Schleppende S/4Hana-Migration

SAPs Cloud-Strategie stösst auf Grenzen

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von Joël Orizet und ml

Schweizer SAP-Anwender bewerten die Cloud-Strategie des Walldorfer ERP-Herstellers überwiegend kritisch. Bezüglich S/4Hana halten sich hiesige Unternehmen nach wie vor zurück. Und die entsprechenden Budgets geraten ins Stocken, wie eine Umfrage der SAP-Anwenderlobby DSAG zeigt.

Jean-Claude Flury, DSAG-Fachvorstand Schweiz. (Source: zVg)
Jean-Claude Flury, DSAG-Fachvorstand Schweiz. (Source: zVg)

Die Cloud-Strategie von SAP kommt bei der Kundschaft mehrheitlich schlecht an. 48 Prozent der befragten SAP-Anwender aus dem DACH-Raum bewerten die S/4Hana-Strategie negativ - in der Schweiz sind es 24 Prozent, wie aus einer Befragung der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe DSAG hervorgeht. Ein positives Urteil fällen hingegen 13 Prozent der Befragten aus der DACH-Region und 19 Prozent aus der Schweiz.

Für die Zustimmung gegenüber S/4Hana spreche insbesondere eine höhere Standardisierung, mehr Flexibilität und eine höhere Security, teilt die DSAG mit. Die Kritik dagegen dreht sich indes um den viel gescholtenen Migrationszwang. On-Premises-Kunden fühlen sich weiterhin benachteiligt. "Sie fürchten um ihre bereits getätigten Investitionen und sehen die Inkompatibilität mit gesetzlichen Vorgaben ebenso kritisch, wie den von SAP ausgeübten Druck in Richtung Cloud", sagt Jean-Claude Flury, DSAG-Fachvorstand Schweiz. 

Kaum steigende Cloud-Budgets

Die überwiegend kritische Haltung gegenüber SAPs Cloud-Strategie wirkt sich jedoch kaum auf die entsprechende Investitionsbereitschaft aus. 33 Prozent der befragten SAP-Anwender aus der Schweiz planen dieses Jahr hohe Investitionen in S/4Hana - das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Weitere 43 Prozent veranschlagen den Ergebnissen zufolge "mittlere Investitionen". Im Vorjahr waren es noch drei Prozentpunkte weniger. Das heisst, gemäss der Umfrage steigen die S/4Hana-Budgets hierzulande; allerdings nur geringfügig. 

"Bei S/4Hana sind die Schweizer Unternehmen immer noch zurückhaltend", sagt Jean-Claude Flury. Das könne daran liegen, dass die entsprechenden Transformationsprojekte aufgrund unterschiedlicher Release-Stände und Entwicklungsstufen der IT-Systeme deutlich mehr Aufwand und Anstrengungen mit sich brächten als geplant. Somit könne auch das nahende Wartungsende 2027 den Trend zur Migration nicht verstärken. "Hier braucht es noch deutlich mehr Unterstützung von SAP, denn unsere Mitgliedsunternehmen haben viele wichtigere Themen auf dem Tisch, als eine funktionierende ERP-Suite abzulösen."

Weniger Investitionen in SAP

Die allgemeinen Budgets für SAP-Lösungen dürften unter dem Strich schrumpfen - zumindest für den deutschsprachigen Raum stellt die DSAG fest, dass die Investitionen in SAP tendenziell abnehmen. Zwar gaben 38 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen an, die SAP-Budgets dieses Jahr zu erhöhen - das sind allerdings 13 Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr. Hinzu kommt: 19 Prozent der Befragten in der Schweiz rechnen dieses Jahr mit sinkenden SAP-Budgets. 

Zwei Kuchendiagramme zeigen die Entwicklungen der IT- und der SAP-Budgets 2024 im Vergleich zu 2023. 19 Prozent der Befragten in der Schweiz geben an, dass ihr SAP-Budget im Vergleich zum Vorjahr sinkt.

(Source: DSAG)

Die Zahl der Befragten, die von gleichbleibenden oder sinkenden Investitionen sprechen, sei gestiegen, merkt Flury an und ergänzt: "Die Zögerlichkeit könnte mit der Ankündigung von SAP zusammenhängen, Innovationen nur noch in der Cloud verfügbar machen zu wollen." Wer bereits auf S/4Hana On-Premises umgestellt habe oder dies noch tun möchte, würde sich wohl vorerst zurückhalten. 

Marketingprogramme verpuffen

"Rise with SAP", die Marketinginitiative zur Cloud-Migration, stösst insbesondere in der Schweiz auf wenig Zuspruch. 24 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Angebot nutzen oder es noch nutzen wollen - in der DACH-Region sind es gar nur 16 Prozent. Doch die grosse Mehrheit scheint sich nicht darum zu scheren. 

71 Prozent der Befragten Anwender in der Schweiz wollen das Angebot gemäss der Umfrage nicht nutzen. Weitere fünf Prozent gaben an, das Angebot nicht zu kennen. 

Das Programm sieht unter anderem vor, bereits geleistete Investitionen anzurechnen. "Dennoch fehlt es offensichtlich noch an weiteren stichhaltigen Argumenten für eine Investition", sagt Flury. Zu den Kritikpunkten zählen ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, erhöhte Testaufwände durch kontinuierliche Updates/Upgrades, die begrenzten Erweiterungsmöglichkeiten sowie die hohe Abhängigkeit von SAP inklusive fehlender Ausstiegs-Möglichkeiten. 

"Die relativ sorglose Nutzung von Cloud-Software, wie sie seit einiger Zeit in den Bereichen der Office-Software-Suiten und im Marketing zu beobachten ist, lässt sich auf die komplexe Umgebung von ERP-Applikationen nicht eins zu eins übertragen", fährt Flury fort. "Vermutlich werden in den Unternehmen verschiedene Entwicklungsstufen notwendig sein, um Cloud-ready zu werden."

Einen noch schwereren Stand hat hierzulande "Grow with SAP", ein weiteres Marketingprogramm, mit dem SAP insbesondere KMUs zur Einführung eines cloudbasierten ERP-Systems bewegen will. 52 Prozent der Befragten aus der Schweiz gaben an, das Angebot nicht nutzen zu wollen. "Das Thema S/4Hana Public Cloud hat bei den Schweizer Unternehmen einen schweren Stand", sagt Flury. "Darum ist es logisch, dass ein Angebot wie Grow with SAP bislang nur verhalten angenommen wird."

Die Befragung fand vom 23. Januar 2024 bis zum 13. Februar 2024 statt - 228 Mitgliedsunternehmen der DSAG nahmen an der Umfrage teil, davon 21 aus der Schweiz. 

 

SAP trimmt sein Portfolio übrigens auf künstliche Intelligenz und kauft KI-­Unternehmen auf. Wie die Integration von SAPs Gen-AI-Bot verläuft, wie sich die Neuerung auf die Belegschaft auswirkt und wohin die Reise gehen soll, erklärte Alexander Finger, CTO von SAP Schweiz, im Interview

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