Der IT-Vertrag als Bumerang? - Teil 1
IT-Verträge werden oft als lästig, bemühend, zeitraubend und manchmal sogar als unnütz betrachtet. Gerät ein IT-Projekt jedoch in Schieflage, gewinnt der entsprechende Vertrag an Bedeutung.
Ist die entstandene Streitigkeit im Vertrag geregelt? Welche Regelung haben die Parteien für den in Frage stehenden Fall getroffen? Oft sucht man im Vertrag vergeblich nach Antworten auf solche Fragen. Welches sind die möglichen Gründe dafür, und mit welchen Massnahmen kann man sicherstellen, dass der Vertrag diese Fragen beantwortet? Die Rechtsanwältin Lilian Snaidero Kriesi gibt Anwort auf diese Fragen.
Gründe für fehlende Antworten im IT-Vertrag:
Ein nicht voraussehbares Problem ist aufgetaucht
Dass IT-Projekte mit Unvorhergesehenem zu kämpfen haben, liegt in der Natur der IT. Es ist deshalb schlicht unmöglich, sämtliche Probleme vorauszusehen und entsprechend im Vertrag zu regeln.
Ungenügende Prüfung und Redaktion des Vertrags
Die Parteien haben bei der Redaktion oder Prüfung des Vertrags zu wenig Zeit investiert: Es kommt zum Abschluss eines nicht ganz durchdachten Vertrags. Tauchen im Verlauf des Projekts Schwierigkeiten auf, die im Vertrag nicht geregelt wurden, spitzt sich die ohnehin bereits angespannte Situation oft zusätzlich noch zu. Die Kommunikation wird schwieriger, die Zeit knapper, die Kosten steigen an. Wie kann man das vermeiden?
Je detaillierter und konkreter sich die Parteien mit dem Vertragsinhalt auseinandergesetzt haben, desto eher wird der Vertrag bei allfälligen Streitigkeiten Antworten liefern. In diesen Fällen haben sich die Parteien bereits im Vorfeld mit diversen Eventualitäten befasst, gemeinsam nach Lösungen gesucht und vertraglich niedergeschrieben. Diese Regelungen können im Streitfall helfen, die Situation zu entschärfen und auf einer kooperativen Basis nach konstruktiveren Lösungen zu suchen. Daraus wird ersichtlich, welch zentrale Bedeutung der IT-Vertrag innerhalb eines Projekts einnimmt.
Weitere Stolpersteine im Zusammenhang mit IT-Verträgen
- Streitigkeiten über den Liefer- oder Dienstleistungsumfang infolge sich widersprechender Vertragsdokumente
- ungenügende Abnahmekriterien
- Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Abnahme
- Lieferant gerät mit der Lieferung seines Werks in Verzug
- teuer bezahlte Software, die nie auf der eigenen Systemumgebung in Betrieb gesetzt werden konnte
- Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Software-Wartungsvertrags.
Einfache Massnahmen für erfolgreichere IT-Verträge
Genügend Zeit einplanen
Problem: IT-Projekte zeichnen sich fast alle durch einen hohen Zeitdruck aus, weshalb der Vertrag oft stiefmütterlich behandelt wird. Dies kann sich im Verlauf des Projekts oder später im Rahmen des produktiven Betriebs als Bumerang erweisen.
Massnahme: Im Terminplan des IT-Projekts ist genügend Zeit für den Vertrag (von der Prüfung desselben bis zur Vertragsunterzeichnung) einzubauen.
Fazit: Finden die Parteien bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen die gemeinsame Sprache nicht oder ist die Zusammenarbeit mühsam und nicht zielführend, stellt sich gleich zu Beginn die Frage, ob ein Vertragsabschluss sinnvoll ist oder ob die künftige Kooperation zum Scheitern verurteilt ist. Kommen beide Parteien zu diesem Schluss, haben die Vertragsverhandlungen bereits eine wichtige Funktion erfüllt: Die Parteien haben ihre mangelnde Kompatibilität erkannt und brechen die Zusammenarbeit rechtzeitig ab. Erfahrungsgemäss wirkt sich dies kosten- und zeitsparend aus.
