Was das grösste Start-up der Welt in der Schweiz vorhat
Das IBM-Spin-off Kyndryl will Unternehmenskunden mit einem Best-of-Breed-Ansatz technologieagnostisch helfen, IT-Infrastruktur zu modernisieren und gegen Cyberbedrohungen abzusichern. Maria Kirschner übernahm im April 2023 zusätzlich zu Österreich auch die Führung der Schweizer Niederlassung der Infrastukturdienstleisterin und erklärt, was das Unternehmen hier vorhat.
Wie ist Ihnen Ihr persönlicher Start als Vice President & General Manager von Kyndryl in der Schweiz geglückt?
Maria Kirschner: Mein Start in der Schweiz verlief sehr positiv. Zürich ist mir bereits sehr ans Herz gewachsen. Ich schätze die Zusammenarbeit mit den Teams vor Ort und die Dynamik des Schweizer Marktes. Es ist beeindruckend, wie die digitale Transformation in der Schweiz an Bewegung gewonnen und in verschiedenen Sektoren bedeutende Veränderungen herbeigeführt hat. Kyndryl ist seit dem ersten Tag des globalen Starts vor zwei Jahren in der Schweiz aktiv und unterstützt die digitale Agenda der Schweizer Unternehmen. Im Grunde genommen machen wir das ja nicht erst seit dem Spin-off, sondern bringen bereits jahrzehntelange Erfahrung im Betrieb geschäftskritischer Infrastrukturen mit.
Wie hat sich Kyndryl seit seiner Gründung entwickelt und welche Meilensteine würden Sie als besonders prägend für das Unternehmen hervorheben?
Kyndryl feierte kürzlich seinen zweiten Jahrestag als unabhängiges, börsennotiertes Unternehmen. Es war eine intensive Zeit, in der es uns gelungen ist, unsere Führungsrolle als IT-Infrastrukturdienstleister mit einer frischen kundenorientierten Start-up-Kultur zu kombinieren. Ausserdem haben wir bereits das Vertrauen neuer Kunden im Bereich Consult sowie Data & AI gewinnen können. Zusätzlich arbeiten wir mit einer Vielzahl von weltweit führenden Unternehmen zusammen und sind deren bevorzugter Partner, was mich persönlich sehr stolz macht.
Wie würden Sie Ihr Geschäftsmodell in drei Sätzen beschreiben?
Für uns ist IT mehr als ein Selbstzweck. Wir unterstützen unsere Kunden, ihre Ziele zu erreichen und gleichzeitig die geschäftskritische IT-Infrastruktur zu modernisieren und gegen Cyberbedrohungen abzusichern. Unsere Leistungen in den Bereichen Cloud, Cyberresilienz, künstliche Intelligenz, Data & AI, digitaler Arbeitsplatz, Netzwerk und Edge Computing basieren auf einem technologieunabhängigen Ansatz mit Best-in-Class-Partnern. Darüber hinaus bilden die strategischen Allianzen, insbesondere mit den drei grossen Cloud-Hyperscalern, den Grundstein für unser Geschäft.
Wie wollen Sie sich gegen nationale Player wie zum Beispiel Swisscom abgrenzen, die ebenfalls im Geschäft mit ICT-Infrastrukturen tätig sind, und wen sehen Sie hierzulande ausserdem als Mitbewerber?
Ich bin überzeugt, dass wir für die Zukunft sehr gut aufgestellt sind. Seit dem Spin-off sind wir unabhängig und können mit den weltbesten Technologieanbietern zusammenarbeiten. Das hat dem Unternehmen einen enormen Schub verliehen. Für uns sind drei Aspekte zentral: Mitarbeiterkompetenz, Technologie und Partnerschaften. In der Schweiz haben wir ein starkes lokales Team von Technologieexperten und ein erfahrenes Führungsteam. Was die Technologie angeht, so können wir auf mehr als 3000 erteilte Patente zurückgreifen, wobei mehr als die Hälfte dieser Patente in den Bereichen Daten und KI, Cloud und Netzwerke, intelligente Automatisierung und Sicherheit liegt. Die dritte Säule sind unsere Partnerschaften. Als eigenständiges, technologieunabhängiges Unternehmen arbeiten wir mit mehr als 30 globalen Playern wie Microsoft, Amazon Web Services oder Google Cloud zusammen. Diese Partnerschaften helfen unseren Kunden, einen Technologie- und Innovationspool zu nutzen, der seinesgleichen sucht.
