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"Die Gewinner werden die Firmen mit dem besten Ökosystem sein"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Oliver Christ forscht an der ZHAW School of Management and Law über IT-Trends und innovative Geschäftsszenarien. Er erläutert, wie die Entwicklungen zusammenhängen und was er von der Zukunft erwartet. Klar ist: Es gibt in den Bereichen Cloud Computing und IT-Sourcing viel Potenzial für neue Anbieter und Dienstleister.

Oliver Christ von der ZHAW School of Management and Law. (Quelle: ZHAW)
Oliver Christ von der ZHAW School of Management and Law. (Quelle: ZHAW)

Herr Christ, die Cloud, Mobile oder Outsourcing sind nur einige der relevanten IT-Trends. Welche heben Sie heraus?

Im Dickicht der vielen Schlagworte und Hypes gibt es aus meiner Sicht bereits seit mehreren Jahren stabile Entwicklungslinien: Einerseits entsteht, getrieben durch Virtualisierung, Cloud Computing und Sourcing, die durch technische Treiber wie höhere Bandbreiten und bessere Kommunikationswerkzeuge verstärkt werden, eine neue Verteilung von Geschäftsprozessen und IT-Anwendungen. Die eher monolithischen Blöcke grosser IT-Lösungen werden in modulare Einheiten zerlegt und können bezüglich Betreibermodell, Endgerät, Prozessmodell und Sourcing-Konzept flexibel neu zusammengefügt und organisiert werden. Zusätzlich finden immer mehr Anwendungen und Interaktionen auf mobilen Geräten statt. Die Unterscheidung zwischen mobiler und stationärer IT wird damit obsolet. Einen weiteren Trend sehe ich darin, dass Form und Inhalt beziehungsweise Form und Materie durch Konzepte wie das Internet der Dinge und insbesondere 3-D-Printing leicht getrennt und viel später und flexibler als früher zusammengefügt werden können. Design-Vorlagen werden nur noch im Sinne eines Templates mitgeliefert und durch die Online-Community weiterentwickelt. Die Benutzer sollen möglichst vieles selbst steuern können, was in den meisten Bereichen ein Mass Customization der Produkte kostengünstig ermöglicht.

Wie weit sind denn die Anbieter heute diesbezüglich?

Die Errungenschaften der Vergangenheit müssen nachgeholt und auf den neuen Stand der Technik gehoben werden. Cloud-Angebote müssen beispielsweise auf jenen Stand gebracht werden, auf dem bestehende Enterprise-Lösungen heute schon sind. Das betrifft insbesondere die Sicherheit, die Robustheit, die Privatsphäre, die Multi-User-Konzepte oder die IT-Governance. In dieser Hinsicht wird sich der Markt neu aufstellen. Es werden die Unternehmen erfolgreich sein, die die eben genannten Punkte abdecken können, was in Anbetracht der Komplexität der Lösungen nicht alleine zu bewerkstelligen ist. Die Gewinner werden dabei die Firmen sein, die das beste Ökosystem anbieten können.

Hat die Skepsis gegenüber Cloud-Modellen genau damit zu tun, dass diese bezüglich der von Ihnen genannten Faktoren zu wenig ausgereift sind?

Da müssen wir zwischen geschäftskritischen und nicht-geschäftskritischen Anwendungen und Daten und zwischen Private Clouds und Public Clouds unterscheiden. Ein Mindmapping-Werkzeug kann sicherlich problemlos über öffentliche Cloud-Angebote genutzt werden. Doch wenn es darum geht, Geschäftsprozesse in die Cloud zu verschieben, dann sehe ich nur wenige ausgereifte Lösungen. Da braucht es branchenspezifische Lösungen, die vom Accounting bis hin zur Produktionssteuerung alles abdecken und zwar mit jenen Standards, die Inhouse-Lösungen heute bieten. Weit fortgeschritten sind wohl am ehesten jene Anbieter, die bereits On-Premise-Lösungen für diese Prozesse anbieten.

Worin sehen Sie denn das grosse Potenzial der Cloud?

Interessant werden die Cloud-Lösungen für Unternehmen dann, wenn sie die Flexibilität bieten, Lösungen verschiedener Anbieter mit Individual- und Standard-Software-Lösungen zu kombinieren. So weit sind wir meines Erachtens noch nicht, viele Angebote und Bemühungen zielen jedoch genau in diese Richtung. Dazu braucht es erstens professionelle Integratoren, zweitens weltweit akzeptierte Standards und drittens seriöse Partnernetzwerke der Integratoren.

Sehen Sie deshalb Potenzial für neue Integratoren?

Es gibt noch einen Mangel in diesem Bereich, doch ich sehe Bewegung im Markt. Der Aufbau solcher Dienstleistungen hängt von vielen Faktoren ab. Das Vertrauen der Nutzer ist sehr wichtig. Einer Post oder einem Telekommunikationsanbieter vertrauen Unternehmen ihre Daten zum Beispiel eher an als einem neuen, jungen Anbieter, einem lokalen Anbieter eher als einem Offshore-Dienstleister, und einem erfahrenen, lange im Markt etablierten Softwarepartner eher als einem unerfahrenen Tool-Anbieter.

Welche weiteren Risiken bergen die Trends, gerade im Hinblick auf heikle Branchen?

Nun, durch die neuen Möglichkeiten entstehen auch neue Geschäftsmodelle, die neue Risiken und Herausforderungen mit sich bringen. In der Versicherungsbranche gibt es zum Beispiel neue Ansätze wie das Pay-as-you-live-Modell, das heisst eine verhaltensbasierte Tarifierung, die durch ein ständiges Monitoring des Kundenverhaltens möglich wird. Daraus entstehen ethische und gesellschaftliche Fragestellungen und Herausforderungen. Die Risikogemeinschaft wird zu einer individualistischen Gemeinschaft. Ein weiterer Trend ist die Bring-your-own-Device-Entwicklung in vielen Unternehmen, durch die der Integrationsaufwand und damit die Komplexität der IT massiv zunimmt, was den Standardisierungsbemühungen der letzten Jahrzehnte entgegenläuft. Und last but not least werden Unternehmen durch die zunehmende Offenheit der IT und der Mitarbeiterinteraktionen immer mehr Schwierigkeiten bekommen, die Sicherheit und Privacy der Daten zu realisieren.

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