Wiko und das Volks-Smartphone

Wiko: "Wir wollen die Marke für jedermann sein"

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Der französische Telefonhersteller Wiko will sich als Marke für Jedermann im Mobile-Geschäft etablieren. Das Vorhaben könnte gelingen, wie erste Testläufe zeigen.

Wiko will nun auch in der Schweiz durchstarten. An einer Presseveranstaltung im Papiersaal in Zürich präsentierte der französische Mobilfunkhersteller Ende Januar seine Pläne für die Schweiz.

5 Prozent Marktanteil innerhalb eines Jahres hat sich das Team um Ismael Benotmane, Sales Manager Switzerland, gesetzt. Das Selbstbewusstsein nimmt Wiko von seinen Erfolgen im französischen Heimatmarkt. Nach seinem Start im Jahr 2011 wuchs das Unternehmen aus Marseille zur Nummer zwei in Frankreich heran.

Ausserdem startete der Hersteller Ende des letzten Jahres Versuchsballons in der Westschweiz. Diese flogen hoch. So habe ein Test bei der schweizerischen Post die Erwartungen von 400 verkauften Geräten um 100 Stück übertroffen, sagt Benotmane.

Eine Entwicklung, die man bei der Post gerne bestätigt. Für eine in der Schweiz praktisch unbekannte Marke sei der Verkaufserfolg überdurchschnittlich hoch gewesen, wie Thomas Bevc von der schweizerischen Post erzählt. Die Leistung, die ein Kunde für den Preis erhalte sei attraktiv. Wiko habe aber auch die Post bei der Vermarktung der Geräte unterstützt.

Ähnliche Erfahrungen hatte nach Aussagen Benotmane auch Media Markt in der Romandie gemacht. Auf eigenen Verkaufsregalen seien die Geräte im Herbste des letzten Jahres angeboten und beworben worden. Nach eigenen Angaben erzielten die Geräte des französischn Herstellers in einigen Filialen monatliche Marktanteile von 20 Prozent.

Distribution via Alltron

Was die Geräte in den grenznahen Regionen überdies auch noch attraktiv für Käufer macht, sind die Schweizer Preise. Durch die Mehrwertsteuer seien die Gerätepreise hierzulande niedriger als in Frankreich oder Italien, argumentierte Benotmane. Einkaufstourismus einmal anders herum. Inzwischen hat sich Wiko ein grösseres Verkaufsnetz mit den bekannten Grössen am Markt aufgebaut. Neben der schweizerischen Post verkaufen auch Media Markt, Digitec, Microspot, PCP.CH und Brack.ch. Der Vertrieb erfolgt über Alltron, die Schwester-Firma von Brack.ch.

Aber wie passt Wiko ins Sortiment von Alltron? "Wiko produziert Smartphones, die leistungsfähig, gut verarbeitet und optisch ansprechend sind – und das zu einem attraktiven Verhältnis zwischen Preis und Leistung", erklärte Unternehmenssprecher Daniel Rei auf Nachfrage. So ergänze Wiko das bestehende Telefonieportfolio beim Distributor. Alltron sei deshalb ein geeigneter Disti für Wiko, weil "Alltron über eine leistungsfähige Logistik verfügt, die sich ideal für Kleinteile wie Smartphones und -Zubehör eignet, und einen Ruf als verlässlicher Partner geniesst."

Alltron stiess am Mobile World Congress des letzten Jahres auf den Hersteller. Der Disti habe angefragt, ob man die Marke in die Schweiz bringen könne. Wiko hätte zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Absicht gehabt, den Schweizer Markt zu betreten. "Den Ausschlag für den Beginn der Zusammenarbeit haben das Engagement und die Begeisterung des Alltron-Teams gegeben", erklärte Rei weiter. Alltron möchte Wiko nun dabei unterstützen, die Marke in der Schweiz zu einer etablierten Grösse zu entwickeln.

Das passt in die Strategie Wikos. Noch in diesem Jahr möchte der Hersteller auch gemeinsam mit Providern seine Smartphones den Schweizer Kunden anbieten. Ein erster Provider-Partner ist Orange Schweiz. After-Sales-Services wie Reparaturen übergab Wiko an den Dienstleister Anovo. Nach Angaben des Herstellers würden defekte Geräte umgehend ausgetauscht.