Mit welchen Anliegen wenden sich Kunden vor allem an Kyndryl?
Die grösste Nachfrage sehen wir im Bereich rund um die digitale Transformation. Hier können wir mit Innovationen sowie mit unserer Beratungskompetenz unterstützen: Kyndryl Bridge ist eine neue offene Integrationsplattform, die kritische IT-Services orchestriert. Die Plattform ermöglicht den Delivery-Teams mehr Automatisierung und den Kunden mehr Transparenz und Kontrolle über ihre komplexe IT-Landschaft. Sie integriert bestehende Tools, IP, Prozesse sowie Partnerschaften in eine einzige Betriebsumgebung und bietet den Kunden Zugang zu einem «digitalen» Kyndryl, das rund um die Uhr zur Verfügung steht und die Ausfallsicherheit der Systeme erhöht. Darüber hinaus nimmt der Bedarf an strategischer Beratung zu. Hier bieten wir mit Kyndryl Consult externe Digitalexpertise und Technologieintegrationsberatung an, die Kunden bei der Definition und Erreichung ihrer Transformationsziele unterstützen.
Wie unterstützen Sie Ihre Kunden rund um die Themen Cybersecurity und -resilienz?
Wir haben unsere globalen strategischen Partnerschaften konsequent ausgebaut, um den unterschiedlichen Sicherheits- und Ausfallsicherheitsanforderungen der Kunden gerecht zu werden. So sind wir beispielsweise eine Partnerschaft mit Veritas eingegangen, die darauf abzielt, das branchenführende Datenmanagement-Portfolio des Unternehmens für B2B-Kunden als vollständig verwalteten Service bereitzustellen. Ausserdem haben wir den Recovery Retainer Service eingeführt, eine spezielle Initiative, die unseren am stärksten gefährdeten und kritischen Infrastrukturkunden qualifizierte Experten vor Ort und modernste Technologien für Notfallunterstützung und Wiederherstellungsmassnahmen zur Verfügung stellt. Im Falle eines Cyberangriffs ist Kyndryl in der Lage, eine sorgfältig orchestrierte Wiederherstellung der Produktionsumgebung in einer sicheren Umgebung durchzuführen und zu gewährleisten.
Wie nutzen Sie bei Kyndryl KI-Anwendungen und wie können Ihre Kunden Infrastrukturangebote von Kyndryl zum Betrieb von KI-Anwendungen nutzen?
Wir nennen unsere Transition «Customer Zero». So nutzen wir unsere Erfahrungen aus erster Hand bei der Implementierung von KI für unsere Kunden. Kyndryl hat auch Microsoft 365 Copilot eingeführt, um die interne Effizienz zu steigern und die Produktivität zu erhöhen, was auch für die Unterstützung unserer Kunden genutzt wird. Im August haben wir das KI-Readiness-Programm ins Leben gerufen, um unseren Kunden die End-to-End-Services zu bieten, die sie benötigen, um generative KI-Lösungen verantwortungsvoll einzusetzen. Im Rahmen des Programms erhalten Kunden Einblicke in KI-Implementierungen aus erster Hand. Wir testen und verbessern KI und andere Technologien, bevor sie in das Geschäft eines Kunden integriert werden. Das KI-Bereitschaftsprogramm umfasst vier Servicebereiche: kollaborative Innovation, Verbesserung der Kunden- und Mitarbeitererfahrung, Aufbau einer starken Datenbasis sowie Implementierung und Management.
Wie kommt Ihren Kunden die Zusammenarbeit von Kyndryl mit Partnern wie Microsoft Azure, Amazon Web Services etc. zugute?
Diese Partnerschaften mit den grossen Cloud-Anbietern sind für unsere Kunden essenziell. Dadurch hat sich der adressierbare Markt mehr als verdoppelt. Wir haben seit der Abspaltung Kooperationen mit rund 30 Technologiepartnern geschlossen. Zusammen mit Microsoft und Dell haben wir zum Beispiel eine integrierte Hybrid-Cloud-Lösung angekündigt. Darüber hinaus haben wir die globale Partnerschaft mit Dell Technologies um Cyberresilienz-Funktionen erweitert.
Welche Elemente einer Arbeitskultur halten Sie für entscheidend, um sowohl Produktivität als auch Mitarbeiterzufriedenheit zu fördern?
