Wild Card von André Golliez

Auf dem Weg zu einem E-ID-Referendum

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Der politisch breit abgestützten Lösung für die Herausgabe der E-ID durch private Unternehmen steht die grundsätzliche Forderung nach einer E-ID exklusiv aus staatlicher Hand gegenüber. Ein Glaubenskrieg zeichnet sich ab, in dem hüben wie drüben liebgewonnene Feindbilder (die Privatwirtschaft) und Allheilmittel (der Markt) bedient werden können.

Die Würfel sind offenbar gefallen. Der Ständerat hat am 4. Juni das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) mit 33 zu 4 Stimmen (2 Enthaltungen) verabschiedet. Um den Gegnern der Vorlage entgegenzukommen, hat die kleine Kammer gegenüber dem Nationalrat wesentliche Korrekturen vorgenommen. Dazu zählen wesentliche Verschärfungen der Datenschutzbestimmungen, die Möglichkeit, dass der Bund ein eigenes E-ID-System betreiben oder sich an einem E-ID-betreibenden Unternehmen beteiligen kann, sowie eine unabhängige Aufsichtskommission über die privaten E-ID-Betreiber (EIDCOM). Diese Änderungen haben die meisten Ständeräte der SP und der Grünen dazu bewogen, dem BGEID zuzustimmen. Die Vorlage geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat. Die Schlussabstimmung wird voraussichtlich in der Herbstsession im nächsten September stattfinden.

Gegen die Vorlage hat sich eine Allianz gebildet, der die Plattform wecollect.ch, die Digitale Gesellschaft, die Stiftung für Konsumentenschutz und weitere Organisationen angehören. Diese ist wenige Tage vor der Debatte im Ständerat mit den Ergebnissen einer Umfrage an die Öffentlichkeit getreten, gemäss derer sich 87 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen digitalen Pass vom Staat und nicht von einem privaten Unternehmen wünschen. Die Anpassungen des Ständerates am BGEID konnten diese Kreise nicht überzeugen. Die Vorbereitungen zu einem Referendum sind im Gange. In Sachen E-ID dürfte somit das Volk das letzte Wort haben. So weit scheint alles klar. Der politisch breit abgestützten Lösung für die Herausgabe der E-ID durch private Unternehmen steht die grundsätzliche Forderung nach einer E-ID exklusiv aus staatlicher Hand gegenüber. Ein Glaubenskrieg zeichnet sich ab, in dem hüben wie drüben liebgewonnene Feindbilder (die Privatwirtschaft) und Allheilmittel (der Markt) bedient werden können. Das Referendum wird zu einer Verzögerung der Einführung der staatlich anerkannten E-ID um mindestens ein Jahr führen. Bei Ablehnung der Vorlage wird ein neuer Versuch - falls überhaupt - mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In jedem Fall profitieren von dieser Situation die globalen Internetplattformen ("GAFA"), die mit ihren unregulierten E-ID-Lösungen bereits den Markt beherrschen. Ständerat Ruedi Noser hat diesen Sachverhalt treffend auf den Punkt gebracht: "Wollt ihr in Zukunft über die E-ID selbst bestimmen können, oder lassen wir das in Zukunft Trump tun? Das ist die Fragestellung des Referendums."

Vertrauen auf dem Prüfstand

Allerdings geht es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um abstrakte gesetzgeberische Prinzipien, sondern implizit auch um eine konkrete E-ID-Lösung, die bereits existiert und flächendeckend ausgebreitet wird: die SwissID. Bekanntlich haben sich die bundesnahen Unternehmen Post, SBB und Swisscom mit UBS, CS und ZKB sowie weiteren Banken und Versicherungen für diese gemeinsame E-ID-Lösung zur Swisssign Group zusammengeschlossen. Mit dem Referendum stehen daher auch das Vertrauen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in dieses Konsor­tium und die Begeisterung der Anwender für die SwissID auf dem Prüfstand. Die Aktionäre der Swisssign Group sollten sich dieser grossen politischen Verantwortung bewusst sein und offensiv die Schweizer Bevölkerung von der Vertrauenswürdigkeit und den Vorteilen ihrer Lösung überzeugen. Inwieweit ihnen dies gelingt, wird für den Ausgang der Abstimmung über das BGEID ausschlaggebend sein.

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