Das richtige Modell zum besten Preis

Bei Preisen zwischen 70 und 300 Franken dürfte sich eine Reparatur wohl auch selten rechnen. Die niedrigen Preise sind auch eines der Hauptargumente, die für die Wiko-Handys sprechen. Egal ob für junge Leute mit kleinem Budget oder für anspruchsvolle und Design-verliebte Kunden will Wiko das richtige Modell zu einem Preis anbieten, der stets unter dem der Mitbewerber liegen soll, fasste Stéphane Pellerin, Business Development Director Europe, die Strategie zusammen.

Die Preisgestaltung hat Methode. Der Hersteller überlegt sich bei den Modellen jeweils genau, was ein Kunde braucht. Was nicht notwendig erscheint, wird weggelassen. Das spart Bauteile und senkt die Kosten. Hierfür verhandelt Wiko auch direkt mit Chipherstellern. Stolz bewarben die Manager an der Präsentation die Zusammenarbeit mit Herstellern wie Mediatek und Nvidia.

Das Volks-iPhone

Die Chips sind allerdings nicht immer die Hochleistungsvarianten, wie sie in kompromisslosen Premiumgeräten zu finden sind. Zudem sind die Handys teilweise mit einfachen Kameras ausgestattet. Technische Vorteile sind hingegen eher Features wie Dual-Sim. Für Kunden in Grenzregionen könnte das ein Unique Selling Point sei. Grundsätzlich erinnert das Geschäftsmodell von Wiko stark an jenes von Lenovo-Tochter Medion. Der PC-Hersteller vertrieb immer wieder in deutschen Aldi-Filialen sogenannte Volks-PCs als Aktionsware. Oft waren dann etwa Grafikkarten verbaut, die ein Gamer erst einmal austauschen würde. Die Karten entsprachen bekannten Modellen. Das Kürzel SE verriet die gedrosselte Leistung. Dennoch: Für viele Normalanwender boten die Rechner mehr als ausreichend Leistung und verkauften sich auch gut. Ein Erfolgsmodell.

Das will auch Wiko schaffen. "Wir wollen die Marke für Jedermann sein", erklärte Pellerin im Gespräch. Nicht aber für Techies wie Apple- oder Samsung-Fans. Hingegen adressiert Wiko neben Normalverbrauchern auch Life-Style-bewusste Menschen. Also jene, die sich das Smartphone nach Kriterien aussuchen, wie etwa der Farbe des Gehäuses oder danach, ob es sich in der Hand gut anfühlt. Daher setzt Marketing-Chefin Petra Ventura auf Community-Building und Markenidentifikation. Das drücke sich auch im Markennamen aus: We (Wi) and the Community (Ko) = Wiko. Ein Ansatz, der funktionieren kann. Laut Marktforschern wie Deloitte betrachten Kunden Smartphones heute weniger als Taschen-PC und vielmehr als Mode-Accesoire. Das haben allerdings auch schon Hersteller wie Acer oder Huawei probiert, die sogar noch auf High-End-Technik als Verkaufsargument setzten. Die Erfolge sind – zumindest bisher – durchwachsen.

Immer mehr Kunden ohne Vertrag?

Der Erfolg am französischen Heimatmarkt scheint Wikos Strategie hingegen zu bestätigen. Dort ist Wiko die Nummer zwei am Markt. Nur sind Schweizer Kunden bei Technik wenig preissensitiv. Hightech von Apple und Samsung dominieren das Geschäft. Dennoch setzt Pellerin auch auf den Verkauf ohne Vertragsbindung. Bei den günstigen Preisen läge es für viele Kunden drin, Smartphones auch mal ohne Vertrag zu kaufen. 400 Franken für ein Wiko-Smartphone oder knapp 1000 für ein Apple-Modell. Diese Rechnung muss letztlich jeder Käufer für sich ausmachen.

Interessanterweise dringen Wikos Geräte dank sinkender Komponentenpreise immer stärker in eine Region vor, die man schon als Premium-Segment definieren könnte. Und für dieses Jahr plant der Hersteller eine Produktoffensive. Für den Mobile World Congress in Barcelona kündigte Pellerin neue Modelle an. Zu viel wollte er dann aber auch nicht verraten. Fünf Smartphones sollen sich zu den aktuell 10 Modellen dazu gesellen. Darunter auch eines der wohl dünnsten Smartphones, die dieses Jahr auf dem Markt erscheinen.

Das Team von Wiko strahlte an dem Event viel Zuversicht, Selbstbewusstsein und Freude etwas bewegen zu wollen aus. Vielleicht schafft es ja tatsächlich ein kleiner Hersteller aus Südfrankreich, was asiatische Tech-Riesen bisher kaum schafften: Bewegung in den Schweizer Mobilfunkmarkt zu bringen und zu einer Demokratisierung der Markenlandschaft beizutragen.

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