Mein Team ist absolut zentral, wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Die Ideen und Meinungen unserer Mitarbeitenden sind uns wichtig und werden in unsere Kundenlösungen natürlich einbezogen. Kompetenzen und Skills haben einen extrem hohen Stellenwert, Respekt vor der Expertise zählt. Mitarbeiterentwicklung und Weiterbildung sind zentrale Elemente. Daher liegt mein Fokus ganz klar auf Offenheit, Transparenz, Weiterbildung und einer 360-Grad-Feedback-Kultur. Ich verliere mich nicht im Mikromanagement, sondern setze den Fokus nur dort, wo ich einen Unterschied machen kann.
Welche Hindernisse stehen einer stärkeren weiblichen Repräsentation in der IT-Branche im Weg und wie können diese überwunden werden? Wie stehen Sie etwa einer Frauenquote gegenüber?
Wir wollen bei Kyndryl eine Kultur der Verantwortung und Exzellenz schaffen. Das geht nur gemeinsam. Und in diesem «gemeinsam» stecken Frauen und Männer. Ja, wir müssen die Frauen vor den Vorhang holen, aber das Ziel ist die Normalisierung der Gleichberechtigung. Wenn unsere gesellschaftlichen Strukturen es zulassen, dass gemeinsame Verantwortung tatsächlich gelebt wird, dann ist ein grosser Schritt in diese Richtung getan. Leider sind wir noch nicht so weit, deshalb brauchen wir unterstützende Rahmenbedingungen, dazu gehört auch die Kinderbetreuung. Mit Stereotypen, wie «Mädchen wären nicht gut in Mathematik», müssen wir als Gesellschaft gemeinsam aufräumen. Es gibt so viele Herausforderungen – um diese zu lösen, braucht es beide Geschlechter.
Was tut Kyndryl in der Schweiz, um dem Fachkräftemangel zu begegnen?
Der IT-Markt ist prinzipiell sehr umkämpft. Das führt auch dazu, dass Unternehmen an sich selbst arbeiten müssen, damit sie zum Arbeitgeber der Wahl werden. Es gilt, ein Vorbild zu sein, einen angenehmen Umgang zu pflegen und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Wir achten bei Kyndryl darauf, dass es für jeden IT-Spezialisten einen Wachstumspfad gibt, auf dem sich Mitarbeitende nicht nur in der IT fortbilden können. Junge Mitarbeitende, die direkt von der Universität oder einer Ausbildung kommen, können unmittelbar in grossen Projekten mitarbeiten, nebenbei die notwendigen Zertifizierungen machen und dabei von erfahrenen IT-Mitarbeitenden gecoacht werden.
Welche Ziele haben Sie sich mit Kyndryl in der Schweiz für 2024 gesetzt?
Wir konzentrieren uns auf die drei As, um unser Wachstum weiter zu beschleunigen: Advanced Delivery, Accounts und Alliances. Das bedeutet, Allianzen weiter zu stärken und gemeinsam mit den Hyperscalern die digitale Transformation voranzutreiben. Unser Ziel ist klar: Wir wollen uns in der Schweiz noch stärker positionieren und der Partner der Wahl für die IT-Modernisierung der wichtigsten Schweizer Unternehmen werden. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf den Einsatz von Kyndryl Bridge, um Unternehmen dabei zu helfen, mehr Transparenz und Kontrolle über ihre komplexen IT-Prozesse zu erlangen, was zu einem besseren ROI und weniger Zwischenfällen führt.
Zur Person
Maria Kirschner hat rund 30 Jahren Erfahrung in der IT-Branche und ist seit November 2021 Geschäftsführerin von Kyndryl Österreich. Seit April 2023 führt sie Kyndryl Alps, wozu ausserdem der Markt Schweiz gehört. Kyndryl bezeichnet sich selbst als weltweit grösste IT-Infrastrukturdienstleisterin. In der Alpen-Region berät Kirschner mit Kyndryl Unternehmen aus der Industrie, dem Finanzbereich und der Verwaltung. Kirschner will den Fokus auf Beratung und die Co-Creation von Lösungen legen und die Kunden begleiten, um deren IT-Transformation zu fördern, damit diese nachhaltig und innovativ wachsen können. Ihre Karriere begann Kirschner im österreichischen Wirtschaftsministerium. Später bekleidete sie verschiedene Management- und Führungspositionen bei IBM, bevor sie zum IBM-Spin-off Kyndryl wechselte. Maria Kirschner verfügt über einen Hintergrund in Steuerrecht und Wirtschaftsinformatik, absolvierte einen internationalen Projektmanagement-Lehrgang an der Wirtschaftsuniversität Wien und erlangte darüber hinaus einen Master of Science in Psychotherapie.