Liefer- oder Dienstleistungsumfang
Problem: Obwohl es sich um eines der Kernelemente des Vertrags handelt, wird der Liefer- oder Dienstleistungsumfang oft unklar, unvollständig oder widersprüchlich formuliert. Streitigkeiten sind damit vorprogrammiert.
Massnahme: Der Leistungsumfang ist sorgfältig zu redigieren: Um Widersprüche bestmöglich zu vermeiden, empfiehlt es sich zudem, den Leistungsumfang in ein Dokument zu giessen.
Fazit: Ein vollständig und systematisch verfasster Leistungsumfang verschafft den Parteien einen guten Überblick, hilft vergessene Themen noch vor Vertragsunterzeichnung aufzudecken und zu regeln.
Keine oder ungenügende Abnahmekriterien
Problem: Der Lieferant hat dem Besteller sein Werk geliefert. Der Besteller ist mit dem Werk aber nicht zufrieden. Die Parteien streiten sich darüber, ob das Werk den vertraglichen Anforderungen entspricht oder nicht.
Massnahme: Vereinbarung eines Abnahmeverfahrens mit klaren und messbaren Abnahmekriterien sowie klare Regelung der Folgen bei Nichtbestehen der Abnahme.
Fazit: Je klarer und konkreter die messbaren Abnahmekriterien formuliert wurden, desto weniger wird es im Rahmen des Abnahmeverfahrens zu Streitigkeiten zwischen den Parteien kommen. Ebenso sollten die Parteien die Folgen einer allenfalls nicht bestandenen Abnahme bereits im Vertrag regeln: Soll eine oder mehrere Nachbesserungen stattfinden mit darauffolgenden erneuten Abnahmeprüfungen? Wünscht der Besteller nach einer gescheiterten Abnahme vom Vertrag zurücktreten zu können? Welche Kostenfolgen sollen vereinbart werden?
Termin- und Zahlungsplan
Problem: Terminpläne, die nicht eingehalten werden. Zahlungen, die geleistet werden müssen, obwohl die entsprechende Gegenleistung nicht erbracht wurde.
Massnahme: Der Lieferant ist gut beraten, seine Termine unter Berücksichtigung allfälliger Abwesenheiten, Feiertage, sonstiger Projekte und deren Fristigkeiten sorgfältig zu planen. Sodann muss auch der Zahlungsplan wohl überlegt sein.
Fazit: Werden die vom Besteller geschuldeten Zahlungen an Projektfortschritte geknüpft, wird es seltener vorkommen, dass der Besteller für eine Leistung bezahlt, die er nie erhalten hat und auch nie erhalten wird.
Schlussfolgerung
Beim Vertrag geht es in erster Linie darum, eine gute Basis für eine kooperative und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Parteien zu schaffen. Vertragsverhandlungen bieten die Möglichkeit, die Karten auf den Tisch zu legen, Missverständnisse aufzudecken und zu klären und einen für beide Parteien stimmigen und ausgewogenen Vertrag abzuschliessen.
Wichtig ist zudem, dass die Vertragsparteien die voraussehbaren "worst case"- Szenarien bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung durchspielen und entsprechende Lösungsvarianten im Vertrag definieren. Dies kann beim Auftreten von Schwierigkeiten helfen, die Situation nicht zusätzlich eskalieren zu lassen und bestenfalls einer baldigen Lösung zuzuführen. Schnelle und konstruktive Problembehebungen wirken sich wiederum für beide Parteien nicht nur Nerven schonend sondern auch Kosten sparend aus.
Die Autorin Lilian Snaidero Kriesi schloss das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Zürich ab (1992). Anschliessend war sie rund 18 Monate an einem Bezirksgericht tätig. Nachdem sie 1994 das zürcherische Anwaltspatent erworben hatte, vollzog sie einen 6-monatigen Aufenthalt am Obergericht Zürich. Es folgten drei Jahre im Rechtsdienst eines Dienstleistungsunternehmens sowie 11 Jahre als Rechtskonsulentin einer Schweizer Grossbank, wo sie zahlreiche IT-Projekte betreute. Am 15. März 2010 eröffnete Lilian Snaidero Kriesi ihre eigene Anwaltskanzlei. |

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