­Maker Faire eine Bühne. Schweizer Mitglieder der internationalen Community «The Things Network» (TTN) zeigten beispielsweise ihre Vision eines globalen Internets der Dinge auf Grundlage der Lora-WAN-Technik. Mit offener Hard- und Software will TTN zur Mitarbeit an einem Netzwerk animieren, das unabhängig von Mobilfunk und WLAN Daten über grosse Distanzen transportieren soll. Als Anwendungsbereich schwebt Gonzalo Casas, ETH-Softwareingenieur und Initiator von TTN Zürich, etwa die Landwirtschaft vor. IoT-Sensoren könnten die Position von Kühen über ein selbstgebautes Netzwerk an einen Bauern übermitteln. Auch die Schweizerische Post und Swisscom interessieren sich für die Technik.

Das wichtigste Werkzeug der Maker: 3-D-Drucker an der Maker Faire. (Source: Netzmedien)

Parallel zur Ausstellung liefen verschiedene Workshops, in denen das Publikum selbst Hand an Lötkolben, Schraubenzieher und Leiterplatten legen konnte. Mit dem Softwareingenieur Daniel Eichhorn ging es etwa Schritt für Schritt zur eigenen IoT-Wetterstation. Eichhorn gab auch Hinweise, wie Maker ihre Projekte in Fernost zusammenbauen und verschicken lassen können. Generell riet er, nicht zu lange zu warten und ein selbst entworfenes Produkt so früh wie möglich als «Minimum Viable Product» auf den Markt zu bringen.

Bewegung mit Potenzial

Im Zentrum der Zürcher Maker Faire stand ein Roboter-Wettkampf – inspiriert vom japanischen Sumoringen. Selbstgebaute Gefährte versuchten sich gegenseitig aus dem Ring zu drängen. Der Wettkampf zeigte, wie stark die Faszination für Technik vor allem beim jungen Publikum ist. Die meisten Teilnehmer des Robo-Ringens waren noch im Schul- oder sogar Vorschulalter. Viele hatten ihre Roboter während der Maker Faire selbst konstruiert und waren mit viel Enthusiasmus dabei.

So zeigte der Besuch im Dynamo zweierlei. Erstens ist besonders bei der Jugend ein starkes Interesse am digitalen Handwerk vorhanden. Hier trifft die Idee des gemeinsamen Erfindens und Bastelns auf fruchtbaren Boden. Zweitens ist die Maker-Bewegung eines der deutlichsten Zeichen der digitalen Transformation. Sie nutzt modernste Technik und Methoden, die lange Zeit nur grossen ­Industriefirmen zur Verfügung standen. Ob daraus wirklich eine neue industrielle Revolution entstehen könnte, wie Anderson meint, muss sich noch zeigen. Dass die ­Maker auch in der Schweiz Fuss gefasst haben, ist aber offensichtlich.

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